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Würzburg
"Das hab ich gut gemacht!" So erlebt der achtjährige Willi aus Würzburg seine Kindheit mit Down-Syndrom
Wie sieht der Alltag eines Kindes mit Down-Syndrom in Würzburg aus? Die Main-Post begleitet den achtjährigen Willi Schleibinger und seine Familie beim Reiten, Fußballspielen und daheim.
Der achtjährige Willi hat das Down-Syndrom. Durch Angebote wie therapeuthisches Reiten mit Ergotherapeutin Juliane Kraft in Güntersleben erlebt er eine aufregende Kindheit.
Foto: Thomas Obermeier | Der achtjährige Willi hat das Down-Syndrom. Durch Angebote wie therapeuthisches Reiten mit Ergotherapeutin Juliane Kraft in Güntersleben erlebt er eine aufregende Kindheit.
Antonia Röhrer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:20 Uhr

Freitag, 13.45 Uhr. Nadja Schleibinger (48), die Mutter des achtjährigen Willi, der mit Down-Syndrom geboren wurde, holt ihn wie jede Woche von der Schule ab. Das einzig Besondere: Dieses Mal ist eine Reporterin dabei. Zwei Tage lang wird sie die Familie begleiten, beim Mittagessen, auf dem Reiterhof und bei Willis erstem Fußballspiel.

Die Familie steht vor der Jenaplan-Schule in Würzburg, nahe des Hauptbahnhofs. Die Schulwahl sei nicht leicht gefallen, so die Mutter. Ihnen sei geraten worden, Willi schon im Alter von einem Jahr an einer Schule anzumelden. "Eine Regelschule hat kaum Inklusionsplätze, uns wurde gesagt 'solche Kinder' wären besser an der Sonderschule aufgehoben. Man muss darum kämpfen, dass er eine normale Grundschule ausprobieren kann", berichtet Nadja Schleibinger.

Willis Familie ist glücklich über den Platz in der Würzburger Jenaplan-Schule 

Gesetzlich habe man zwar ein Recht auf Regelschulen, aber viele Schulen hätten Willi trotzdem nicht aufnehmen wollen. "Wir könnten uns natürlich einklagen, aber wem bringt das dann etwas", sagt Schleibinger. Nach mehreren Absagen hat die Familie aber dann doch einen Platz in der Jenaplan-Schule bekommen. Dort können Kinder die Grundschule besuchen und die mittlere Reife erlangen. "Die Schule ist toll, die kennen sich teilweise besser aus als ich", sagt Nadja Schleibinger.

Willi mit seinen Eltern Nadja und Stefan und seinem Bruder Oskar am Esstisch der Familie Schleibinger in der Würzburger Zellerau.
Foto: Daniel Peter | Willi mit seinen Eltern Nadja und Stefan und seinem Bruder Oskar am Esstisch der Familie Schleibinger in der Würzburger Zellerau.

Auch Ärzte für Willi zu finden, stelle teilweise ein Problem dar, sagt Mutter Schleibinger. "Das sind so Downs im Leben eines Kindes mit Downsyndrom. Wir als Familie sind total glücklich, aber durch die Außenwelt stößt man an viele Grenzen." Diese Grenzen habe die Familie auch im privaten Umfeld erlebt. Manche Bekannte hätten sie nach Willis Geburt behandelt, "als wäre es ein Weltuntergang, dabei war seine Geburt für uns eine riesige Bereicherung". Durch die Diagnose habe die Familie aber auch viele tolle neue Menschen kennengelernt.

"Ich lerne jetzt Antonia kennen!", ruft Willi, als er am Freitag aus der Schule kommt. Die Familie macht sich auf den Heimweg in die Zellerau und hört dabei Pumuckl, Willis Lieblingshörspiel. Die Reporterin sitzt auf dem Rücksitz, denn Willi braucht klare Abläufe und Strukturen und sitzt normalerweise vorne: "Man muss mit Willi konsequent sein", sagt die Mutter mit einem Zwinkern. Meist sei der Alltag mit ihm aber problemlos: "Es heißt immer, es sei so wahnsinnig schwierig mit Kindern mit Downsyndrom. So sehe ich das gar nicht, man braucht einfach etwas mehr Geduld und Struktur, aber das würde manchen anderen Kindern auch nicht schaden", sagt Nadja Schleibinger.

