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Würzburg
Ein Café für Drogenabhängige? Genau das macht der Verein Condrobs und sein Würzburger Kontaktcafé Flow
Viele Menschen mit langjährigen Drogenproblemen brauchen Hilfe. In Würzburg bietet diese Condrobs. Zwei Verantwortliche erklären, wie die Lage vor Ort ist.
Condrobs e.V. ist ein Träger für soziale Hilfsangebote in Bayern. In Würzburg bieten sie ein sogenanntes Kontaktcafé namens Flow. Abteilungsleiterin der Sucht- und Jugendhilfe Claudia Nembach (rechts) und Stella Münch, Leiterin des Kontaktcafés, sind die Verantwortlichen im Café.
Foto: Thomas Obermeier | Condrobs e.V. ist ein Träger für soziale Hilfsangebote in Bayern. In Würzburg bieten sie ein sogenanntes Kontaktcafé namens Flow.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:17 Uhr

In der Rüdigerstraße, versteckt hinter dem Parkhaus des Mainfranken-Theaters, findet sich ein kleines Café. Doch hierbei handelt es sich um keine gewöhnliche Kaffeestube - das Kontaktcafé Flow ist ausgelegt als Treffpunkt und Aufenthaltsort für Menschen mit Drogenproblemen. Es gehört zu Condrobs, einem Träger, der Partei ergreifen möchte für Menschen, die ausgegrenzt sind. Claudia Nembach, Abteilungsleitung Sucht- und Jugendhilfe, und Stella Münch, Leiterin des Konaktcafés, erzählen im Gespräch unter anderem, wie es um die Drogenszene in Würzburg steht. 

Frage: Was ist eigentlich Condrobs und für was steht es?

Stella Münch: Condrobs hilft benachteiligten Menschen und ihren Angehörigen. Wir sind ein überkonfessioneller Träger mit vielfältigen sozialen Hilfsangeboten in ganz Bayern. Seit 50 Jahren verfolgt Condrobs ein Ziel: mit individuellen Angeboten Menschen eine Brücke in ein selbstbestimmtes, gesundes Leben zu bauen. Mit individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen abgestimmten Angeboten hilft Condrobs Suchtgefährdeten und -kranken, aus ihrer Sucht auszusteigen und in ein selbstbestimmtes, gesundes Leben sowie in Arbeit zurückzukehren. Parallel dazu berät und unterstützt Condrobs auch die Angehörigen.

Condrobs gibt es bereits seit 50 Jahren. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit besonders festgestellt? Hat sich die Situation der Drogenabhängigen verschlechtert oder verbessert?

Claudia Nembach: Seit den 70er Jahren nimmt die Heroinabhängigkeit auch in Bayern immer mehr zu, zunächst wurde in der Suchtkrankenhilfe die Leidensdrucktheorie angewendet, sprich, je schlimmer die aktuelle Lebenssituation, umso höher die Veränderungsbereitschaft. Leider sind bei dieser Herangehensweise viele abhängige Menschen auf der Strecke geblieben oder leider auch gestorben. Nicht zuletzt durch die HIV-Epidemie und der restriktiven Politik in Bayern wurde die Notwendigkeit von Überlebenshilfen, Schadensbegrenzung und einer akzeptierenden Haltung deutlich. In der Suchthilfe wurde erkannt, dass es den einen Königsweg nicht gibt, aber je einfacher und zieloffener sich der Zugang zum Hilfesystem gestaltet, desto mehr Menschen nehmen diese auch in Anspruch und die negativen Auswirken der Suchterkrankung können eingedämmt werden. Durch die Anerkennung der Substitutionsbehandlung mit Drogenersatzstoffen (Methadon) als qualifizierte Behandlungsmethode hat sich die Situation für Opiatgebraucherinnen und Opiatgebraucher enorm verbessert. Für viele bedeutete dies auch den Ausstieg aus der Illegalität und Beschaffungskriminalität.

Die letzten Jahre waren geprägt von Krisen. Erst Corona, nun Energie-und Gaskrise sowie Inflation. Haben diese Krisen auch Auswirkungen auf die Arbeit bei Condrobs?

