Stille. Nur ein paar wenige Gestalten der Nacht stehen vor dem gelben Haus, sie unterhalten sich leise, ziehen genüsslich an ihren Zigaretten. Die waldgrünen Fensterläden der unteren Etage sind geschlossen, die alte Laterne mit den gelben Glasscheiben über der Türe leuchtet hell - sie gibt ein Zeichen: Der "Nachtwächter" hat geöffnet. Die braune Holztüre öffnet sich, dumpf hört man schlagartig leise Musik nach außen dringen.
"Bevor die eine Tür geöffnet wird, muss die andere geschlossen sein", klärt ein Türsteher, der auf einem Barhocker sitzt, auf. Die sogenannte Schleuse soll verhindern, dass die laute Musik aus dem Innenraum nach außen dringt - der Nachbarn zuliebe. Hat man die Schwelle der Eingangstür überschritten, fühlt man sich, als wären die Uhren stehen geblieben. Man befindet sich im "Nachtwächter" - Würzburgs ältester Studentenkneipe.
Nach fast 50 Jahren teilweise noch immer Schlangen vor der Eingangstür
Tische und Stühle haben schon viele Jahre auf dem Buckel. Und dennoch strahlt der Gastraum eine Gemütlichkeit aus, die viele Würzburger Nachtschwärmer jede Woche in die Korngasse zieht. Zwischen den rustikal verputzten Wänden, die mit rund 180 historischen Emaille-Schildern ausgestattet sind, begrüßt heute Yvonne Häußler ihre Gäste. "Wir erleben gerade einen richtigen Aufschwung", erzählt sie. Die Schlangen vor dem Eingang, die sich teilweise am Wochenende bilden, bestätigen sie.
Studentinnen und Studenten, Nachtschwärmerinnen und -schwärmer, Pärchen, alle Schichten, alle Altersgruppen, bunt gemischt – das antwortet die gelernte Hotelfachfrau, wenn man sie fragt, wer hier so einkehrt.
Die Einrichtung von 1974 steht auch heute noch
Bevor die Kneipe zum "Nachtwächter" wurde, kannte man sie unter dem Namen das "Scharfe Eck" - weil die Straßenbahn um das Reuererkloster davor einen Haken schlagen musste. 1974 hat Gerd Ehehalt, damals Student in Darmstadt, das Eckhaus in der Korngasse mit seinem Großcousin Reinhard "Sonny" May gepachtet. Damals hatte der 24-jährige May eine Schreinerei in Zellingen. Dort entstand die gesamte Einrichtung - und genauso steht sie auch heute noch im "Nachtwächter".
Der Laden besticht durch seine verwinkelt geschnittene Holztheke. Ein alter Küchenschrank, der die Gläser trägt, aus denen die Nachtschwärmer jede Woche ihre Drinks zu sich nehmen, steht dahinter. Und auch die wenigen Barhocker an der Theke stammen aus den vergangenen Zeiten.
Eigentlich sollte der "Nachtwächter" einen ganz anderen Namen haben
"Eigentlich sollte die Kneipe 'Kachelofen' heißen", erinnert sich May heute. Gerd Ehehalt hatte einen in Paris aufgetrieben. Doch als dieser eingebaut werden sollte, fehlte die Hälfte. So wurde aus dem "Kachelofen" der "Nachtwächter".
"Das große Glück waren die Menschen, die dort tätig waren. Dieser Geist, der war unbeschreiblich", antwortet der 72-jährige May heute auf die Frage, welche Erinnerungen er mit seiner Zeit im "Nachtwächter" verbindet. "Diese Menschen haben dann alle etwas gerissen, sie wurden Unternehmer oder Filmemacher oder machen irgendetwas anderes Tolles. So ein Laden ist nie im Leben nur eine Person, er besteht aus den Menschen drumherum", beschreibt er. In dieser Zeit habe er sogar direkt über der Kneipe gewohnt.
Erst vor Kurzem habe er einen kleinen Abstecher in die Korngasse gemacht und sei überrascht gewesen, zu sehen, dass der "Nachtwächter" geöffnet hatte. "Ich habe das Gerücht gehört, dass er Corona nicht überlebt hat. Umso glücklicher hat es mich gemacht, Leute davor zu sehen - und auch etwas stolz." Eine "Schwachsinnsidee" nennt er es heute, in einem Wohngebiet eine Musikkneipe aufzumachen und lacht. "Die Toleranz der Nachbarn werde ich nie vergessen."
