Im Jugendzentrum Ochsenfurt (JUZ) wird es für die Besucher künftig zwei Ansprechpersonen geben: Während sich die eine um die klassische Jugendarbeit kümmert und Aktivitäten und Projekte mit den Jugendlichen plant, ist die andere für Integrationsarbeit wie Behördengänge, Unterstützung bei der Jobsuche oder das Begleiten von Jugendlichen zu Ärzten und Psychologen zuständig. Diese Aufteilung ist der besonderen Situation des vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) betreuten Jugendzentrums geschuldet: Mit den Migrationsbewegungen 2015 und 2016 hat sich das JUZ Ochsenfurt von einem Treffpunkt für die Freizeit zu einer Integrationseinrichtung gewandelt. Laut Tanja Welzenbach, bisherige Leiterin des JUZ, setzen sich die Besucher zu etwa 85 Prozent aus Geflüchteten und zu 15 Prozent aus Ochsenfurtern zusammen.
Welzenbach war zeitgleich mit der Fluchtbewegung nach Ochsenfurt gekommen. Drei Jahre und acht Monate hat sie das JUZ in Ochsenfurt geleitet, nun zieht sie weiter ins Jugendzentrum nach Marktheidenfeld. „Diesmal in keiner Leitungsfunktion – ich darf die Jugendlichen einfach bespaßen“, freute sich die Kitzingerin mit einem Augenzwinkern.
Nahtloser Übergang von alter zu neuer Leitung
„Frau Welzenbach hat in ihrer Zeit im JUZ Ochsenfurt viele Stunden eingebracht, die nicht originär ihrer Aufgabe entsprachen“, so BRK-Personalleiterin Silke Bareiß mit Blick auf die von Welzenbach geleistete Integrationsarbeit. Zusammen mit dem BRK-Kreisvorsitzenden Thomas Eberth und Ochsenfurts stellvertretender Bürgermeisterin Rosa Behon war Bareiß ins Jugendzentrum gekommen, um die bisherige Leiterin zu verabschieden und die neue offiziell willkommen zu heißen. Für den Part der klassischen Jugendarbeit ist seit Anfang September die neue Leiterin Ihintza Doyle zuständig. Doyles neue Kollegin, die die vom BRK seit längerem geforderte zusätzliche Halbtagsstelle für das JUZ besetzen und sich um die Integrationsarbeit kümmern wird, soll Mitte September starten.
Die Einstellung Doyles und den nahtlosen Übergang von alter zu neuer Leitung bezeichnete Thomas Eberth als Glücksfall. Gleichzeitig bedauerte er den Weggang Welzenbachs. Diese habe viel Herzblut in ihre Aufgabe gesteckt und enormen Einsatz gezeigt. „Sie hat die Jugendlichen nicht nur betreut, sondern sie in allen Lebenslage beraten“, so Eberth.
Auch Rosa Behon betonte, welch „tolle Arbeit“ Tanja Welzenbach geleistet habe und welch große Herausforderung die Flüchtlingskrise gewesen sei. Es sei bemerkenswert, dass Welzenbach es geschafft habe, das JUZ in dieser Zeit auch zur Anlaufstelle für Mädchen aus anderen Kulturkreisen zu machen. Hausbesuche und Aufklärungsarbeit bei den ausländischen Familien hätten geholfen, Vorurteile abzubauen, so Welzenbach; für Mädchen, die sich in Anwesenheit von Jungs nicht wohl fühlten, installierte sie einen „Mädchentag“ und bot für persönliche Gespräche Vormittagstermine an, so dass im JUZ keine weiteren Besucher waren.
Dass Tanja Welzenbach unter den Besuchern des JUZ als echte Vertrauensperson galt, war selbst für Außenstehende sofort spürbar. „Der Abschied fällt mir schwer“, gestand Welzenbach. „Am meisten werden mir die Jugendlichen fehlen.“ Während ihrer gesamten Zeit als Leiterin des JUZ habe sie kein einziges Mal Stress mit den Besuchern gehabt – „auch wenn ich mal ein Hausverbot erteilt habe“. Ein solches Verbot werde etwa dann ausgesprochen, wenn ein Jugendlicher provoziert, stiehlt oder schlägt. Oder aber im Zusammenhang mit Alkohol: „Wenn ich jemanden das dritte Mal mit einem Radler erwischt habe, gab es eben einen Monat Hausverbot“, so Welzenbach. Alkohol ist im JUZ generell tabu; wer bereits berauscht dort ankommt, wird wieder nach Hause geschickt.
