
Diese Begebenheit aus der NS-Zeit ist vielen Freimaurern auch heute noch geläufig: In den 1930er Jahren ließen Hamburgs Nazis das Gebäude der dortigen Loge Stein um Stein abtragen, weil sie dem Geheimnis der Freimaurerei auf die Spur kommen wollten. Sie fanden: nichts.
"Das konnten sie auch nicht", sagt Volkmar Göbel, und man merkt ihm die Genugtuung darüber an, als er die Geschichte aus dunkler Zeit erzählt. Der 63-Jährige ist von Beruf Zahnarzt in Karlstadt und einer von derzeit 65 Brüdern der Würzburger Freimaurerloge "Zu den zwei Säulen an der festen Burg", die in diesen Tagen ihr 150-jähriges Bestehen feiert.
Im Klubraum des Würzburger Logenhauses in der Valentin-Becker-Straße sitzt Göbel neben seinen Freimaurer-Brüdern Andreas Götz und Joachim Spatz. Alle drei gehören zum zwölfköpfigen Beamtenrat, der die Loge steuert: Götz steht als "Meister vom Stuhl" der Loge vor, Spatz ist Redner und Göbel ein "Zugeordneter Meister". Wer von ihnen erfahren will, was Freimaurerei eigentlich ist, muss ein wenig Zeit mitbringen, so einfach ist das nämlich nicht. "Fragen Sie zwei Brüder und Sie erhalten mindestens drei Meinungen", heißt es auf der Website der Würzburger Freimaurer.

Doch ganz so uneins sind sich zumindest die drei Brüder im Würzburger Logenhaus nicht. Der Konsens lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Freimaurerei ist eine lebenslange Arbeit an sich selbst. Die Loge bietet dafür den Ort, vielleicht sogar das Zuhause, am Ende geht es aber immer um den Einzelnen. "Es gibt keine Schablone dafür, wie sich Freimaurerei für jeden Bruder anfühlen muss", sagt Göbel, "wir stellen nur einen Wertekanon, einen Korridor zur Verfügung. Bedienen muss sich dann jeder auf seine Art und Weise."
Als "Maurer" sehen die Brüder in sich selbst den unbehauenen, den rauen Stein, der bearbeitet wird. "Gelassenheit, Zurückhaltung, Demut sind Eigenschaften, die man hier praktiziert. Über die Persönlichkeitsbildung wird man der, der man ist – und keine Kopie von irgendetwas", sagt Andreas Götz, der als gewählter Meister vom Stuhl der amtierende Vorsitzende der Würzburger Loge ist. "Das Entscheidende ist, dass man sich selbst erkennt. Der Status, den jemand im profanen Leben hat, zählt hier bei uns nicht."
Götz, 58 Jahre alt, ist IT-Manager, erfolgreich im Job. "Aber ich habe mir irgendwann die Frage gestellt: Was gibt es für Möglichkeiten, die Gesellschaft zu verbessern, die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Über diesen Kontext bin ich zu den Freimaurern gekommen", sagt er und nennt dabei das Wort, das im Gespräch immer wieder fallen wird: geschützter Raum. "Hier ist der Ort, wo man alles denken, alles aussprechen darf. Und wo man die Gesellschaft, wie sie sein sollte, auch leben kann, ohne Angst zu haben, dass man verhöhnt oder beschimpft wird."
Der geschützte Raum gibt Sicherheit
Dieser Selbstschutz ist auch der Grund, weshalb die Freimaurer nur sehr wenig davon preisgeben wollen, wie ihre wöchentlichen Zusammenkünfte und vor allem wie die "Tempelarbeiten" ablaufen. Letztere finden in Würzburg mindestens einmal im Monat statt und sind ein festes Ritual. Für Außenstehende gibt es bestenfalls Andeutungen. "Unsere rituellen Arbeiten sind das Geheimnis, das wir im geschützten Raum wahren wollen. Diese Sicherheit lässt es für jeden Bruder zu, dass er sich so einbringen kann, wie er das wünscht", sagt Götz. Doch diese Sicherheit in Abgeschiedenheit hat ihren Preis: Bis heute haftet den Freimaurern das Klischee des Geheimbunds an.
Einen Blick in den Tempel ist dennoch erlaubt: sanfte Blautöne an den Wänden, zugezogene Vorhänge, Stuhlreihen und ein erhabener Sitz an der Stirnseite, dahinter zwei Säulen. Wer das Haus betritt, läuft direkt auf den Tempel zu, der Raum liegt an der Ostseite des Logengebäudes. "Von dort kommt das Licht", sagt Andreas Götz.