1979 haben Ehehalt und May die Disco "Paramount" in der Karmelitenstraße eröffnet. So begann im "Nachtwächter" - heute wird er liebevoll "Nachti" von manchen Würzburger Nachtschwärmern genannt - die Ära Georg Stößel. Und der begrüßte jede Menge Prominenz: Rockstar Brian Adams, Udo Lindenberg, Dieter Hallervorden, Dirk Nowitzki, Otto Waalkes und die Sportfreunde Stiller waren schon Gast in der kleinen Kneipe. Ab 1999 pachtete dann Manfred Rosenbauer die Kneipe, ehe er dann 2008 in die Hände von Yvonne Häußler ging.
Was ist das Erfolgsrezept der Kneipe?
Doch Häußler arbeitet bereits seit 1999 in der Musikkneipe, wie sie ihren Laden gerne bezeichnet. Damals als Kellnerin, heute ist sie stolze Pächterin. Häußler stammt eigentlich aus Aschaffenburg, ist wegen des Jura-Studiums 1998 nach Würzburg gezogen. Doch dann ist sie im wahrsten Sinne des Wortes, "in der Wirtschaft hängen geblieben". Neben dem Nachtwächter betreibt die 43-Jährige zudem noch das Mainbäck in Würzburg. In der Gastro fühlt sie sich Zuhause.
Was ist das Erfolgsrezept der Kneipe, die 2024 ihren 50. Geburtstag feiert? Häußler zuckt mit den Schultern. "Vielleicht unsere Musik. Wir spielen Klassiker, kein Techno." In einer "normalen Disco" finde man das nicht, sagt sie. "Und auf jeden Fall das Urige, das macht unsere Kneipe aus", fügt ihr Mann René hinzu. "Ich glaube, wenn wir den alten Schrank entfernen würden, fällt das ganze Haus auseinander, der ist quasi mit der Wand verwachsen", sagt seine Frau, lacht und streicht liebevoll mit ihren Händen über die Holztheke. Einzig der dunkle Fußboden wurde in den Jahren neu gemacht.
Es gab auch schwierige Zeiten
Doch nicht immer lief für die Kneipe alles rosig. Corona hat auch den Häußlers schwere Zeiten bereitet, Gerüchte über eine endgültige Schließung kursierten sogar in der Stadt. "Alles Quatsch", sagt Häußler heute. Doch einfach sei es trotzdem nicht gewesen. Durch eine Spendenaktion, bei der vor allem Stammkunden ihren Geldbeutel öffneten, hat das Paar zumindest die laufenden Nebenkosten decken können. "Das Schlimme war, dass nicht abzusehen war, wann es besser wird", erinnert sich die Gastronomin. Doch es wurde besser und nach 18 Monaten Stille, öffnete der Nachtwächter im Oktober 2021 wieder seine Türen.
2024 feiert der "Nachtwächter" seinen 50. Geburtstag
Fragt man die Gäste zu späterer Stunde, was sie in den "Nachtwächter" zieht, sind sich viele einig. "Es ist so urig, kuschelig, kultig... irgendwie familiär", meint Elisa. " Und das Personal steckt einen mit der guten Laune an." Die 29-jährige Studentin geht etwa jedes zweite Wochenende zum Tanzen in die Kneipe. "Es ist keine klassische Kneipe, viele tanzen - so wie ich auch", sagt Lars aus Höchberg. "Irgendwie geil urig", findet es Max. Und sein Kumpel Frederick zieht vor allem die Musik in die Korngasse: "Die Mischung ist super, meistens jedenfalls. Und es ist eine entspannte Alternative zu anderen Bars."
2024 feiert der "Nachtwächter" seinen 50. Geburtstag. Und die nächste Generation steht auch schon in den Startlöchern. Yvonne und René Häußler haben einen dreijährigen Sohn. Doch: "Bevor er nicht an den Zapfhahn hochkommt, hat er im Nachtwächter keinen Zutritt", sagt die Mutter und lacht.
Hoffentlich werden die auch noch abgespielt. Klingt einfach besser.
In den 80er Jahren war ich da auch ein paar mal, ohne dass ich Student gewesen war.
Hoffentlich gibt es diese und andere Kneipen, z.B. der Omnibus, noch lange.
wenn das 50. gefeiert wird, geh i nomal nei..... und ...... freu mich des Lebens!
I hoff bloss, das die Türsteher Verständnis zeigen.... und mi neilassen....
"Ur-Opa .... is kein Verdienst, das wird mer vo allee .......
Die meisten Kneipenbesucher leben halt auch noch traditionsbewußt
und brauche keine Schicki-Micki-Kneipen, einfach nur unterhalten und
gut essen und trinken, mehr nicht. Alles gute für den "Nachtwächter",
war früher mit Clique auch öfters mal drinnen.