Nembach: Da bei vielen Menschen mit einer Suchterkrankung häufig stabilisierende Faktoren wie Partnerschaft, Familie, Freunde, Arbeitsplatz nicht oder wenig verfügbar sind, ist die Verletzlichkeit in krisenhaften Situationen dementsprechend höher. Zu Beginn der Coronapandemie war nahezu kein Hilfesystem mehr erreichbar. Wir haben bei Condrobs so gut wie möglich versucht, Hilfsangebote aufrechtzuerhalten. Steigende Preise treffen viele unserer Klientinnen und Klienten sehr hart, weil sie in der Regel über keinerlei Rücklagen oder sonstige Unterstützung verfügen. Condrobs als freier Träger wird aus öffentlichen Geldern bezuschusst, viele Angebote sind sogenannte freiwillige Leistungen der Kommunen, die von Kürzungen bedroht sind, wenn die öffentlichen Mittel schrumpfen. Die gestiegenen Energiepreise sind für alle sozialen Einrichtungen schwer zu stemmen.

Wie steht es um die Drogenszene und die Versorgung Drogenabhängiger in Würzburg?

Nembach: In Würzburg und den umliegenden Landkreisen leben geschätzt etwa 500 opiatabhängige Menschen. Es gibt keine offene Drogenszene, jedoch Treffpunkte wie den Hauptbahnhof oder den Barbarossaplatz. Seit 2009 bietet Condrobs in Würzburg beispielsweise ambulant betreutes Wohnen für suchterkrankte Menschen als Eingliederungshilfe an. Zu diesem Zeitpunkt gab es hier die Jugend- und Drogenberatung der Stadt Würzburg und einige Substitutionsärzte. Was fehlt, ist eine Art Krisenhaus für Menschen, die süchtig sind und sich in psychischen oder sozialen Ausnahmezuständen befinden. Immer wieder wird es für alle Akteure schwierig, diese Menschen unterzubringen, sodass eine Verbesserung oder geeignete Anschlussmaßnahme eingeleitet werden kann. Substitutionsplätze und der Nachwuchs an Ärztinnen und Ärzte, die diese Behandlungsform anbieten möchten, sind rar.

Condrobs bietet das Kontaktcafé Flow. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Münch: Das Kontaktcafé ist ein Treffpunkt und Aufenthaltsort für Menschen mit Drogenproblemen und/oder in Substitution. Ohne Anmeldung, Termin oder Verpflichtungen sowie anonym und kostenfrei bietet das Kontaktcafé Unterstützung und Hilfe ganz unkompliziert in unterschiedlicher Form an. Ziel ist es, einen einfachen Zugang zum Hilfesystem zu ermöglichen. Bei uns können sich die Besucherinnen und Besucher einerseits aufhalten und Getränke und Speisen erhalten und anderseits können sie mit qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Gespräch kommen und individuelle Hilfe erhalten. Unser Anliegen ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie Wertschätzung erfahren und dadurch in Beziehung mit uns treten und Hilfen annehmen. Ziel des Angebots ist die Überlebenssicherung sowie die Stabilisierung und Verbesserung der gesundheitlichen und psychosozialen Situation der Betroffenen. In den Räumen der Einrichtung sowie um das Gebäude herrscht Konsumverbot, das heißt der Konsum von Alkohol und anderen illegalen Substanzen ist nicht erlaubt.

An welche Menschen richtet sich das Kontaktcafé?

Münch: Das Kontaktcafé Flow ist eine Anlaufstelle für Menschen, die illegale Substanzen konsumieren und/oder in Substitution sind und ihren Wohn- bzw. Aufenthaltsort in der Suchthilferegion Mainfranken haben. Bei der Zielgruppe handelt es sich zu 80 Prozent um männliche Personen und nur zu 20 Prozent um weibliche. Der Großteil der Zielgruppe ist zwischen 30 und 50 Jahre alt. 

Wie kann man sich die Arbeit der Mitarbeitenden vorstellen?

Münch: Die Arbeit der Mitarbeitenden im Kontaktcafé ist sehr vielseitig und erstreckt sich auf sehr viele Arbeitsbereiche. An erster Stelle sind wir verlässliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei Fragen und Anliegen und bieten durch unsere tägliche Anwesenheit Kontinuität und Verlässlichkeit. Für viele Besucherinnen und Besucher sind wir ein zweites Zuhause und erste Kontaktpersonen bei persönlichen Anliegen. Die Mitarbeitenden versuchen stets, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle willkommen und wertgeschätzt fühlen. Neben der Beziehungsarbeit müssen die Mitarbeitenden jedoch auch den Tagesablauf des Kontaktcafés gewährleisten und den Überblick behalten. Wir geben Speisen und Getränke aus, verteilen angekommene Post, helfen bei Fragen zu Anträgen oder Wohnungsanliegen und überwachen die Einhaltung der Hausregeln. Weiterhin stehen wir bei psychischen und physischen Krisen zur Seite. Die Arbeit gestaltet sich jeden Tag anders und kein Tag ist wie der andere.