Volkmar Göbel spricht von der Tempelarbeit als einem Mysterienspiel, einer Symbolwelt. "Das Erleben eines Symbols holt Unbewusstes hervor. Es geht darum, das Unbewusste mit dem Bewussten zu verbinden. Wir haben zum Beispiel als Symbol das Senkblei: Ich versenke das Regelrechte in mir selbst, um mich wieder auszuloten." Gespräche und Wechselspiele in der Tempelarbeit seien bewusst sprachlich einfach gehalten, aber sehr eindringlich. Ein tragendes Element dabei: die Musik, die den meditativen Charakter der Tempelarbeiten unterstreicht.
"Man könnte auch sagen, es ist ein Trainingslager, um an sich selbst zu arbeiten. Danach geht jeder wieder in die Welt hinaus und bewährt sich als einzelner Freimaurer in seinem jeweiligen Umfeld", sagt Joachim Spatz. Der 58-jährige Unternehmensberater und Würzburger FDP-Stadtrat kam über seinen früheren Parteifreund und Stadtrat Rudolf C.L. Blümm (1926-2000) zur Freimaurerei. Das montägliche Treffen ist für ihn auch ein Abtauchen aus dem Alltag: "Da sitzt man in der Kolonne, schnauft mal kurz durch und erkennt dann aber auch die Wohltat, hier sein zu können. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich ein Stück weit bewusster durch die Welt gehe." Spatz schätzt besonders die heterogene Zusammensetzung der Bruderschaft: "Bei uns beschäftigen sich Universitätsprofessoren ebenso wie Handwerker mit Philosophie und Ethik."

Eine wesentliche Einschränkung gibt es aber: Die Frauenquote bei Würzburgs Freimaurern liegt bei exakt null. "Dass wir ein Männerbund sind, ist ausschließlich der Tradition geschuldet", sagt Volkmar Göbel, allerdings gebe es andernorts längst auch Frauenlogen. In Würzburg sei das Interesse von Frauen nach der Freimaurerei bislang gering: "In meiner Zeit als Meister vom Stuhl von 2017 bis 2021 gab es zwei Nachfragen."
Eine gemischte Loge lehnt er ab, auch hier gilt wieder das Prinzip vom geschützten Raum: "Männer und Frauen in einer Gemeinschaft verhalten sich anders, als wenn Männer und Frauen separat unterwegs sind." Würde sich aber eine eigene Frauenloge bilden, wäre sie in der Valentin-Becker-Straße willkommen.
Etwas Selbstkritik klingt dennoch durch. Die Würzburger Loge sei lange Zeit "sehr hermetisch und zurückgezogen" gewesen, sagt Göbel. Zwar bewege sich etwas – der Altersdurchschnitt sank von über 60 auf Mitte 50 – aber dennoch: "Wir müssen uns öffnen, müssen wahrnehmbar für Interessierte sein." Kein leichtes Unterfangen: Freimaurer wollen weder missionieren noch als Organisation in Erscheinung treten.
Wo das Geheimnis der Freimaurerei liegt
Und wer Freimaurer werden will, was sollte er mitbringen? "Man muss schon die Bereitschaft haben, an sich zu arbeiten, sonst ist man hier fehl am Platz", sagt Joachim Spatz. Und auch wenn Religion keine Rolle spielt, eine höhere Ordnung jenseits der eigenen Erfahrungswelt sollte ein Kandidat zumindest nicht ausschließen: "Wer da gar nichts hat, der wird keine Erfüllung finden. Wenn man zum Guten strebt, muss ja erst einmal etwas Gutes vorhanden sein." Wie viele andere Logen veranstaltet auch die Würzburger Loge Gästeabende, zu denen sich anmelden kann, wer Interesse an der Freimaurerei hat. Für "Suchende", wie die potenziellen Interessenten genannt werden, bietet sich hier oft die erste unverbindliche Möglichkeit zur Kontaktnahme mit Logenmitgliedern.
Bleibt die Frage nach dem Geheimnis der Freimaurerei, das Hamburgs Nazis einst vergeblich suchten. Kein Wunder: Sie waren Opfer ihrer eigenen Verschwörungstheorie geworden. "Wie ich eine Tempelarbeit wahrnehme, kann nur ich selbst wissen", sagt Volkmar Göbel. "Das vielzitierte Geheimnis der Freimaurerei ist nicht irgendeine Substanz, irgendein Wissen oder irgendein Code. Es liegt ausschließlich in mir selbst."
Ohne dass sogenannte Gutmenschen und vor allem die Besserwisser die eigene Meinung torpedieren.
Somit sind diese Bündnisse reiner Selbstschutz. Und das sollte bzw muss so bleiben. Ich plädiere dafür…
Mit deinen Fabulierungen wirst du dort zwangsweise ebenfalls anecken und auf unverständnis und ablehnung stoßen.