
Von Würzburgs Partnerstadt Lwiw führt der Weg 150 Kilometer weiter nordöstlich über die Landstraße H17 nach Luzk in der Oblast Wolhynien. Mit der 210.000-Einwohnerstadt unterhält Würzburg seit 2022 eine Städtefreundschaft, die Stadt Schweinfurt plant mit Luzk den Abschluss einer Städtepartnerschaft. Im Gegensatz zum touristisch geprägten, mondän wirkenden Lwiw dominieren in Luzk Wohnbauten aus den letzten 70 Jahren, über die Dächer erheben sich einige prächtige Kirchen und die beeindruckende Liubartas-Burg. Die eigentliche Altstadt ist verhältnismäßig klein, hier sieht man vor allem ein- oder zweistöckige Häuser.

Das Rathaus, das die Delegation aus Würzburg um Oberbürgermeister Christian Schuchardt zuerst ansteuert, ist ein mehrstöckiger Verwaltungsbau etwas abseits vom eigentlichen Zentrum. Auch hier ist nicht zu übersehen, dass sich das Land im Krieg befindet: Zwei Soldaten mit Kalaschnikows über der Schulter sind am Eingang postiert.
"Wir träumen von den Zeiten, in denen Sie nicht im Krieg zu uns kommen müssen", sagt Iryna Chebeliuk, die stellvertretende Bürgermeisterin von Luzk, die die Gäste aus Würzburg in Vertretung ihres erkrankten Chefs Ihor Politschuk begrüßt. "Heute früh war Luftalarm, wir hoffen, dass es der einzige heute bleibt." Ebenso wie Würzburgs neue Partnerstadt Lwiw liegt Luzk zwar weit im Westen der Ukraine, ist aber nur 100 Kilometer von der Grenze zu Weißrussland entfernt, das mit Putins Russland verbündet ist. Vier Raketenangriffe auf Luzk gab es bisher, und ähnlich wie das mehr als dreimal so große Lwiw ist Luzk ein Anlaufpunkt für Geflüchtete aus den umkämpften Gebieten in der Ostukraine.
"Wir haben 40.000 Binnenvertriebene in unserer Stadt", berichtet Iryna Chebeliuk. "Wir danken Ihnen und dem ganzen deutschen Volk für die Unterstützung. Die Hilfe aus Würzburg hat sehr geholfen." Würzburg hatte im vergangenen Jahr 100.000 Euro aus dem Ukraine-Hilfspaket der Stadt an Luzk gegeben, Geld, das hier dringend gebraucht wurde. "Damit konnten wir die Verpflegung dieser Menschen ein halbes Jahr lang bezahlen", sagt Chebeliuk. "Wir machen das für den Frieden", sagt Würzburg OB Christian Schuchardt und kündigt an, dass die Unterstützung künftig auch städteübergreifend erfolgen könnte: Würzburg und Schweinfurt mit Lwiw und Luzk in einem Viereck der Zusammenarbeit.

Die Bürgermeisterin sitzt unter einem Historiengemälde, das eine Szene aus der Frühzeit der Geschichte der Stadt zeigt, die mehr als 900 Jahre alt ist. Zur jüngsten Geschichte von Luzk nennt Iryna Chebeliuk eine andere Zahl: 120. So viele Männer aus Luzk haben seit Beginn des Krieges vor einem Jahr ihr Leben verloren.
Diejenigen, die mit einer Verwundung davongekommen sind, werden im "Rehabilitationszentrum für Teilnehmer an Kampfhandlungen" aufgepäppelt. Zu den Patienten von Oberarzt Jurij Stepanowitsch Dubina, medizinischer Leiter des Zentrums, gehört auch Oleksandr Jeroschkin. Der hagere 44-Jährige sitzt auf seinem Bett, das Zimmer teilt er mit zwei weiteren Patienten. Jeroschkin ist Offizier, an der Front hat ihm ein Geschoss das linke Bein aufgeschlitzt, auch am anderen Bein und an den Armen sieht man vernarbte Wunden.

Den rechten Arm kann er normal bewegen, den linken mit der langen Narbe kaum. Im Lutzker Reha-Zentrum soll der Arm seine Fähigkeiten wieder erhalten, so weit es eben geht. Oberarzt Dubina zeigt stolz die moderne technische Ausstattung, über die das Zentrum ein Jahr nach Kriegsbeginn verfügt. In der Ergotherapie hat eine Klinikmitarbeiterin selbst Übungsgeräte entwickelt. Stationäre Patienten bleiben im Schnitt zehn Tage, sagt Dubina, viele werden aber ambulant behandelt. Oleksandr Jeroschkin schaut auf seine Verletzungen. "Hauptsache, am Kopf ist nichts kaputt", sagt er und lächelt. Auf dem Handy-Display hat er als Hintergrund ein Bild seiner Tochter, sie ist 14 Jahre alt.
Beim Besuch des Würzburger OB Schuchardt in der Geburtsklinik von Luzk heulen die Sirenen
Von der Reha-Klinik geht es für OB Schuchardt und die Würzburger Delegation dorthin, wo das Leben beginnt: in die Geburtsklinik von Luzk. Auch hier ist der Krieg gegenwärtig. Der Wunsch von Bürgermeisterin Chebeliuk vom Vormittag erfüllt sich nicht. Am Nachmittag heulen die Sirenen. Für die Patientinnen der Geburtsklinik bedeutet das einmal mehr, die Klinikzimmer zu verlassen und den Keller aufzusuchen. Hier gibt es – wie auch im Krankenhaus von Würzburgs Partnerstadt Lwiw – eine unterirdische Behelfsklinik mit Betten und einem OP-Saal. Bald darauf kommt wie so oft die Entwarnung, doch im Herbst waren Luzk und die Region Wolhynien Ziel russischer Raketenangriffe gewesen, die der Infrastruktur gegolten hatten.

Ähnlich wie in Lwiw sind die Folgen des Krieges im Stadtbild nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Gegenüber dem Theater werden in kleinen Buden Waren angeboten, in der Einkaufsmeile, die vom Theaterplatz abgeht, flanieren die Menschen. Eine Volksmusikgruppe spielt, die prächtige weiße Fassade der Dreifaltigkeitskathedrale strahlt in der Februarsonne.
Nicht weit von der Kathedrale entfernt, ruft ein langes Transparent mit unzähligen Porträtfotos in Erinnerung, dass nicht erst seit einem Jahr in der Ukraine Krieg herrscht. "Hier sind alle Gefallenen aus Luzk seit 2014 aufgeführt", sagt Jurij Gordijchuk, der in der Stadtverwaltung von Luzk arbeitet und Übersetzer ist. Im Jahr 2014 hatten die bewaffneten Auseinandersetzungen mit den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine begonnen.

Für die Menschen in Luzk bleibt die Bedrohung durch Angriffe Alltag: Am Montag, die Würzburger Delegation ist wieder zu Hause, kommt eine Nachricht von Jurij Gordijchuk: "Obwohl unser heutiger Arbeitstag mit einem Luftalarm begonnen hat, bleiben wir cool und hoffen auf ein baldiges Wiedersehen hier in Luzk – aber schon unter friedlichem Himmel."
Ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Krieges war eine Delegation aus Würzburg um OB Christian Schuchardt zu Gast in den Städten Lwiw und Luzk in der Westukraine. Main-Post-Redakteur Torsten Schleicher begleitete die Würzburger Delegation.