Jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung, Illuminaten, elitäre Geheimbündler, Okkultisten, Satanisten, verknöcherter Männerbund - es gibt unzählige Legenden, Gerüchte und auch Verleumdungen über die Freimaurerei. Redakteur Mathias Wiedemann ist selbst Freimaurer. Er bekleidet in der Schweinfurter Loge "Brudertreue am Main" das Amt des Redners und versucht hier, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Was ist Freimaurerei überhaupt?
Freimaurerei ist zunächst eine Haltung. Es ist die Überzeugung, dass alle Menschen mit den gleichen unveräußerlichen Rechten geboren werden. Nicht umsonst hat die Freimaurerei entscheidenden Anteil an der Aufklärung, nicht umsonst haben an der amerikanischen Verfassung von 1787 und an der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 maßgeblich Freimaurer mitgearbeitet. Es ist die Bereitschaft, ein Leben lang an sich selbst zu arbeiten, einander brüderlich und Andersdenkenden mit Respekt und Toleranz zu begegnen und sich von der "Geißel der Vorurteile" zu befreien. In Freimaurer-Deutsch heißt das "geistige Entfaltung und Entwicklung einer sittlichen Lebenshaltung". Die wesentlichen Eckpunkte dafür stehen in den "Alten Pflichten", einem kurzen Kodex aus dem Jahre 1723.
Wozu braucht es Freimaurerei?
Eine oft gestellte Frage. Man würde sie niemals den Mitgliedern eines Fußballvereins, eines Lesezirkels oder eines Serviceclubs wie Rotary oder Lions stellen. Sie kommt vielleicht zustande, weil die Freimaurer zunächst einmal nach innen wirken. Sie arbeiten "am rauen Stein", der symbolisch für die eigene Unvollkommenheit steht. Die Aufforderung im Ritual lautet: "Bewährt euch als Freimaurer - wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt. Kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken. Seid wachsam auf euch selbst". Stefan Muffert, Meister vom Stuhl (also Leiter) der Schweinfurter Loge "Brudertreue am Main", sagt: "Ich würde eher fragen, warum bin ich Freimaurer? Sie bietet mir eine Möglichkeit der inneren Entwicklung, der Arbeit an mir selbst, die losgelöst ist von äußeren Strukturen wie Beruf oder Privatleben."
Wie wird man Freimaurer?
Alle Logen veranstalten Gästeabende, für die man sich anmelden kann. Das sind nicht unbedingt Einführungsveranstaltungen in die Freimaurerei, sondern Vorträge, Diskussionen oder Museumsbesuche zu den unterschiedlichsten Fragen. Sie geben aber einen ganz guten Einblick, womit Freimaurer sich beschäftigen. Alles weitere ergibt sich je nach gegenseitigem Näherkommen von Suchendem (so werden Interessenten genannt) und Loge.
Wie ist die Freimaurerei entstanden?
"Freimaurerei war immer", sagt Lessing (1729-1781), und meint damit vor allem eine Einstellung. Tatsächlich taucht der Begriff Freemason zum ersten Mal 1396 in England auf. Die organisierte Freimaurerei ist aus den Bildhauer- und Steinmetzbruderschaften der Bauhütten der Kathedralen des Mittelalters hervorgegangen, die ihre exklusiven Fertigkeiten - Lesen, Schreiben, Statik, Architektur - mündlich und nur im eigenen Kreise weitergaben. Als älteste Freimaurerloge der Welt gilt "The Lodge of Edinburgh (Mary's Chapel) No. 1", die ihre Gründung auf das Jahr 1599 zurückführt. Offizielles Gründungsdatum der modernen Freimaurerei ist der Zusammenschluss von vier englischen Logen zur „United Grand Lodge of England“ am 24. Juni 1717.
Wozu heute Rituale, Formalien, Geheimhaltung?
In der Freimaurerloge (die Örtlichkeit als solche nennt man Bauhütte) gilt das Arkanprinzip. Das bedeutet: Nichts von dem, was hier passiert, soll nach außen dringen. So wird die Loge zum Schutzraum, nicht nur für Rituelles, sondern auch für Gespräche, in denen sich Brüder einander anvertrauen können, ohne befürchten zu müssen, dass bestimmte Äußerungen die Runde machen. Solche Orte gibt es sonst nicht allzu viele. Ritual (Tempelarbeit genannt), Symbole, Zeichen, Kleidung wiederum dienen dazu, sich als Gemeinschaft immer wieder der gemeinsamen Werte zu versichern. Das Ritual ist eine Art gemeinsame Meditation mit Musik, die der Besinnung und der Stärkung dient. Wie das Rituale ja auch in vielen anderen Bereichen vermögen.
Was hat es mit Ämtern und Titeln auf sich?
Die Ämter bezeichnen nur die Funktionen, die die sogenannten Beamten während des Rituals ausüben. Sie haben keinerlei hierarchische Funktion. Die Titel oder Grade bezeichnen nur den Fortschritt des einzelnen innerhalb der Freimaurerei. Um sie zu erlangen, muss sich der Bruder phasenweise mit bestimmten inhaltlichen und philosophischen Fragen auseinandersetzen. Grundsätzlich aber gilt: Lehrlinge, Gesellen und Meister haben exakt dieselben Rechte.
