Die Finanzierung der Pflege wird angesichts eines steigenden Bedarfs immer schwieriger, hinzu kommt das Personalproblem. Laut Bank für Sozialwirtschaft ist jedes fünfte Pflegeheim in Deutschland von der Pleite bedroht. In privater Hand sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Zahlen für 2021) rund 43 Prozent der Pflegeheime in Deutschland. Doch gerade private Träger hätten in der Vergangenheit zu viel Geld aus dem System gezogen, kritisiert Alexander Schraml.
Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen war lange Jahre Vorstand des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg. Im Interview spricht Schraml darüber, ob und wie viel Geschäft man mit der Pflege machen darf.
Alexander Schraml: Generell ist die Finanzierung von Pflegeheimen grenzwertig. Wenn dann noch Einschläge kommen, wird es eng. Beispiel Belegung: Mit Blick auf die Erstattungen von den Kassen bräuchten wir eine Auslastung in den Heimen von mehr als 95 Prozent. Die schafft man heute schon wegen des Personalmangels kaum mehr. Wir gehen davon aus, dass deshalb etwa zehn Prozent der Betten nicht belegt sind. Das ist eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen.
Schraml: Das ist richtig. Und ja, es besteht der Verdacht, dass manche privaten Träger in den vergangenen Jahren und gerade in der Corona-Zeit zwar Zuschüsse und Förderungen eingestrichen, aber nicht ins Heim oder in Rücklagen gesteckt haben. Und jetzt machen sie unrentable Häuser dicht. So geht das nicht. Es kann nicht sein, dass Geld aus dem System abgegriffen wird. Ich vergleiche es mit der Müllabfuhr: Da müssen wir die Gebühren so kalkulieren, dass ein möglicher Überschuss immer wieder dem Gebührenzahler zugute kommt. Das muss ein in sich geschlossenes System bleiben.
Schraml: Bis letzten Herbst gab es für die Gehälter keine Tarifbindung. Dann kam die Tariftreueregelung und viele private Anbieter mussten ihre Gehälter anheben. Man konnte also nicht mehr Gewinn auf Kosten des Personals machen. Uns als kommunale Träger hat diese angelaufene Konkurswelle nicht gewundert.
Schraml: Man muss unterscheiden. Es gibt private Familienunternehmen, die mit einem hohen Ethos unterwegs sind und schon immer sozialverträgliche Gehälter bezahlt haben. Aber daneben gibt es als Heimträger größere Ketten, denen es vorrangig um die Rendite geht.
Schraml: Das Pflegesystem wird über Pflichtbeiträge finanziert. Es kann nicht sein, dass daraus Geld an Investoren oder Aktionäre ausgeschüttet wird.
Schraml: Gewinn sollte man ruhig machen dürfen. Aber er muss im System bleiben. Man kann auch ein ordentliches Geschäftsführergehalt bezahlen, dagegen spricht nichts. Es gibt im übrigen auch private gemeinnützige Betreiber. Natürlich müssen sich auch die Kommunen und Landkreise stärker engagieren, sie haben einen Versorgungsauftrag für die Pflege. So wie sie auch Kindergärten betreiben.
Schraml: Natürlich, das beobachten wir auch im ambulanten Bereich. Deshalb ist es wichtig, dass sich Kommunen oder Landkreise dafür mit der richtigen Unternehmensform einbringen. Man sollte ein Pflegeheim nicht wie eine Kfz-Zulassungsstelle verwalten. Auch die großen gemeinnützigen Träger müssen sich wieder mehr engagieren.
Schraml: Oder man fördert stattdessen die seriösen, nachhaltig arbeitenden Einrichtungen. Es ist eine Katastrophe, wie viele private Heime jetzt schließen. Da fehlt es an Verlässlichkeit. Solange Geld abgegriffen werden konnte, wurden private Pflegeheime gebaut und betrieben – und danach nicht mehr und man hat Geld aus dem System rausgenommen. Es muss aber in jedem Fall einen Bestandschutz für bereits zugelassene Heime geben.
Schraml: In der Tat ist das System ohne private Akteure heute nicht denkbar, deshalb sollen die bestehenden auch bleiben. Aber man muss sehen: Private Heime wurden über viele Jahre gefördert. Mittlerweile gibt sogar der Bundesgesundheitsminister zu bedenken, ob die Privatisierung von Pflegeheimen eine so gute Idee oder doch eher ein Fehler war.
Schraml: Leiharbeit ist für die Träger von Pflegeheimen sehr teuer. Als Verband sehen wir vor allem aber den qualitativen Aspekt. Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen einer hohen Zahl an Leiharbeitskräften und schlechterer Qualität in der Altenpflege. Wer nach drei Wochen wieder weg ist, übernimmt oft weniger Verantwortung und liefert eine schlechtere Dokumentation als das Stammpersonal. Schulungen sind schwierig. Außerdem entsteht eine Zweiklassengesellschaft, weil sich die Leiharbeiter ihre Schichten und Dienste häufig raussuchen können. Die Pflege ist aber nun mal ein 24-Stunden-Job.
Schraml: Wer einen gesetzlichen Versorgungsvertrag will, sollte sich als Heimbetreiber verpflichten, keine Leiharbeiter einzusetzen. Ausnahmen für Notfälle könnte man ja machen. Auch eine prozentuale Beschränkung von Arbeitsstunden durch Leiharbeiter wäre denkbar. Und, da sind wir uns mit Holetschek einig: Der Aufbau von Springerpools könnte vieles an Leiharbeit überflüssig machen.
