Nach fast zwei Jahren Corona-Pandemie blickt Oberbürgermeister Christian Schuchardt mit Sorge auf eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und hat die Würzburger Bevölkerung zum sozialen Zusammenhalt aufgerufen. "Jeder und Jede von uns kann und muss einen Beitrag zu einer zusammenhaltenden Gesellschaft leisten", betonte Schuchardt am Sonntag beim virtuellen Neujahrsempfang der Stadt.
Zum zweiten Mal in Folge konnte der OB nicht wie vor der Pandemie bis zu 500 geladene Gäste begrüßen, sondern stand bei der Aufzeichnung seiner Rede im Ratssaal alleine vor einer Kamera. Schuchardt sprach unter anderem von "zunehmender Ungeduld und wachsender Gereiztheit", nachdem sich auch mehr als ein Jahr nach dem Beginn der Impfungen gegen den Covid19-Erreger die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität noch nicht erfüllt hat, "vor allem, aber nicht nur, weil sich bisher zu wenige Menschen haben impfen lassen."
Schuchardt: Es würden Grenzen überschritten
Das Virus drohe immer mehr "zum gesellschaftlichen Spaltpilz zu mutieren", so Schuchardt weiter. Zwar müsse man auch politische Minderheiten ernst nehmen und versuchen, ihre Beweggründe zu verstehen. Durch Hassbotschaften, Aufrufe zu Gewalt und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit würden aber "eindeutig Grenzen überschritten, die nicht überschritten werden dürfen". Den Begriff Querdenker erwähnte der OB in diesem Zusammenhang nicht, sondern sprach von einer "kleinen, aber lautstarken Minderheit von Coronaleugnern und Impfgegnern".
Überzeugendes und effizientes Handeln der Politik sei erforderlich, um der Verbreitung von Verschwörungstheorien entgegenzuwirken und das gesunkene Vertrauen wieder zu stärken. In diesem Zusammenhang äußerte Schuchardt auch ein gewisses Verständnis für die zunehmende Kritik an "mangelhafter Stringenz und Effizienz" der staatlichen Corona-Maßnahmen.
Stadtgesellschaft müsse sich neu erfinden
Auch wegen aktueller Trends wie Globalisierung und ansteigender weltweiter Migration ist nach den Worten des Oberbürgermeisters die Würzburger Stadtgesellschaft aufgerufen, sich ein Stück weit neu zu erfinden. Der Zusammenhalt einer bunten und vielfältigen Gesellschaft lasse sich nur durch verbindliche gemeinsame Grundwerte erreichen. Für Schuchardt persönlich sind dafür "die christlichen Werte, die ja auch von Nichtchristen geteilt werden", die beste Grundlage.
Gastredner beim virtuellen Neujahrsempfang war Thomas Hinrichs, der Programmdirektor des Bayerischen Rundfunks, der die durch die Corona-Krise gestiegene Bedeutung von hochwertigem Journalismus betonte. In einer Zeit, in der sich die Menschen über das Internet und die sozialen Medien mit so vielen Informationen wie nie zuvor versorgen können, müssten komplexe Fragen verständlich aufgearbeitet werden, betonte Hinrichs. Dafür brauche es Qualitätsmedien, "die differenzieren, statt zu emotionalisieren und die eine zweifelsfreie Faktenbasis liefern, auf der man diskutieren und auch anderer Meinung sein kann."
zu einer Stadtgesellschaft, wie nicht nur ich sie mir vorstelle und dringend wünsche, gehört Frieden und Sicherheit. Gerade Würzburg trägt tiefe Wunden nach den Ereignissen 2021, 2016. Wir müssen darüber rededen, wie Buntheit positiv gestaltet werden kann und Vielfalt nicht nur Quantität und Beliebigkeit heisst. Der gesellschaftliche Friede ist von vielen Seiten bedroht, von rechts wie links, von Fanatikern jeder Couleur und das sollte von Ihnen nicht reflexartig ausgeblendet werden. Man gehe offenen Auges zu jeder Tages- und Nachtzeit durch die Stadt und mache sich ein Bild. Es reicht eben nicht, nur Sonntagsansprachen zu halten. Diese werden zu oft Betroffenheitsreden. Ich wünsche mir echte Bürgernähe von Ihnen und nicht nur Reden, wie wir Bürger zu sein haben, damit wir Ihrem Weltbild genügen. Würzburg machte auf jeden Fall schon mal mehr Spass.