Sind alle Freimaurerlogen gleich ausgerichtet?
Durchaus nicht. Der Lieblingsspruch eines Logenbruders ist: "Freimaurerei ist Menschenwerk". Da gibt es die individuellen Charaktere, konservative, progressive, offene, verschlossene, liberale, strenge. Und da gibt es weltanschauliche Differenzen. Während Schweinfurt zu den liberalen, humanitären Logen gehört, für die Religion keine Rolle spielt, machen andere die Zugehörigkeit zu einer christlichen Konfession zur Aufnahmebedingung. Und während die meisten nur drei Grade kennen - Lehrling, Geselle, Meister -, gibt es Logen, die zum Beispiel nach dem sogenannten Schottischen Ritus mit einer Fülle weiterer Grade arbeiten. Mitunter klaffen Lücken zwischen humanistischem Anspruch und Wirklichkeit: Obwohl Freimaurerei grundsätzlich keinen Unterschied zwischen Hautfarbe, Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Vermögen macht, gibt es in den USA Logen nur mit Mitgliedern weißer und nur mit Mitgliedern schwarzer Hauptfarbe. Duke Ellington oder Louis Armstrong gehörten solchen Logen an.
Wie viele Freimaurer gibt es?
In Deutschland gibt es etwa 15.000 Freimaurer in 500 sogenannten Johannislogen. Johannes der Täufer gilt als Schutzpatron der Freimaurerei, weil sein Aufruf zur Umkehr dem Geist der Freimaurerei entspricht. Die 500 Logen sind in fünf souveränen Großlogen unterschiedlicher Ausrichtung organisiert, deren größte mit 10.000 Mitgliedern die der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (GL AFuAMvD) ist. Die Zahl der Freimaurer weltweit variiert stark, je nach Quelle sind es 2,6 bis sechs Millionen.
Wo in der Region und sonst auf der Welt gibt es Freimaurerlogen?
In Unterfranken und Umgebung gibt es Logen in Würzburg, Schweinfurt, Kitzingen, Bamberg, Meiningen, Rothenburg ob der Tauber, Mainaschaff und Michelstadt. Die Freimaurerei ist ansonsten eine weltumspannende Bewegung, es gibt Logen in allen Erdteilen. Am weitesten verbreitet sind sie in den westlich geprägten Demokratien Europas, Amerikas und Australiens.
Wie elitär ist die Freimaurerei?
Herkunft, Vermögen oder Bildung spielen keine Rolle. "Bei uns hat jeder Zugang, wir machen die Mitgliedschaft weder von finanziellen noch beruflichen Voraussetzungen abhängig", sagt Stefan Muffert, "was zählt, ist der Mensch." Die offizielle Anforderung lautet: "Ein freier Mann von gutem Ruf." Tatsächlich begegnen einander in den Logen sehr oft Menschen mit höchst unterschiedlichen Werdegängen und Ansichten, die im Leben draußen kaum je näheren Kontakt hätten. Für viele Freimaurer gehört das zu den wichtigsten Aspekten des Logenlebens.
Warum nimmt die Loge keine Frauen auf?
"Der Weg in die Freimaurerei ist den Frauen keineswegs verwehrt", sagt Stuhlmeister Stefan Muffert. Es gibt Frauenlogen und (wenige) gemischte Logen. "Wenn es nicht so viele Frauenlogen gibt, dann liegt das auch daran, dass vergleichsweise wenige Frauen Interesse daran haben." Denkbar sei es durchaus, die Schweinfurter Loge auch für Frauen zu öffnen, sagt Muffert, vor dem Hintergrund der über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen aber möglicherweise schwierig. "Wie wir von Freimaurerinnen wissen, bleiben diese auch lieber unter sich." Altstuhlmeister Uwe Müller sagt: "Wenn Frauen in Schweinfurt eine Loge gründen wollten, könnten sie sich unserer Unterstützung sicher sein. Die wenigen arbeitenden Frauenlogen, zum Beispiel Fürth, sind auch bei den Brüdern anerkannte Partner." Die Partnerinnen oder Partner der Brüder seien überdies fester Bestandteil des gesellschaftlichen Logenlebens, wenn sie wollen.
Was hat es mit den ganzen Verschwörungstheorien auf sich? Strebt ihr im Geheimen die Weltherrschaft an?
In autoritären, hierarchischen und undemokratischen Systemen wirkt freimaurerisches Gedankengut immer störend. Weswegen den Freimaurern immer wieder niederste Absichten und abscheulichste Missetaten angedichtet wurden. Der NS-Staat etwa verwendete viel Mühe auf die Diffamierung der Freimaurerei. Hinzu kommen immer wieder Lügengeschichten irgendwelcher Aussteiger. Der von Bunde ausgeschlossene Léo Taxil (1874-1907) etwa erlangte zweifelhafte Berühmtheit mit Berichten über angebliche luziferianische Orgien und schwarze Messen - bereits 1896 entlarvt als "Taxil-Schwindel". Die katholische Kirche hat dennoch bis heute ihre Probleme mit der Freimaurerei. Wenig hilfreich sind übrigens auch Romane wie die von Dan Brown, die in altbekannte Symbole allerhand Unsinn hineingeheimnissen.