„Ich bin überwältigt von den vielen Zuhörern“, sagte Architekt Hartmut Holl am Donnerstagabend angesichts der gut gefüllten TVO-Halle. „Wegen des Fußballspiels hatte ich Schlimmes befürchtet.“ Doch es schien, als habe das frühe WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft das Interesse der Ochsenfurter an der Zukunft ihrer Stadt nicht dämpfen können. Hartmut Holl und sein Mitarbeiter Holger Kess stellten das 202 Seiten starke Gemeindeentwicklungskonzept (GEK) vor, in das viele Vorschläge der Bürger eingeflossen waren. Das Ziel ist, durch verschiedene Maßnahmen Verbesserungen des Lebensumfelds zu erreichen. Gut ein Jahr habe der Dialogprozess zwischen dem beauftragten Büro und den Bürgern gedauert, sagte Holl.
Auffällig dabei: die sehr gute Beteiligung an den Spaziergängen in den teilnehmenden Stadtteilen Bärental, Darstadt, Erlach, Hohestadt, Kleinochsenfurt, Tückelhausen, Westsiedlung und Zeubelried. Hopferstadt und Goßmannsdorf sind nicht dabei, da dort die Dorferneuerung schon recht weit fortgeschritten ist. Die Bürger konnten die ihrer Meinung nach drängendsten Problemfelder benennen und Ideen zur Verbesserung einbringen, die in verschiedenen Arbeitskreissitzungen formuliert wurden. All das ist nun im GEK gebündelt worden.
Die Baulandentwicklung ist das A und O
Alles in allem seien die Zukunftsaussichten nicht schlecht, so Holl. Ochsenfurt sei eine Kleinstadt mit einem gewachsenen Zentrum. Solche Städte seien in der Lage, die Abwanderung aus dem ländlichen Raum aufzuhalten. Mit seinen Stadtteilen sowie einigen umliegenden Gemeinden stelle Ochsenfurt eine Region mit etwa 24 000 Einwohnern dar. Da in der Stadt dennoch insgesamt ein Rückgang der Bevölkerung zu beobachten ist, sei die Baulandentwicklung das A und O, glaubt Holl.
„Jeder Ort sollte jedes Jahr etwa fünf baureife Grundstücke zur Verfügung haben“, empfiehlt der Stadtplaner. Aber auch er weiß, dass das leichter gesagt, als getan ist – gerade in den kleinen Ortsteilen. Ortssprecher Tilo Hemmert aus Erlach wollte wissen, ob das am Oberen Dümmersberg in Ochsenfurt geplante große Wohngebiet den kleinen Orten nicht das Wasser abgraben könnte. „Da gibt es keine allzu große Konkurrenz“, gab Hartmut Holl zur Antwort. In die Ortsteile zögen Menschen, die dorthin einen Bezug hätten. Also in der Hauptsache wohl Familien, die aus dem Ort stammen.
Für jeden Stadtteil sind Impulsprojekte beschrieben
Für jeden Stadtteil hat das Büro die Stärken und Schwächen analysiert und die wichtigsten Maßnahmen zusammengefasst – sogenannte Impulsprojekte. Vor die Klammer ziehen lässt sich fast überall der Wunsch nach einem Leerstandsmanagement und mehr Bürgerbeteiligung. Im Bärental steht die Verbesserung des Wohnumfelds ganz vorne auf der Agenda, wozu unter anderem die Beseitigung der vielerorts abgestellten Müllsäcke beitragen könnte. Die Belastung durch den Verkehr, unter anderem zur Mainklinik, soll reduziert und der Parkraum optimiert werden. Gewünscht wird auch ein sozialer Treffpunkt, der am Gemeindezentrum St. Thekla entstehen könnte.
