
Zu Beginn der neuen Woche behandeln wir im Klinikum Würzburg Mitte 23 Corona-Patienten, einen davon auf der Intensivstation am Standort Missioklinik. Insgesamt sind die Zahlen somit in den vergangenen Tagen relativ stabil geblieben.
Gefreut hat uns am Morgenmorgen die Nachricht, dass wir zwei Patienten nach langer Beatmung zügig in die Anschluss-Reha verlegen können. Das ist keine Selbstverständlichkeit, da Rehaplätze im Moment aufgrund der Pandemie rar sind und manche Kliniken nicht im Vollbetrieb arbeiten.
Generell hat sich bei uns auf den Corona-Isolierstationen im Juliusspital und der Missioklinik inzwischen eine gewisse Routine eingestellt. Das erleichtert die Versorgung. Trotzdem bleiben genaue Absprachen wichtig, wir müssen die Kapazitäten immer im Blick haben. Zum Beispiel haben wir noch kurz vor dem Wochenende einige anspruchsvolle Lungenpatienten von anderen Kliniken übernommen – etwa eine stark übergewichtige Frau aus Baden-Württemberg, die von der invasiven Beatmung entwöhnt werden soll. Solche Verlegungen schaffen an anderen Orten Kapazität zur Versorgung von Intensivpatienten, das Miteinander ist wichtig.
Im Austausch mit Kollegen zeigt sich auch, dass viele mit langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitssystem rechnen. So könnten bestimmte Organisations- und Verhaltensmaßnahmen dauerhaft übernommen werden – beispielsweise das Arbeiten mit Maske. Vorstellbar ist auch, dass künftig bei Infektionswellen schon viel früher ein Maskenschutz verwendet wird.
Krankheiten sind oft alleine schwer zu bewältigen
Ein Thema, das in Kliniken und Pflegeheimen in der Pandemie immer wieder eine große Rolle spielt, sind Nähe und Besuchsmöglichkeiten. Das ist eine Gratwanderung: Wir müssen auf der einen Seite alles tun, um die Ansteckungsrisiken für die Mitarbeiter und die Patienten auf den Stationen zu minimieren – und trotzdem Kontakte zu Angehörigen zulassen. So gibt es etwa für sterbende Patienten Ausnahmeregelungen von den geltenden Beschränkungen. Wenn ein Mensch am Lebensende angekommen ist, versuchen wir auf jeden Fall zu ermöglichen, dass er begleitet wird. Sicher ist das nicht in dem Umfang möglich wie früher. Aber wir bemühen uns enorm, dass niemand alleine ist.
Insgesamt ist die Besuchssituation wesentlich schwieriger als vor der Pandemie. Und sicher stellt sich die Frage, ob man in Kliniken und Heimen wieder mehr Besuche ermöglichen sollte, wenn die Impfungen fortgeschritten sind. Vom Herzen würde ich sagen ja – vom Verstand bin ich ein bisschen vorsichtig.
Natürlich ist eine Krankheit oft eine Krise und man wünscht sich, dass Menschen dabei begleitet werden. Wenn man sich vorstellt, eine Frau verliert ihr Kind noch vor der Geburt und sie muss für den Eingriff allein in die Klinik – das ist wahnsinnig belastend. Und selbstverständlich ist die Unterstützung durch Menschen, die einem nahe stehen, etwas anderes als die von uns angebotene professionelle Hilfe durch den psychologischen Dienst oder die Seelsorge. Nur: Auch wenn die Infektionszahlen zurückgehen, sind wir noch nicht soweit, dass wir alle Schutzmaßnahmen rasch wieder aufheben können. Das ist leider so und das tut auch weh.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er seit vielen Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag: www.mainpost.de/corona-tagebuch