
Mit einer Digitalisierungsoffensive will das bayerische Digitalministerium mehr Betriebe und Unternehmen in ganz Bayern online bringen. Gerade in Coronazeiten eine gute Idee. Dass das ganze unter dem Motto "#miagehnonline" in München gestartet ist - auch gut. Aber dann ging es hinaus ins bunte Bayernland - auch nach Landshut und Würzburg.
Eine Frage der Region: Mia oder mir?
Nur: "Mia gehn online" - sagt das wer in Franken? Wir fragen Judith Gerlach, die aus Aschaffenburg kommenden Digitalministerin (CSU), warum "mia online gehn" müssen. Und warum "mir des ned derf"? Gerlachs Sprecherin schreibt ,"mir" dürfen schon. Der Slogan sei vom Initiator, der "UnternehmerTUM GmbH" an der Technischen Uni München, festgelegt worden. Extra für Würzburg habe man dann eine "Landingpage" - das ist weder oberbayerisch noch fränkisch - mit dem regional angepassten Slogan "Mir gehn online" aufgesetzt.
Wenn man lange genug sucht, findet man diese "Landeseite" auch. Doch beim Durchklicken heißt es schon auf der nächsten Seite und auf allen folgenden dann eben doch wieder konsequent und durchgehend "Mia gehn online".
Coronabedingt ist die Werbemaßnahme für die Digitalisierungsoffensive im vergangenen Jahr rein digital eröffnet worden. Hinter der Startseite "Mir gehn online" stellt dann in einem Video die Ministerin aus Aschaffenburg die Aktion vor - und das "Mia gehn online" geht der Unterfränkin ganz locker über die Lippen. Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt, gebürtig in Frankfurt am Main, entgeht eventuellen Dialekt-Peinlichkeiten und nennt die Aktion schlicht ein "tolles Projekt" - ohne "mia" oder "mir".
Fuizl statt Filzla
Ob "mia" oder "mir" oder schlicht "wir" - eigentlich egal, wenn dahinter ein sinnvolles Projekt steckt. Doch es bleibt die Frage, warum in Bayern mit seinen vielen Dialekten immer der oberbayerische Verwendung findet. Der Würzburger Medienprofessor Kilian Moritz fragt, warum es immer der altbayerische Dialekt sein müsse, wenn im Freistaat ein Dialektbegriff verwendet werde. Nie sei es der Schwäbische, nie der Fränkische. Moritz belegt dies unter anderem mit einem Blick in den Online-Shop des Bayerischen Rundfunks (BR): Da gibt es "Bier-Fuizl", aber keine "Filzla" oder "Filzle". Wenigstens passen die "Fuizl" gut unters BR-Kaffeehaferl und zum BR-Heimat-Brotzeitbrettl.
Fernsehbayerisch ist Oberbayerisch
Der Sprachwissenschaftler Dr. Manfred Renn beklagte 2019 bei der Übergabe des Dialektpreis Bayern den Rückgang des Dialektes im Allgäu und eine Neigung nach Oberbayern. Der Ostallgäuer führt dies vor allem auf "mediale Einflüsse" zurück: Nach und nach würden Wörter, Lautungen und grammatische Strukturen aus dem "dominierenden und prestigeträchtigeren Fernsehbairisch" übernommen, so Renn.
Der Sprachwissenschaftler Dr. Armin R. Bachmann von der Universität Regensburg spricht von einer jahrzehntelangen Überflutung im Programm des Bayerischen Rundfunk mit der Sprache aus den beiden südlichsten Regierungsbezirken.
Doch nicht nur der BR betreibe diese kulturelle Hegemonisierung Altbayerns gegenüber Franken und Schwaben, sagt der Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Rüdiger Harnisch von der Universität Passau. Er führt die Dialektwahl im TV-Dreiteiler Tannbach an: "Dort ließ das ZDF die Bewohner des durch die deutsch-deutsche Grenze geteilten Dorfes Tannbach (…) nicht ihren vogtländischen Dialekt, nicht einmal ein 'gemäßigtes' Fränkisch reden, sondern Bairisch.“
Natürlich gibt es immer größere Probleme als die Fragen rund um die Präsenz Frankens in den Medien, die Dialekte und die Sprachkultur. Aber dann kann gut 50 % der gesamten Berichterstattung in den Medien auch gleich weglassen (Boulevard, Sport, Unterhaltung, Lifestyle, Konzertberichte...), weil: es gibt ja größere Probleme.
Diese "Verdenglischung" von neuen blödsinnigen Begriffen der Journalie ist ja inzwischen leider der Normalfall.
Armes Deutschland!
😅
Es gibt aber auch Lichtblicke, wie die Neugier bei den Jüngeren, die nach dem Studium zurück zu den Wurzeln wollen und ein altes Fachwerkhaus renovieren. Sie merken, dass da etwas verloren gehen könnte. Wo gibt es sonst noch die Vielfalt der Brot-, Wurst-, Bier- und Weinsorten, das Kleinteilige der Dörfer und Städte mit den lebendigen Vereinen und den meisten Blaskapellen in Bayern? Das alles haben wir Altbaiern voraus – auch unseren von Dorf zu Dorf unterschiedlichen Dialekt. Und da sind die Älteren gefordert, ihn zusammen mit unserer eigenen Lebensart weiterzugeben. Und zwar selbstbewusst!