Die Nachricht hatte kurz vor Silvester 2023 für Aufsehen in Reichenberg gesorgt: Der Lebensmittelmarkt "nah & gut" der Firma Spiegel in der Bahnhofstraße werde im ersten Quartal 2024 schließen. Seit vergangener Woche ist aus der Ankündigung Wirklichkeit geworden. Reichenberg hat damit seinen einzigen Lebensmittel-Supermarkt verloren. Vor allem für Ältere und für Menschen mit eingeschränkter Mobilität tut sich damit ein Problem auf.
Geschäftsführer Thomas Spiegel hatte im Dezember die Schließung unter anderem mit verändertem Verbraucherverhalten begründet, aber auch auf mangelnde Wirtschaftlichkeit hingewiesen, die aus der mittlerweile zu geringen Verkaufsfläche, aber auch aus der problematischen Parksituation herrühre. Gleichwohl war es nun für Thomas Spiegel wenige Wochen nach der Ankündigung kein leichter Schritt, tatsächlich die Türen des traditionsreichen Lebensmittelgeschäfts zuzusperren. "Das ist schon eine harte Nummer für mich", sagt er am Telefon.
Gemeinde prüft verschiedene Möglichkeiten für Nahversorgung
Zugleich sei er froh darüber, dass wie angestrebt alle Mitarbeitenden untergebracht werden konnten: "Das war für mich das größte Anliegen, und es hat auch funktioniert." Ein Teil der Belegschaft fand demnach neue Jobs innerhalb der Firma Spiegel. Das Unternehmen betreibt noch Edeka-Märkte in Kist und in Giebelstadt sowie Bäckereifilialen. Einige Beschäftigte hätten die Firma auf eigenen Wunsch verlassen und anderweitig neue Arbeitsstellen gefunden.
Für die Lebensmittelnahversorgung in Reichenberg gibt es indes noch keine konkrete Perspektive. Was eine künftige Nutzung des bisherigen Standorts betrifft, so berichtet Bürgermeister Stefan Hemmerich (SPD) von "guten Gesprächen" mit der Familie Spiegel, der das Objekt gehört, nennt zugleich aber auch Hindernisse: "Einerseits sind die Räumlichkeiten für einen klassischen Lebensmittelmarkt zu klein, andererseits für mögliche kleinere Lösungen der Nahversorgung zu groß." Dazu komme, dass der Standort zwar zentral im Ort liege, sich aber Probleme bei der Anfahrt und beim Parken ergäben.
Derzeit prüfe man seitens der Gemeinde verschiedene Varianten, um wieder eine dauerhafte Lebensmittelversorgung in den Ort zu bekommen: "Wir schauen uns momentan viel an." Denkbar sei so unter anderem ein vollautomatischer Laden, der also ohne Personal funktioniert, oder auch eine Hybrid-Lösung: halbtags mit Personal, halbtags ohne.
Vollautomatischer Laden ist eine der denkbaren Varianten
Er selbst habe kürzlich in der 3600-Einwohner-Gemeinde Sailauf (Landkreis Aschaffenburg) einen vollautomatischen Verkaufsladen "teo" der Firma tegut besichtigt. Das Unternehmen spricht auf seiner Website von einem "digitalen Kleinstflächenformat", in dem Kundinnen und Kunden dank digitaler Technologie rund um die Uhr einkaufen könnten. In Sailauf werden laut Firmeninformation auf 50 Quadratmetern über 950 Produkte angeboten, die den täglichen Bedarf sicherstellen würden – und das rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche.
Falls ein solches Geschäft infrage komme, müsse noch die Standortfrage geklärt werden, sagt Hemmerich. Aber derzeit sei die Gemeinde noch dabei, sich die Informationen über alle denkbaren Varianten zu verschaffen. Ein mögliches Vorbild findet sich auch im Reichenberger Ortsteil Uengershausen: Hier gibt es einen Dorfladen, der mit viel ehrenamtlichem Einsatz seit über zehn Jahren funktioniert. Wie auch immer: Dass es in Reichenberg Bedarf an Nahversorgung gibt, steht für den Bürgermeister außer Frage. "Vor allem Senioren fragen sich, wie es nun weitergeht."
Zumindest bei Brot, Brötchen und Kuchen ist im Ort jetzt an einigen Tagen in der Woche eine Versorgung gesichert. Thomas Spiegel öffnet seinen bisherigen Markt samstags und sonntags von 7.45 bis 10.30 Uhr für den Verkauf von Backwaren. Und seit dieser Woche kommt auch ein Verkaufswagen der Würzburger Bäckerei Brandstetter nach Reichenberg – immer dienstags von 13.55 bis 14.30 Uhr.