48 symbolische Gepäckstücke sollen an die zwischen 1941 und 1943 deportierten unterfränkischen Juden, an die dunkle Zeit und die vielen von den Nazis ausgelöschten Leben erinnern. Ein Denkmal hat der Verein DenkOrt Deportation e.V. am Würzburger Bahnhhofsvorplatz geschaffen. Doch immer wieder sieht man Menschen gedankenlos auf den mahnenden steinernen Koffern sitzen - zum Picknick, zum Plausch, zum Gelächter. Die Informationstafeln dahinter werden oft ignoriert. Was sagen die Initiatoren dazu?
Überlegungen, wie man solche Situationen verhindern kann
Hinter Benita Stolz und ihrem achtköpfigen Verein DenkOrt Deportationen e.V. liegt ein langer Weg der Planung. Der Verein war es auch, der das Gedenken anregte und seit 2015 für die Umsetzung zuständig war. Im Juni dieses Jahres wurde dann das Denkmal mit einer kleinen Zeremonie eröffnet. In der Grünanlage am östlichen Rand des Bahnhofsplatzes sieht man nun Stelen, die an einen Bahnsteig erinnern. Dort wurden aus der Stadt Würzburg und allen unterfränkischen Gemeinden, in denen während des Dritten Reiches Juden lebten, symbolische Gepäckstücke sowie ein Koffer mit einem Gedicht des deutsch-israelischen Lyrikers Jehuda Amichai aufgestellt. Doch welchen symbolischen Wert dieser Ort hat, scheinen viele Menschen nicht verstanden zu haben.
"Das ist sehr sehr ärgerlich, wenn dieser Ort so missbraucht wird", sagt Benita Stolz. Ihre Stimme klingt bedrückt. "Einmal sah ich auch Menschen auf den Gepäckstücken sitzen. Als ich sie darauf aufmerksam machte, um welchen Ort es sich handelt, sprangen sie erschrocken auf und entschuldigten sich." Bei der nächsten Mitgliederversammlung des Vereins möchte sie das Thema aufgreifen, um Überlegungen anzustellen, wie man solche Situationen möglichst verhindern kann. "Die Menschen müssen besser sensibilisiert werden", erläutert Stolz. Dennoch habe sie nichts dagegen, wenn man sich an den DenkOrt setzt - solange es auf den drei Sitzbänken ist. Denn: "Dies ist ein Ort der Begegnung, der Auseinandersetzung, der Information, der Besinnung und des Verweilens, für alle erreichbar, barrierefrei und hautnah."
Diskussion im Netz
Auch auf dem sozialen Netzwerk Facebook wird über die Nutzung des DenkOrts als Sitzgelegenheit diskutiert. Die Reaktionen könnten unter einem Post zum DenkOrt nicht unterschiedlicher sein. "Genau so war der Denkort doch gedacht. Nicht als unnahbarer Ort, wo Menschen fern bleiben oder vor Ehrfurcht erstarren, sondern ein Ort mittendrin", schreibt beispielsweise Klimabürgermeister Martin Heilig. Der Würzburger Anwalt Chan-Jo Jun stimmt ihm zu: "Es muss kein Friedhof sein, um zu erinnern." Die Grünen-Landtagsabgeordnete Kerstin Celina sieht das anders: "Mich stört das, vor allem weil ich zumindest vermute, dass die Menschen da sitzen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wofür diese Koffer stehen", schreibt sie in einem Kommentar. "Vielleicht könnte ein kleiner Stand mit Würzburg-Tourismus Infos nebenan dazu beitragen, dass die Leute wenigstens erfahren, wo sie gerade Brotzeit machen."
Ähnlich wie Kerstin Celina sieht es auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Der DenkOrt sei eindeutig als Mahnmal zu erkennen, selbst wer keinerlei Wissen über die Deportation der fränkischen Juden besitzt, werde über die Erklärtafeln informiert, sagt er gegenüber dieser Redaktion. "Ich finde es befremdlich, dass Passanten ein Mahnmal als Sitzgelegenheit und zum Picknicken missbrauchen. Das empfinde ich als Respektlosigkeit gegenüber den Opfern." In unmittelbarer Nähe gebe es Sitzgelegenheiten, "sodass wirklich keinerlei Grund besteht, den DenkOrt so zu benutzen."
Benita Stolz: Keine Absperrketten!
Er hätte auch schon Ideen, wie man dieses Problem aus der Welt schaffen könnte. "Es ist ja bereits über bessere Ausleuchtung und Videoüberwachung sowie häufigere Polizeistreifen gesprochen worden, um Alkoholexzesse am DenkOrt zu vermeiden", sagt Schuster. Dies könne auch dazu führen, dass Passanten insgesamt angemessen mit dem Mahnmal umgehen. "Ansonsten helfen wohl nur Appelle an die Bevölkerung sowie vielleicht ein Hinweisschild, dass die Gepäckstücke nicht als Sitzgelegenheit gedacht sind."
"Ganz verhindern wird man es nie können", sagt auch Benita Stolz. "Man sollte nicht schweigen, sondern immer das Gespräch suchen. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, ganz im Sinne des DenkOrtes." Absperrketten beispielsweise halte sie für abschreckend. "Es ist ein öffentlicher Ort, mit Leben erfüllt, keine heilige Stätte."
nämlich dass das Mahnmal am Aumühl-Ladehof stehen sollte, von dem aus die Deportationen abgingen. Es ist zwar einerseits zu begrüßen, dass man es aus diesem "stillen Winkel" herausgeholt und an den Hbf verlegt hat - dann sind aber auch mehr "Risiken und Nebenwirkungen" zu erwarten.
Um diese (bis zu einem gewissen Grad...) zu verhindern, müsste man das Mahnmal auffälliger als solches kennzeichnen oder es vom öffentlichen Verkehrsraum abtrennen. Und den Rest Unbelehrbarer (oder wie auch immer) wird man vmtl. auch so nicht von der Zweckentfremdung abhalten können.
(Vielleicht ein wenig "strange", aber trotzdem: wäre es eine Idee, wenn sich jemand auf so ein "Gepäckstück" draufsetzt, fängt es an zu "reden", von welchem Ort es kommt, wieviele Menschen von dort in den Tod geschickt wurden, wie sie hießen und wer sie waren? So ähnlich wie bei den "Stolpersteinen"?)
Aber: man sollte der Gesellschaft nicht dauernd einreden wollen, dass jeder eine Kollateralschuld mit sich trägt. DAS ist DAS, was die Menschen aufregt. Und eben für diese Gleichgültigkeit sorgt, denn man kann nicht dauernd aufpassen, ob man auf ein Mahnmal treten oder sitzen wird. Diese überlagernde Häufigkeit stumpft einfach nur ab. Bin ich müde ...
sondern vielmehr als Mahnmal dafür, was passieren kann, wenn alle wegschauen bzw. mehr oder weniger stillschweigend mitmachen und als einen Appell, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Und gerade was letzteres angeht, scheint mir der Aufruf zur Wachsamkeit (und je nachdem auch mehr) durchaus angebracht.
(Dass das mMn so manchem anderen Land auch gut anstünde, steht auf einem anderen Blatt und können wir nur wenig daran machen...)
Übrigens sehr schade ist, dass die Oberfläche neutral mit Kies gestaltet wurde! Es wäre als Bahnsteig viel intuitiv anschaulicher, und dazu authentisch, wenn man die Reste des ORIGINAL-Kopfsteinpflasters aus der Aumühle transplantiert hätte, -- > sinnbildlich die letzten Steine, auf denen die Opfer in Würzburg laufen mußten. Kann man ja noch nachholen.
Eigentlich sind das jetzt Stadtmöbel, die im öffentlichen Außenbereich aufgestellt worden sind. Sie sind wetterfest, widerstandfähig und hoffentlich einigermaßen sicher vor Vandalismus.
Man kann nicht mit Appellen an die Pietät der Bevölkerung oder mit Infostelen erreichen, dass diese sie nicht berühren oder sich auf sie setzen. Entweder müssen die Koffer irgendwo Unerreichbares hingestellt werden oder es muss in Kauf genommen werden, dass Leute sie als Stadtmöbel benutzen.
Nicht ohne Grund sind in früheren Zeiten die Denkmaler von Feldherren, Kaisern usw. auf hohen Sockeln errichtet worden!
Und so macht gerade diese Umsetzung mit normalen, alltäglichen Reiseutensilien das Ungeheuerliche am besten deutlich.
Dann macht er sich auch Gedanken darüber.
Dies ist schließlich Sinn der Sache.
Da stehen DREI STELEN zwischen den "Koffern" - auf denen haarklein erklärt wird, was dieses Mahnmal bedeutet!
Das Einzige, was hilft - eine Kette oder eine Absperrung außenrum
Ein wenig grösser geschrieben damit man es wirklich nicht übersehen kann.