Dass sich die Besucherzahl des JUZ seit Beginn ihrer Arbeit in Ochsenfurt verdreifacht und sich die Herkunft der Jugendlichen komplett gewandelt hat, brachte Welzenbach anfangs in eine auch für sie völlig neue Situation. In den Umgang mit Jugendlichen aus verschiedensten Nationen ist sie über die Zeit hinein gewachsen: „In meinem Job ist es wichtig, keine Vorurteile zu haben, das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen und ihnen Diskretion zuzusichern.“
Konflikte zwischen einzelnen Nationen
Welzenbach erinnerte sich, wie in ihren Anfangszeiten plötzlich bis zu 90 jugendliche Geflüchtete im JUZ auftauchten, und dort auch Konflikte zwischen einzelnen Nationen ausgetragen wurden. „Syrer und Afghanen konnten sich zuerst überhaupt nicht leiden“, so Welzenbach. „Während viele Afghanen abgeschoben werden sollten, weil ihr Herkunftsland als ‚sicher‘ galt, durften die Syrer bleiben – das hat zu vielen Konflikten unter den Jugendlichen geführt.“
Nach dem Axt-Attentat in der Regionalbahn Ochsenfurt-Würzburg, in der ein 17-jähriger afghanischer Flüchtling fünf Menschen schwer verletzt hatte, seien geflüchtete und ansässige Jugendliche im JUZ zusammen gesessen und hätten diskutiert, erinnerte sich Welzenbach. „Die Ochsenfurter haben gemerkt, wie geschockt und betroffen auch die Flüchtlinge waren.“
Da das JUZ unter den geflüchteten Jugendlichen bald den Ruf hatte, eine gute Anlaufstelle zu sein, kamen auch Besucher aus dem Umland, etwa aus Aub und Würzburg, nach Ochsenfurt. „Viele wussten nach ihrer Ankunft in Deutschland erst einmal gar nicht, was sie machen sollten“, so Welzenbach.
Welzenbachs Nachfolgerin, Ihintza Doyle, lebt seit einem Jahr in Würzburg. Der dort angebotene englischsprachige Masterstudiengang „Internationale Sozialarbeit mit Geflüchteten und Migranten"hat die 27-Jährige nach diversen Auslandssemestern sowie nach einem freiwilligen europäischen Jahr in Österreich nach Deutschland geführt. Aufgewachsen ist Doyle in Irland – ihr Vater ist Ire, die Mutter Spanierin. Mit 16 Jahren zog sie mit ihren Eltern nach Spanien, wo sie Sozialarbeit studierte.
Dass Doyle, die Spanisch, Englisch, Irisch und Deutsch spricht, mit Jugendlichen, insbesondere mit Geflüchteten, arbeiten will, zieht sich wie ein roter Faden durch ihren Lebenslauf. Seit September kann sie ihre Erfahrungen im Ochsenfurter JUZ einbringen. „Es geht nun erst einmal darum, die Jugendlichen kennenzulernen und ihr Vertrauen zu gewinnen“, so Doyle.
Nachdem Doyle sich vorgestellt hatte, widmeten sich die Anwesenden noch einem anderen Thema: Die räumliche Aufgliederung des Alten Krankenhauses, in dem das JUZ untergebracht ist, soll überdacht werden. „Wir wollen das Thema Rettungswache neu aufstellen“, kündigte Eberth an. Bisher befindet sich diese im Alten Krankenhaus, ebenso wie auch die Ochsenfurter Tafel. Letztere leidet laut Behon unter Platznot, weswegen sie aus dem ersten Stock des Gebäudes weichen und damit Platz fürs JUZ machen soll, das bisher im Erdgeschoss untergebracht ist.
Das Jugendzentrum Ochsenfurt in der Uffenheimer Straße 15 hat dienstags bis freitags ab 16 Uhr geöffnet.