Beim Reiten in Güntersleben lernt Willi Stabilität und Körperspannung

Zuhause angekommen, gibt es gemeinsam mit Willis Bruder Oskar (20) Mittagessen, das Willi fleißig verteilt. Laut seiner Mutter hilft Willi sehr viel im Haushalt, liebt kochen, Gartenarbeiten und hämmern. Ansonsten spiele er draußen mit Nachbarskindern und etwa dreimal die Woche im Wald. "Da hat er seine Ruhe und kann für sich sein", sagt der große Bruder. Allerdings müsse man immer ein Auge auf ihn haben, weil Willi Weglauftendenzen habe und Gefahren wegen einer Hörschwäche manchmal nicht gut einschätzen könne. "Da muss man schon aufpassen, dass man nicht zu kontrollierend wird", sagt Willis Mutter.

Willi spielt im Wohnzimmer mit Kater Sebbi.
Foto: Daniel Peter | Willi spielt im Wohnzimmer mit Kater Sebbi.

"Kommst du heute mit zum Reiten?", fragt Willi, kurz bevor wir uns auf den Weg machen. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen befindet sich auf dem Pferdeerlebnishof in Güntersleben, den Willi jeden Freitag nach der Schule besucht. Normalerweise sei ein Nachmittag der Familie Schleibinger nicht so eng getaktet, sagt die Mutter: "Wir legen viel Wert auf Geduld, sonst geht es bei Willi schnell in die Verweigerung."

Der Reiterhof in Güntersleben bietet neben normalen Reitstunden "therapeutische Angebote für Menschen mit Beeinträchtigung und Erkrankungen" an, erklärt Juliane Kraft, Willis Ergotherapeutin und Reitlehrerin. "Willi hat nicht so viel Spannung im Körper und das Training mit dem Pferd ermöglicht ihm, sich zu stabilisieren." Anfangs habe er nicht alleine auf dem Pferd sitzen können, mittlerweile reite er mit Führung im Trab und springe über kleine Hindernisse.

So hat Willi sein erstes Fußballspiel mit dem Fußballverein WFV erlebt

Willi lacht, striegelt und schmust das Pferd, will immer wieder springen und sich mit Ergotherapeutin Juliane Kraft einen Ball hin- und herwerfen. "Es geht auch ganz viel um Struktur. Es ist wichtig, dass man ihm zeigt, dass der Ablauf immer gleich ist, dass er viele Dinge auch selbstständig erledigen kann", sagt Kraft.

An diesem Abend ist etwas Besonderes geplant: Hin- und wieder veranstalten Willi und sein Bruder einen Geschwisterabend, den sogenannten "Willi-Budi-Abend", an dem die Eltern das Haus verlassen und Oskar Schleibinger gemeinsam mit Willi dessen Lieblingsessen, Pizza, bäckt. Danach spielen sie gemeinsam oder schauen Filme. Der Umgang der Familie wirkt sehr liebevoll: Jeder hilft mit und plant schon gemeinsam den nächsten Tag, an dem Willis erstes Fußballspiel ansteht.

Auch Fußballspielen mit seiner Mannschaft auf dem Sportplatz in Veitshhöchheim klappt für Willi super.
Foto: Daniel Peter | Auch Fußballspielen mit seiner Mannschaft auf dem Sportplatz in Veitshhöchheim klappt für Willi super.

"Willi macht beim Training zweimal wöchentlich ganz normal mit, das klappt echt super. Manchmal braucht er zwar länger, etwas zu verstehen, aber sonst macht es keinen Unterschied", sagt Tobias Rudolph, Trainer der U9 beim Würzburger Fußballverein WFV. Das Spielverständnis sei zwar noch nicht komplett da, aber das sei in dem Alter sowieso schwierig. Die ganze Familie ist gekommen, um Willi bei seinem ersten Spiel anzufeuern. "Das hab ich gut gemacht", erklärt Willi danach stolz. Nach diesem Erfolg geht es für die Familie wieder nach Hause, der Ausflug in den Wald für den Nachmittag ist schon geplant.

 
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Kommentare
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  • jutta.noether@web.de
    Danke für diesen herzerwärmenden Artikel und weiterhin alles Gute für Willi und seine Familie!
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