Condrobs bietet in Würzburg zudem ein Beschäftigungsprojekt. Was kann man sich darunter vorstellen?

Münch: Viele Menschen mit langjährigen Drogenproblemen sind erwerbslos und haben wenige Chancen der Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt. Es fehlt einerseits an Möglichkeiten zur Tagesstrukturierung und sinnhafter Beschäftigung und andererseits mangelt es den Betroffenen an psychischer sowie physischer Stabilität. Hier setzt das Beschäftigungsprojekt des Kontaktcafés an. Im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten, im Zuverdienst sowie der Möglichkeit der Ableistung der Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit, ist eine Mitarbeit im Kontaktcafé für die Zielgruppe möglich. Es werden dabei Beschäftigungsmöglichkeiten je nach individuellem Niveau im Bereich der Hauswirtschaftshilfe und der Hausmeisterei angeboten. Mit Hilfe der Beschäftigungsmaßnahmen soll die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten gestärkt und durch professionelle Beratung, Begleitung und Weiterqualifizierung eine Stabilisierung der Persönlichkeit erreicht werden.

Wie blicken Sie auf das Jahr 2023?

Münch: Wir blicken zunächst vorfreudig auf das Jahr 2023 und sind davon überzeugt, dass sich das Kontaktcafé auch im nächsten Jahr auf hohe Besucherzahlen freuen kann. Wir haben sogar die Vermutung, dass die Zahl der Besucherinnen und Besucher aufgrund steigenden Bekanntheitsgrads und aufgrund des höheren Bedarfs durch die steigenden Preise sich noch weiter erhöhen wird. Das bringt uns natürlich auch an personelle sowie räumliche Grenzen, sodass wir auf personelle Aufstockung hoffen. Weiterhin bereitet uns die derzeit ungeklärte Raumsituation Sorgen. Wir hoffen sehr auf ein weiteres Bestehen des Kontaktcafés in der Rüdigerstraße. Der Ort ist durch die Nähe zur Stadt, dem Bahnhof sowie die umliegenden Substitutionspraxen äußerst gut gelegen. Im Jahr 2023 möchten wir natürlich unser bisheriges Angebot weiter aufrechterhalten sowie die Versorgungsstruktur durch Kooperationen zwischen dem medizinischen und dem sozialen Sektor weiter ausbauen.

Das Kontaktcafé ist auf Spenden angewiesen und freut sich über Sach- sowie Geldspenden. Spendenkonto: IBAN DE86 7015 0000 0000 3582 00, Verwendungszweck: Kontaktcafé Flow.

 
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  • ToDietz@web.de
    @Einwohner: und vor allem ZAHLEN!!!
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  • jutta.noether@web.de
    Ich finde das eine wunderbare Einrichtung. Hoffentlich kann sie noch lange weiterbestehen.
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  • Einwohner
    Es wird doch keiner gezwungen Drogen zu nehmen. Jeder entscheidet sich selbst dafür. Am Ende stellen sie sich als Opfer hin und die Allgemeinheit soll helfen.
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  • christian@kreatil.de
    @Einwohner: Es gibt tatsächlich Menschen, die ihr eigenes Verhalten nicht 100% unter Kontrolle haben. Die Forschung ist sich noch uneins über die Ursachen. Diskutiert werden verschiedene Formen von Hirnstoffwechselanomalien, die sich beispielsweise in einer Unterversorgung bestimmter Hirnareale mit dem Nervenbotenstoff Dopamin zeigen. Man weiß schon seit längerem, dass unter anderem der Frontallappen (lobus frontalis) für die Selbstkontrolle des Menschen eine Schlüsselrolle spielt.

    Hilfweise kann man sich das Ganze wie eine leichte Form geistiger Behinderung vorstellen, welche unter anderem auch Ursache für diverse Suchterkrankungen sein kann. Vielleicht können Sie es ja mal kurzzeitig unter dieser Perspektive betrachten?
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  • jutta.noether@web.de
    Stimmt.
    Es gibt auch zum Beispiel die sogenannte Frontallappendemenz.
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  • Belph
    Da merkt man, dass Sie keine Ahnung von der Materie haben. Seien die dankbar dafür aber verurteilen Sie andere nicht.
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  • Einwohner
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