Seit April 2016 ist eine der wichtigsten Verkehrsadern der Stadt verstopft. Kein Wunder, dass viele Ochsenfurter und mit ihnen Bürgermeister Peter Juks die Verkehrsfreigabe der Neuen Mainbrücke sehnsüchtig erwarten. Doch trotz des Tempos, das die Mitarbeiter des Bebraer Bauunternehmens Gerdum und Breuer in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt haben, werden sie sich vermutlich bis über die Jahreswende gedulden müssen.
Die nördliche Hälfte des Überbaus ist zurzeit im Werden. Nach der sogenannten Grundetappe über dem Pfeiler sind die ersten beiden Takte inzwischen fertig. Freivorbau nennt sich das Verfahren, bei dem die Brücke von einem Pfeiler ausgehend gleichzeitig in beide Richtungen um jeweils sechs Meter wächst.
Königsdisziplin des Brückenbaus
Rainer Martin, technischer Leiter bei Gerdum und Breuer, nennt den Freivorbau die Königsdisziplin des Brückenbaus. Ein hohes Maß an Präzision bei der Planung, der Vermessung des Untergrunds und der Bauausführung ist erforderlich, damit sich die beiden Brückenhälften später bis auf wenige Millimeter genau in der Mitte treffen. Entgegen der landläufigen Ansicht ist Beton kein vollkommen starrer Werkstoff, sagt Martin, sondern verformt sich unter Last und ist einer gewissen Verformung und Schwindung unterworfen.
Im Wochentakt werden der Brücke neue Abschnitte angefügt. Der Spezialbeton erreicht seine Festigkeit deutlich schneller als normaler. Durchschnittlich 100 Tonnen davon verschwinden pro Takt in den Schalungen. Wenn er ausgehärtet ist, muss der neue Abschnitt im Innern mit Stahlseilen verspannt werden, um den nächsten Abschnitt tragen zu können. Acht solcher Takte sind noch nötig, um den Brückenschlag zu vollenden.
Wechselspiel aus Druck und Zugkräften
Danach werden weitere Spannstähle in die dafür vorgesehenen Leerrohre eingezogen und verspannt. Erst im Wechselspiel aus der Druckfestigkeit des Betons und der Zugfestigkeit des Stahls erreicht ein Spannbeton-Bauwerk seine endgültige Tragfähigkeit.
Dabei hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, sagt Michael Fuchs, Leiter der Straßenbau-Sparte des Staatlichen Bauamts. Früher versuchte man Spannbetonbrücken möglichst schlank zu bauen, bettete den Stahl nur wenige Zentimeter in den Beton ein. Das führte häufig dazu, dass das Metall durch Umwelteinflüsse schon nach wenigen Jahrzehnten zu rosten begann.
Lebenserwartung zwischen 75 und 100 Jahren
Heute arbeitet man auf der sicheren Seite, mit einer höheren Betonüberdeckung und zusätzlichen Spannstählen, die offen im Hohlkasten der Brücke eingebaut werden. Selbst wenn die inneren Spannglieder versagen würden, ließe sich durch diese äußere Verspannung die Tragfähigkeit sicherstellen. Fuchs geht deshalb davon aus, dass die Brücke eine Lebenserwartung zwischen 75 und 100 Jahren haben wird und nicht, wie der Vorgängerbau, schon 40 Jahre nach seiner Fertigstellung eklatante Mängel aufweist.
Nach dem Brückenschlag und der Verspannung beginnt die aufwendige Detailarbeit. Die Bordsteinkappen und die Fahrbahn müssen abgedichtet werden. Die Fahrbahn erhält dazu eine 3,5 Zentimeter dicke Schutzschicht aus Gussasphalt. „Der größte Feind einer Brücke ist das Wasser“, sagt Michael Fuchs. Anschließend muss die technische Ausstattung der Brücke montiert werden, also die Geländer und Straßenlampen. Allein dafür rechnet Bauleiter Heiko Scherner mit acht Wochen Arbeit.
Auf trockenes Wetter angewiesen
Erschwerend kommt hinzu, dass viele Arbeitsgänge bei trockenem Wetter stattfinden müssen. „Wenn der Winter so wird, wie der Sommer bis jetzt war, schaffen wir es noch dieses Jahr“, sagt Rainer Martin. Garantieren will er dafür nicht. Wahrscheinlicher sei, dass die technische Ausstattung erst im zeitigen Frühjahr montiert wird, und die Brücke Ende des ersten Quartals unter Verkehr gehen kann. „Bis Weihnachten wissen wir mehr“, so Martin.
Bis dahin müssen auch die Rampenbauwerke fertig sein. Vor allem an der nördlichen Auffahrt von Würzburg her gibt es viel zu tun. Zusätzlich plant die Stadt, einen neuen Wasserdurchlass unter der Rampe zu verlegen, um die Wohnhäuser in der Alte Frickenhäuser Straße vor Überflutungen zu schützen.
Normale Probleme
Dass die Verkehrsfreigabe ursprünglich schon in der ersten Dezemberwoche erfolgen sollte, sieht Michael Fuchs nicht als Malheur an. Für ein so großes und schwieriges Bauwerk liege ein Verzug von wenigen Wochen innerhalb der Toleranzgrenze. „Wir reden hier von Problemen, wie sie für solche Großbaustellen normal sind“, so Fuchs.
Dabei spielen schwierige Abstimmungsprozesse zwischen Planern, Statikern und Behörden eine große Rolle, sagt Bauleiter Heiko Scherner. So habe beispielsweise die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nachträgliche Auflagen gemacht, um eine Gefährdung des Schiffsverkehrs durch die Bauarbeiten auszuschließen. Froh ist Scherner dabei über die Unterstützung des Nixe-Fördervereins, der sein Schiff samt Kapitän für das Setzen von Bojen zur Verfügung gestellt hat und sich nun über zusätzliche Einnahmen freuen darf.
Weitere Baumaßnahmen an der Bundesstraße
Die 13 Millionen Euro, die die Brücke am Ende kosten wird, sind bei weitem nicht alles, was der Bund derzeit in sein Straßennetz rund um Ochsenfurt investiert. Hinzu kommt der Ausbau der Würzburger Straße mit einem Kostenumfang von 4,2 Millionen Euro. Der Bund trägt davon 1,7 Millionen, der Rest geht zu Lasten der Stadt und ihres Kommunalunternehmens.
Weitere zwei Millionen investiert das Staatlichen Bauamt in den kommenden Monaten in den Ausbau des Wolfgangsbergs. Neben der Erneuerung der Fahrbahn steht der Bau eines Radwegs bevor, der direkt an den Radweg auf der Neuen Mainbrücke angebunden wird. Wie die Würzburger Straße soll auch der Wolfgangsberg bis zur Jahreswende wieder frei befahrbar sein.
Radwegenetz wird geschlossen
Die Radwege, die von Ochsenfurt nach Süden, Osten und Westen führen, werden dadurch zu einem geschlossenen Netz verbunden, freut sich Bürgermeister Peter Juks. Eine bessere Erschließung der Altstadt sei der Lohn für Einschränkungen und Probleme, die die Stadt über lange Zeit hinnehmen musste.
Ganz vorüber ist Zeit der Baustellen allerdings auch nach Öffnung der Neuen Mainbrücke noch nicht. Als weiteres Projekt steht die Umgestaltung der Knotenpunktes zwischen Würzburger Straße, Alter Mainbrücke und Heckensteige bevor.