Schraml: Das ist ein großer Kritikpunkt. Klar, möglicherweise verlieren wir den einen oder die andere, die nicht zurückkehren und die Branche wechseln. Aber für noch größer halte ich die Gefahr, dass wir Menschen aus der Stammbelegschaft verlieren, weil sie das ungerechte System der Leiharbeit nicht mehr ertragen. Es gibt ja erste Träger, die für ihre Heime keine teuren Leiharbeiter mehr einsetzen. Lieber steht dann ein Bett leer.
der medizinisch-soziale Bereich ist mMn einer derjenigen, die man mit den Mitteln der Marktwirtschaft niemals abzudecken versuchen sollte.
Völlig wurscht ob es um
- Arzneimittelknappheit wg. ins Ausland ausgelagerter Produktion
- Aufnahmestopp in den Krankenhäusern wg. "fehlender Betten"
- Personalmangel bzw. tw. unsägliche Zustände in den Pflegeheimen
- Schließung von Einrichtungen wg. "Unrentabilität"
- oder was auch immer
geht, immer scheint es an einer "Unterfinanzierung" zu liegen und Akteur/innen und Betroffene werden ihrem Schicksal überlassen. Das kann man sicher auch auf die Spitze treiben, bis wir bei Zuständen wie bei "Soylent Green" landen, aber vielleicht wäre es ja auch eine Idee, Geld, von dem eh schon weit mehr vorhanden ist als es Gegenwert dafür gibt, von da loszueisen, wo es nur neues Buchgeld hervorbringt (was dann auch zu nichts weiter nütze ist als das Konto weiter aufzublähen) und dahin umzuleiten, wo es gebraucht würde...
Es ist klar, dass jeder, der in der Pflege arbeitet sein Auskommen haben muss und auch ordentliche Arbeitszeiten!
Das heisst : ordentliche Gehälter und ein adäquater Stellenschlüssel. Für großartige Rendite ist da kein Platz. Es gibt ja genug private und öffentliche Pflegeeinrichtungen, die zeigen, dass das geht.
Die Politik muss das dann aber auch finanzieren.
Und da regelt der Markt gar nichts!
Pflege, genau so wie Wohnraum, Gesundheit etc. kann kein Feld für spekulative Rendite sein.
Die machen das bestimmt nicht weil sie auf dem Arbeitsmarkt nichts finden.
Sie können sich aussuchen wie, wo und wann sie arbeiten. Verdienen sehr gut und müssen sich mit den Querelen und Scharmützeln egal ob im Heim oder im Krankenhaus nicht auseinandersetzen.
Dann kommt noch die unsägliche "generalistische Ausbildung" dazu, die unsere Politik so lobt, ein Schuss in den Ofen.
Der Herr Schraml hat sicher nicht zu wenig verdient. Bei den vielen Posten die er inne hatte oder hat waren bestimmt nicht nur Ehrenämter dabei.
genauso isses.......da wird 30 Jahre rumgepfuscht und am Schreibtisch Mist entschieden ...und dann gejammert wo denn die Pflegekräfte hin sind.
Man hat doch alles sooooo schön finanziell angehoben.......tzzzz....
Ja leute, die gehen lieber in andere Jobs , ohne dass sie sich 8 Stunden Vorwürfe machen müssen, der Menschenwürde und Menschlichkeit nicht zufriedenstellend gerecht geworden zu sein bis Feierabend, und haben im neuen Job im besten Falle sogar Wochenend und Feiertag frei.
Puh! Das Interview ist sowas für ein Käse!
"Aber jeder Betrieb muss doch in besseren Zeiten für schlechtere vorsorgen, oder?"
"Schraml: Das ist richtig. Und ja, ...."
Herr Schraml Sie scheinen nicht zu verstehen wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen funktioniert und im Gegenzug eine öffentlich rechtliche Organisation.
Mit solchen Aussagen zeigen Sie, dass Sie fehl am Platz sind!
Risiko, Kapital, Finanzierung, Banken (auch Sparkassen wollen Ergebnisse und ihre Zinsen und Tilgung) - alles gehört zusammen! Und wer investiert ohne Gewinnerzielungsabsicht? Keiner!
Dass die Konzerne anders ticken als privat geführte und auch Caritativen Trägerschaften ist doch klar, aber es wird doch jedes Bett gebraucht und auch jede Pflegekraft!
Er wirft ja nicht vor, dass sie zu viel Geld verdienen, sondern dass es aus dem System genommen wird, also nicht für anständige Löhne usw. wieder investiert wird.
Pflege, ÖPNV, Abfall, Trinkwasser, Abwasser und was macht der Rest im Landratsamt?
Solche Menschen braucht man, 5 Ressorts gleichzeitig zu bedienen. Respekt
...."Man konnte also nicht mehr Gewinn auf Kosten des Personals machen."...
Dieser Gewinn geht ja nicht nur auf Kosten des Personals sondern auf Kosten der Betreuten, deren Angehörigen - die für fehlendes Personal einspringen müssen - und letztlich auf Kosten der Gesellschaft.
Das Problem sind die Führungszirkel, die diese Missstände zu verantworten haben und dennoch nicht aus dem Verkehr gezogen werden.
Noch einmal , wir brauchen andere Personalschlüssel von den Kasssen+Kassenärztlicher Vereinigung+Ärztekammer....PLUS Pflegeheime die aus eigener Tasche noch zusätzliche Kräfte bezahlen möchten. Und JAAAAAAAAAAAAAA so etwas gibt es tatsächlich, und diese Kliniken oder Heime haben auch keine Personalfluktuation....welch ein Wunder.
Nur gibt es die halt nicht bei uns.
Die Profitgier, ob Staat oder Privatträger, ist größer als der Wunsch Personal zu entlasten und ordentliche Zeitintensive Pflege zu garantieren.