zurück
Würzburg
DenkOrt Deportation: Wird der Gedenkort nicht ernst genommen?
Der DenkOrt Deportation soll an die vielen von den Nazis ausgelöschten Leben erinnern. Doch vermehrt wird er nur als Sitzplatz genutzt. Wie die Initiatoren nun reagieren.
Der DenkOrt Deportation am Würzburger Hauptbahnhof: Viele Menschen nutzen diesen als Sitzgelegenheit.
Foto: Andreas Jungbauer | Der DenkOrt Deportation am Würzburger Hauptbahnhof: Viele Menschen nutzen diesen als Sitzgelegenheit.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:55 Uhr

48 symbolische Gepäckstücke sollen an die zwischen 1941 und 1943 deportierten unterfränkischen Juden, an die dunkle Zeit und die vielen von den Nazis ausgelöschten Leben erinnern. Ein Denkmal hat der Verein DenkOrt Deportation e.V.  am Würzburger Bahnhhofsvorplatz geschaffen. Doch immer wieder sieht man Menschen gedankenlos auf den mahnenden steinernen Koffern sitzen - zum Picknick, zum Plausch, zum Gelächter. Die Informationstafeln dahinter werden oft ignoriert. Was sagen die Initiatoren dazu?

Überlegungen, wie man solche Situationen verhindern kann

Hinter Benita Stolz und ihrem achtköpfigen Verein DenkOrt Deportationen e.V. liegt ein langer Weg der Planung. Der Verein war es auch, der das Gedenken anregte und seit 2015 für die Umsetzung zuständig war. Im Juni dieses Jahres wurde dann das Denkmal mit einer kleinen Zeremonie eröffnet. In der Grünanlage am östlichen Rand des Bahnhofsplatzes sieht man nun Stelen, die an einen Bahnsteig erinnern. Dort wurden aus der Stadt Würzburg und allen unterfränkischen Gemeinden, in denen während des Dritten Reiches Juden lebten, symbolische Gepäckstücke sowie ein Koffer mit einem Gedicht des deutsch-israelischen Lyrikers Jehuda Amichai aufgestellt. Doch welchen symbolischen Wert dieser Ort hat, scheinen viele Menschen nicht verstanden zu haben. 

Diese Gepäckstücke stehen für die 2061 in Unterfranken deportierten Juden.
Foto: Thomas Obermeier | Diese Gepäckstücke stehen für die 2061 in Unterfranken deportierten Juden.

"Das ist sehr sehr ärgerlich, wenn dieser Ort so missbraucht wird", sagt Benita Stolz. Ihre Stimme klingt bedrückt. "Einmal sah ich auch Menschen auf den Gepäckstücken sitzen. Als ich sie darauf aufmerksam machte, um welchen Ort es sich handelt, sprangen sie erschrocken auf und entschuldigten sich." Bei der nächsten Mitgliederversammlung des Vereins möchte sie das Thema aufgreifen, um Überlegungen anzustellen, wie man solche Situationen möglichst verhindern kann. "Die Menschen müssen besser sensibilisiert werden", erläutert Stolz. Dennoch habe sie nichts dagegen, wenn man sich an den DenkOrt setzt - solange es auf den drei Sitzbänken ist. Denn: "Dies ist ein Ort der Begegnung, der Auseinandersetzung, der Information, der Besinnung und des Verweilens, für alle erreichbar, barrierefrei und hautnah."

Diskussion im Netz

Auch auf dem sozialen Netzwerk Facebook wird über die Nutzung des DenkOrts als Sitzgelegenheit diskutiert. Die Reaktionen könnten unter einem Post zum DenkOrt nicht unterschiedlicher sein. "Genau so war der Denkort doch gedacht. Nicht als unnahbarer Ort, wo Menschen fern bleiben oder vor Ehrfurcht erstarren, sondern ein Ort mittendrin", schreibt beispielsweise Klimabürgermeister Martin Heilig. Der Würzburger Anwalt Chan-Jo Jun stimmt ihm zu: "Es muss kein Friedhof sein, um zu erinnern." Die Grünen-Landtagsabgeordnete Kerstin Celina sieht das anders: "Mich stört das, vor allem weil ich zumindest vermute, dass die Menschen da sitzen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wofür diese Koffer stehen", schreibt sie in einem Kommentar. "Vielleicht könnte ein kleiner Stand mit Würzburg-Tourismus Infos nebenan dazu beitragen, dass die Leute wenigstens erfahren, wo sie gerade Brotzeit machen."

"Das empfinde ich als Respektlosigkeit gegenüber den Opfern."
Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland

Ähnlich wie Kerstin Celina sieht es auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Der DenkOrt sei eindeutig als Mahnmal zu erkennen, selbst wer keinerlei Wissen über die Deportation der fränkischen Juden besitzt, werde über die Erklärtafeln informiert, sagt er gegenüber dieser Redaktion. "Ich finde es befremdlich, dass Passanten ein Mahnmal als Sitzgelegenheit und zum Picknicken missbrauchen. Das empfinde ich als Respektlosigkeit gegenüber den Opfern." In unmittelbarer Nähe gebe es Sitzgelegenheiten, "sodass wirklich keinerlei Grund besteht, den DenkOrt so zu benutzen."

