Am Dienstagmorgen haben wir bei uns im Klinikum elf Corona-Patienten in Behandlung, zwei davon müssen auf der Intensivstation beatmet werden. Ein Patient konnte gestern noch entlassen werden, gleichzeitig haben wir eine neue Patientin aufgenommen – und das auf ungewöhnlichem Wege.
Die junge Frau kam nämlich in den Kreißsaal zu uns zur Entbindung. Sie hatte keine Beschwerden, erst rückblickend erinnerte sie sich an leichte Erkältungssymptome vor zwei Wochen. Wie alle Patienten im Klinikum, musste sie aber bei der Aufnahme einen Corona-Test machen. Prophylaktisch, zum Schutz des Personals und der Mitpatienten. Es wurde also ein Abstrich von der jungen Frau genommen – und der fiel zur Überraschung aller positiv aus.
Die Frau hat die Geburt dennoch erfolgreich geschafft, dem Kind geht es gut und sie selbst ist beschwerdefrei. Mutter und Baby sind isoliert untergebracht und werden von den Frauen- und Kinderärzten betreut. Der Vater allerdings konnte bislang leider noch nicht auf die Station kommen. Ob und wie ein Besuch möglich wäre, stimmen wir im Moment mit dem Gesundheitsamt ab. Das ist natürlich eine belastende Situation für die junge Familie, aber wir suchen eine Lösung.
Anschließend war ich noch einmal im Kreißsaal und habe gefragt, wie das Personal zurechtkommt. Von den Mitarbeitern gab es hier nur ermutigende Rückmeldungen: Alle arbeiten prophylaktisch mit Schutzmaske, und die Hygieneregeln werden gut umgesetzt. Daher fühlen sie sich auch in solchen Fällen, wenn plötzlich eine Infektion entdeckt wird, nicht gefährdet – sondern gehen routiniert mit einer Corona-Geburt um. Die trotz der Anspannung sehr gute Stimmung hat mich gefreut.
Unterstützung für den Landkreis Main-Spessart
Bereits gestern Abend hatte uns eine Anfrage aus dem Landkreis Main-Spessart erreicht. Dort scheint die Situation sehr angespannt und kritisch zu sein und es wurde gebeten, ob wir bei der Versorgung entlasten und unterstützen könnten. Wir haben das sowohl für den Intensivbereich als auch für die normalen Corona-Stationen zugesagt. Bisher wurde zwar noch kein Patient übernommen, aber genau diese Vernetzung ist regional und überregional wichtig. Das ist sicher das Gebot der Stunde.
Was mich zudem beschäftigt hat, ist die Urlaubsplanung im Dezember. Es ist zum Glück nicht so, dass bei uns alle an der völligen Erschöpfungsgrenze arbeiten, weil sie bislang das ganze Jahr keinen Urlaub nehmen konnten. Im Gegenteil, im Sommer war das durchaus möglich. Wir hatten eine Zeit quasi ohne Corona-Fall im Klinikum – eine Verschnaufpause. Und im Frühjahr, als in einigen Fachabteilungen das planbare Programm heruntergefahren wurde, hatten wir Mitarbeiter sogar gebeten, Tage frei zu nehmen. Das wurde auch gemacht.
Und jetzt im Winter? Sollte der Personalbedarf auf den Corona-Stationen stark ansteigen, müsste man reagieren. Tatsächlich habe ich darüber bereits mit ärztlichen Kollegen der Intensivversorgung gesprochen: Wenn die Lage im Dezember eskaliert, würden wir eine geplante Urlaubswoche aussetzen. Dafür gab es viel Verständnis. Sicher wäre das anders, wenn alle 2020 durchgearbeitet hätten. Dann würde es jetzt eng werden. Denn Erholung braucht ein Mensch – sowohl in seiner Tagesgestaltung als auch langfristig.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (50) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist auch für die Behandlung von Covid-19-Patienten zuständig. Per Tagebuch gibt er in den nächsten Wochen täglich Einblicke in den Klinikalltag unter: www.mainpost.de/corona-tagebuch