Darstadt sollte laut GEK sein Bürgerhaus erhalten und ausbauen und dabei auch die örtliche Feuerwehr berücksichtigen. Gewünscht werden weiterhin eine Verkehrsberuhigung, schnelleres Internet sowie ein besserer Mobilfunkempfang und ein ausreichender Hochwasserschutz. Die Erlacher wünschen sich neben der Verkehrsberuhigung im Ort die Schaffung eines Dorfmittelpunkts und die Förderung der Innenentwicklung. In Erlach ist das Thema Leerstand besonders drängend.
Viele Bürger wünschen sich Treffpunkte
Auch im durch das benachbarte Gewerbegebiet geprägten Hohestadt sind die Bürger an der Schaffung eines zentralen Treffpunkts interessiert, der auf dem Platz am Waaghäuschen entstehen könnte. Als Treffpunkt könnte auch das Seegelände ausgestaltet werden. Im Bereich Lohweg könnte der Straßenraum neu gestaltet werden. Kleinochsenfurt, durch seine Lage am Main besonders attraktiv für Touristen, könnte durch eine Gestaltung des Ufers als Freizeitbereich eine Aufwertung erfahren. Überhaupt soll der Ortsteil touristisch besser vermarktet werden. Da die B 13 durch den Ort führt, ist auch in Kleinochsenfurt Verkehrsberuhigung ein großes Thema.
Tückelhausen bietet mit seinem Kartäuserkloster ebenfalls einen Anziehungspunkt für Touristen, allerdings wird das unmittelbare Umfeld der Anlage als wenig attraktiv empfunden. Hier könnte eine Umgestaltung zu einem wirklichen Dorfmittelpunkt Abhilfe schaffen. Auch die Beschilderung wird als verbesserungswürdig empfunden. An der Hauptverkehrsachse wünschen sich die Einwohner eine Geschwindigkeitsreduzierung.
Der eigentlich noch zur Kernstadt gehörenden Westsiedlung fehlt ein Ort der Begegnung, der am besten in der Nähe der Kirche St. Burkard entstehen könnte. Außerdem empfinden die Bewohner die einzige bestehende Zufahrt zu ihrer Siedlung als zu wenig und wünschen sich eine weitere aus Richtung Goßmannsdorf.
Im September soll der Stadtrat entscheiden
In Zeubelried, dem kleinsten Stadtteil, ist der Ruf nach Bauplätzen für junge Familie aus dem Ort deutlich vernehmbar. Möglichkeiten hierfür gebe es, sagte Holger Kess. Voraussetzung dafür sei ein Grunderwerb durch die Stadt, die die Bauplätze dann auch gezielt vergeben müsse. Der Lindenplatz in der Ortsmitte und der Spielplatz im Osten sind Treffpunkte, die erhalten und verbessert werden sollen. Außerdem wird an einen Ausbau des Ringwegs (Ulmenweg) gedacht.
Für die Umsetzung der Maßnahmen sieht das GEK einen Zeitraum von 15 Jahren vor. Sowohl kurz- als auch längerfristige Maßnahmen sind enthalten. Wie Bürgermeister Peter Juks erläuterte, erhalten nun die Träger öffentlicher Belange wie etwa das Landratsamt Ausfertigungen des GEK. Dabei könne es durchaus sein, dass zu einigen Maßnahmen Widerspruch kommt. Auch die lokalen Arbeitskreise können das nun vorliegende GEK noch um weitere Anregungen ergänzen. Juks hofft, das Konzept im September dem Stadtrat zur Abstimmung vorlegen zu können.
Das Engagement der Bürger wird auch in Zukunft mitentscheiden
Die Arbeit der lokalen Gruppen ist damit aber noch lange nicht getan. Ihr Engagement in der Zukunft wird darüber mitentscheiden, welche Maßnahmen wann umgesetzt werden können. „Die Orte, die konstruktive Pläne auf den Tisch legen, kommen dran“, sagte Hartmut Holl unumwunden zur Frage einer Bürgerin, ob das Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ gelte. „Das ist auch gerecht.“