Benita Stolz: Keine Absperrketten!

Er hätte auch schon Ideen, wie man dieses Problem aus der Welt schaffen könnte. "Es ist ja bereits über bessere Ausleuchtung und Videoüberwachung sowie häufigere Polizeistreifen gesprochen worden, um Alkoholexzesse am DenkOrt zu vermeiden", sagt Schuster. Dies könne auch dazu führen, dass Passanten insgesamt angemessen mit dem Mahnmal umgehen. "Ansonsten helfen wohl nur Appelle an die Bevölkerung sowie vielleicht ein Hinweisschild, dass die Gepäckstücke nicht als Sitzgelegenheit gedacht sind."

"Ganz verhindern wird man es nie können", sagt auch Benita Stolz. "Man sollte nicht schweigen, sondern immer das Gespräch suchen. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, ganz im Sinne des DenkOrtes." Absperrketten beispielsweise halte sie für abschreckend. "Es ist ein öffentlicher Ort, mit Leben erfüllt, keine heilige Stätte."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Sophia Scheder
Benita Stolz
Das dritte Reich
Denkmäler
Deportationen
Facebook
Grünanlagen
Jehuda Amichai
Josef Schuster
Juden
Juden in Deutschland
Kerstin Celina
Mahnmale
Martin Heilig
Nationalsozialisten
Probleme und Krisen
Stadt Würzburg
Städte
Zentralrat der Juden in Deutschland
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Vbfuerlb
    Ist es respektvoll die "Stolpersteine" beim Gehen zu Betreten? Bislang war dies für mich kein Problem
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    War meines Wissens anders angedacht -

    nämlich dass das Mahnmal am Aumühl-Ladehof stehen sollte, von dem aus die Deportationen abgingen. Es ist zwar einerseits zu begrüßen, dass man es aus diesem "stillen Winkel" herausgeholt und an den Hbf verlegt hat - dann sind aber auch mehr "Risiken und Nebenwirkungen" zu erwarten.

    Um diese (bis zu einem gewissen Grad...) zu verhindern, müsste man das Mahnmal auffälliger als solches kennzeichnen oder es vom öffentlichen Verkehrsraum abtrennen. Und den Rest Unbelehrbarer (oder wie auch immer) wird man vmtl. auch so nicht von der Zweckentfremdung abhalten können.

    (Vielleicht ein wenig "strange", aber trotzdem: wäre es eine Idee, wenn sich jemand auf so ein "Gepäckstück" draufsetzt, fängt es an zu "reden", von welchem Ort es kommt, wieviele Menschen von dort in den Tod geschickt wurden, wie sie hießen und wer sie waren? So ähnlich wie bei den "Stolpersteinen"?)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    Vielleicht ist man es einfach nur über, jeden Tag darauf hingewiesen zu werden, welche "Schuld" man mit sich rumtragen soll? Ich sehe das sehr differenziert. Wer das da dort hinstellt, muss mit den Konsequenzen leben. Wenn diese nicht ins Schema passen, macht was dagegen. Aber nicht dermassen, dass der Generalverdacht auf die nachgefolgten Generationen permanent auf 120 % gehalten werden soll. Dieses unsägliche Schuldeinreden für meine Generation geht mir über. Wir können nichts dafür, dass in dieser Zeit derart reagiert wurde. Meine Intension geht klar gegen Rassismus, Antisemitismus und jegliche Verunglimpfung von anderen Personen .
    Aber: man sollte der Gesellschaft nicht dauernd einreden wollen, dass jeder eine Kollateralschuld mit sich trägt. DAS ist DAS, was die Menschen aufregt. Und eben für diese Gleichgültigkeit sorgt, denn man kann nicht dauernd aufpassen, ob man auf ein Mahnmal treten oder sitzen wird. Diese überlagernde Häufigkeit stumpft einfach nur ab. Bin ich müde ...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Sehe das weniger als "Einreden von Schuld" - @ ticktricktrack -

    sondern vielmehr als Mahnmal dafür, was passieren kann, wenn alle wegschauen bzw. mehr oder weniger stillschweigend mitmachen und als einen Appell, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Und gerade was letzteres angeht, scheint mir der Aufruf zur Wachsamkeit (und je nachdem auch mehr) durchaus angebracht.

    (Dass das mMn so manchem anderen Land auch gut anstünde, steht auf einem anderen Blatt und können wir nur wenig daran machen...)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • vbesserh
    Wenn in der Kommunikation der Sender eine Botschaft/Nachricht über ein Medium sendet, der Empfänger diese aber nicht versteht, dann liegt das Problem nicht unbedingt am Empfänger (Es sei denn, seine Sensoren funktionieren nicht) sondern die Botschaft wurde nicht über das geeignete Medium gesendet oder verständlich kodiert. Das zeigt die Reaktion im Artikel: „….sie darauf aufmerksam machte, (Medium Sprache) um welchen Ort es sich handelt, sprangen sie erschrocken auf und entschuldigten sich." Die Kommunikation des Denkmals mit Passanten funktioniert nicht optimal. Da muss didaktisch geschickt nachgebessert werden.
    Übrigens sehr schade ist, dass die Oberfläche neutral mit Kies gestaltet wurde! Es wäre als Bahnsteig viel intuitiv anschaulicher, und dazu authentisch, wenn man die Reste des ORIGINAL-Kopfsteinpflasters aus der Aumühle transplantiert hätte, -- > sinnbildlich die letzten Steine, auf denen die Opfer in Würzburg laufen mußten. Kann man ja noch nachholen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • sh218
    Das Problem war ja wohl vorherzusehen... Am Bahnhof gibt es viel zu wenig Sitzgelegenheiten und ehrlich gesagt finde ich, dass das "Denkmal" auch nicht wirklich als solches erkennbar ist. Bänke oder etwas ähnliches wären wesentlich besser gewesen und das Denkmal hätte man an einer anderen Stelle platzieren können.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • brauerei
    Ein Koffer aus Beton wirkt zuerst einmal wie eine stabile Sitzgelegenheit, noch dazu, wenn er dort steht, wo Menschen auf die Straba warten und sich gerne mal ausruhen möchten. Diejenigen, die diese steinernen Gepäckstücke entworfen und genau dort so einladend hingestellt haben, hätten das doch vorhersehen können.
    Eigentlich sind das jetzt Stadtmöbel, die im öffentlichen Außenbereich aufgestellt worden sind. Sie sind wetterfest, widerstandfähig und hoffentlich einigermaßen sicher vor Vandalismus.
    Man kann nicht mit Appellen an die Pietät der Bevölkerung oder mit Infostelen erreichen, dass diese sie nicht berühren oder sich auf sie setzen. Entweder müssen die Koffer irgendwo Unerreichbares hingestellt werden oder es muss in Kauf genommen werden, dass Leute sie als Stadtmöbel benutzen.
    Nicht ohne Grund sind in früheren Zeiten die Denkmaler von Feldherren, Kaisern usw. auf hohen Sockeln errichtet worden!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ToDietz@web.de
    Wer entweder nur etwas Anstand oder etwas Hirn hat verhält sich nicht so pietätlos. Nur eines von beiden würde ja schon genügen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mausschanze
    Sie sind für die Kommentarfunktion gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • matthiasr
    Vielleicht liegt es auch an der zu trivialen künstlerischen Umsetzung dieses Verbrechens?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • deweka
    Dank eineinhalb Jahrtausenden christlicher Hetze war dieser Umgang mit Juden für Viele einfach normal.

    Und so macht gerade diese Umsetzung mit normalen, alltäglichen Reiseutensilien das Ungeheuerliche am besten deutlich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • info@softrie.de
    Probleme erkennen und lösen. Obwohl im Bereich des Hauptbahnhofes unfassbar viele Menschen verkehren, obwohl man Milliarden für neue ICEs ausgibt - fehlt es immer an Bänken. Was ist denn so verkehrt daran, mal Sitzgelegenheiten am Bahnhof aufzustellen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • lausdeandl@yahoo.de
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • juttafritz.24@gmx.de
    Ja, mehr Bänke allerdings nicht nur am Bahnhof, sondern auch im Bahnhof - ist bei schlechtem Wetter hilfreich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • tommy33
    Am Holocaust Mahnmal in Berlin sitzen Menschen auch auf den flachen Steinen. Also was soll die Hysterie?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • post@herbertstapff.de
    Auf jedem Bahnsteig stehen Koffer auf denen Leute sitzen. Das ist erst mal nicht ungewöhnlich. Hier stehen sie auch auf einem Bahnsteig, sogar in der Nähe der Straba. Erkennt und weiß jeder, was diese Gepäckstücke darstellen sollen? Kann es jeder wissen? Will es jeder wissen? Schließlich ist es mehr als 75 Jahre her. Inzwischen sind zwei Generationen nachgewachsen, die mit der damaligen Zeit nichts zu tun haben wollen. Nazizeit ist verdrängt, wird totgeschwiegen. War es nicht so gedacht, dass der Ort zum Gespräch, zum Nachdenken, zum Denken anregen soll? Also soll er doch auch benutzt werden? Will man dies verhindern, muss man absperren. Aber womit? Jegliche Absperrung würde andere Assoziationen hervorrufen und wäre hier pervers.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • deweka
    Man muss lediglich dafür sorgen dass jeder klar erkennen kann auf was er sich da setzt.
    Dann macht er sich auch Gedanken darüber.
    Dies ist schließlich Sinn der Sache.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • engert.andreas@gmx.de
    mal einen kurzen Blick auf das Foto würde helfen!
    Da stehen DREI STELEN zwischen den "Koffern" - auf denen haarklein erklärt wird, was dieses Mahnmal bedeutet!
    Das Einzige, was hilft - eine Kette oder eine Absperrung außenrum
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • deweka
    Genau das meinte ich ja.
    Ein wenig grösser geschrieben damit man es wirklich nicht übersehen kann.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • stklapper
    Traurig! Verstehen die Leute nicht, worum es hier geht?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten