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Würzburg
"Dann nehme ich jetzt das Auto": Nutzer kritisieren hohe und intransparente Preise für Lastenrad-Leihe in Würzburg
Ein kompliziertes Preissystem soll Anreize schaffen, bei langen Fahrten ein Lastenrad statt das Auto zu nehmen. Das sorgt für Ärger bei Kunden auf der Kurzstrecke.
Peter Moritz-Angst nutzt die Miet-Lastenräder in Würzburg fast nur für Kurzstrecken. Angebote für längere Ausleihzeiten werde er wohl kaum nutzen.
Foto: Christoph Sommer | Peter Moritz-Angst nutzt die Miet-Lastenräder in Würzburg fast nur für Kurzstrecken. Angebote für längere Ausleihzeiten werde er wohl kaum nutzen.
Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 10.07.2024 02:45 Uhr

Ausleihen, Einkaufen, Heimfahren – und bei unter einer Stunde Nutzung 1,50 Euro zahlen: So nutzte Peter Moritz-Angst das Mietsystem für E-Lastenräder in Würzburg bisher. "Ein super Angebot, das ich oft genutzt habe", sagt er. Ausleihe und die erste halbe Stunde war bis vor kurzem kostenlos. Jede weitere halbe Stunde kostete bisher 1,50 Euro. "Unschlagbar" sei das gewesen. Das Auto habe der 33-Jährige aus der Sanderau deswegen auch für größere Einkäufe öfter stehen gelassen.

Julian Fischer zeigt die neuen Preise für Lastenräder in Würzburg in der App. 
Foto: Patty Varasano | Julian Fischer zeigt die neuen Preise für Lastenräder in Würzburg in der App. 

Kürzlich wurden aber die Preise deutlich erhöht. Jetzt kostet die Ausleihe pauschal 1,50 Euro. Dazu pro angefangene 30 Minuten drei Euro. Für die gleiche Nutzung wie oben beschrieben, zahlt er jetzt also 7,50 Euro statt 1,50 Euro – fünfmal so viel. "Das lohnt sich nicht mehr", sagt Moritz-Angst. "Dann nehme ich jetzt das Auto."

Lastenrad-Mietsystem in Würzburg soll Alternative zum Auto bieten

Das sei wohl kaum im Interesse der Stadt Würzburg, sagt er. "Das übergeordnete Ziel des Lastenradmietsystems ist der Ersatz von Auto-Fahrten und damit die CO₂-Einsparung", sagt Klimabürgermeister Martin Heilig. Die 45 Lastenräder und 14 Stationen in Würzburg gehören der Stadt. Aufbau und Anschaffung wurden im Rahmen eines bayerischen Modellprojekts zu 90 Prozent gefördert. Der laufende Betrieb wird von der Firma Sigo durchgeführt.

Wie die Stadt mitteilt, wurden die Preise, vor allem die kostenlose erste halbe Stunde, anfangs so gewählt, dass die Würzburgerinnen und Würzburger das System kennenlernen können. Laut Stand im April gab es rund 800 verifizierte Nutzerinnen und Nutzer des Miet-Systems in Würzburg. Etwa zwei Drittel davon gaben an, mit ihrer Ausleihe eine Fahrt mit dem Auto ersetzt zu haben. 24.000 Kilometer Autofahrt, und damit 3,5 Tonnen CO₂, seien durch die Lastenräder eingespart worden.

Luis Pototzky und Claudius Stanke, beide Koordinierungsstelle Nachhaltige Mobilität, Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Bürgermeister Martin Heilig (von links) bei der Vorstellung des Lastenradmiet-Systems in Würzburg.
Foto: Georg Wagenbrenner (Archivbild) | Luis Pototzky und Claudius Stanke, beide Koordinierungsstelle Nachhaltige Mobilität, Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Bürgermeister Martin Heilig (von links) bei der Vorstellung des Lastenradmiet-Systems in ...

Nach Abschluss des Projekts würde jetzt aber eine neue Zielgruppe in den Fokus genommen: Diejenigen, die häufig und länger am Stück Lastenräder ausleihen. "Daher wurden die Preise so angepasst, dass längere Fahrten, die sonst mit dem Auto durchgeführt werden, besser gestellt werden", sagt Heilig dazu.

Neues Bonus-Programm für Lastenräder-Leihe in Würzburg belohnt Viel-Fahrer

Der finanzielle Anreiz für längere Fahrten soll über eine zweite Neuerung im Preissystem gegeben werden: Nutzerinnen und Nutzer können Guthaben für weniger Geld als den eigentlichen Wert kaufen. Je nach Paket können sie so rund ein Drittel, die Hälfte oder mehr sparen.

'Dann nehme ich jetzt das Auto': Nutzer kritisieren hohe und intransparente Preise für Lastenrad-Leihe in Würzburg

Rechnet man dieses Bonus-Programm auf die oben genannten Preise an, ergibt sich ein neues Bild. Demnach kostet die erste Stunde auch mit Bonus-System mehr als doppelt so viel wie zuvor. Im Vergleich zu vorher, lohnt sich das neue System erst ab einer Dauer von drei Stunden.

Ersetzt das Lastenrad das Auto eher bei Kurz-Tripps oder Tagesausflügen?

"Man kann sich das schönrechnen mit den Paketen", kommentiert Julian Fischer das Preissystem. Auch er war bisher begeisterter Lastenrad-Mieter, vor allem für Einkäufe. Jetzt sei es aber günstiger, das eigene Auto zu nehmen. "Wenn es teurer ist, etwas für den Klimaschutz zu tun", sagt der 36-jährige Würzburger, "dann stimmt was nicht."

Julian Fischer war bisher begeisterter Lastenrad-Mieter in Würzburg. Seit der Preiserhöhung ist damit Schluss.
Foto: Patty Varasano | Julian Fischer war bisher begeisterter Lastenrad-Mieter in Würzburg. Seit der Preiserhöhung ist damit Schluss.

Dass Leute eher bei Tagesausflügen als für kurze Fahrten auf ihr Auto verzichten werden, glaubt Fischer nicht. So sieht es auch Peter Moritz-Angst. Tagesausflüge mit dem Lastenrad seien zwar ein Highlight für die Kinder, sagt er, aber bei vielen Zielen nicht möglich oder zu umständlich. "Wir müssten mit unseren zwei Kindern zwei Räder ausleihen und dann wird es trotzdem teuer."

Umständlich findet er auch die Preisstruktur: "Diese Rechnerei macht es schwer, einzuschätzen, wie viel mich welche Dauer effektiv kostet. Das ist intransparent und schreckt ab." Er selbst habe ein Paket L gekauft, bevor die Preiserhöhung angekündigt wurde. "Ich verbrate das Guthaben jetzt", sagt er. Danach werde er die Lastenräder wohl kaum weiter ausleihen.

Wird die Stadt Würzburg die Lastenräder weiter finanzieren? Zweifel an Kosten-Nutzen-Rechnung

Dabei strebt die Stadt Würzburg eigentlich an, die Nutzungszahlen weiter zu steigern: "In den Sommermonaten wird angestrebt, dass jedes Rad mindestens einmal pro Tag genutzt wird", heißt es dazu von der Stadt. Laut Abschlussbericht des Modellprojekts wurde ein Rad bisher durchschnittlich 14 Mal im Monat ausgeliehen. 

Die Stadt Würzburg teilt mit, jedes Lastenrad werde monatlich mit etwa 190 Euro von ihr bezuschusst. "Denn auch mit Nutzungsgebühren kann das System nicht kostendeckend betrieben werden." Aktuell sei der Betrieb des Miet-Systems für September neu ausgeschrieben.

Dass die Nutzungszahlen, bezogen auf die Größe Würzburgs, eher gering ausfielen, kritisierten mehrere Stadträtinnen und Stadträte im zuständigen Ausschuss. Mit Blick auf die Zustimmung zur weiteren Finanzierung der Lastenräder kamen deswegen bereits Bedenken auf.

 
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  • Stefan Kern
    Schade, so geht das ursprüngliche Konzept den Bach runter. Ich habe die Räder gerne zum Einkaufen oder Transport innerhalb der Stadt genutzt und das Auto stehen gelassen. Mit dieser neuen Preisgestaltung unrentabel. Ich kenne Eltern die ihre Kinder damit früh zur Kita gebracht und wieder abgeholt haben, statt mit dem Auto. So wird das zu teuer. Es war eine tolle Alternative zum Auto, so wird es die Leihlastenräder bald nicht mehr geben, denn die Nutzerzahlen werden in den Keller sinken.
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  • Hiltrud Erhard
    Es kann eine sinnvolle Ergänzung sein, wird meiner Meinung nach aber nicht die Wende einleiten.
    Aber die Lastenradnutzer mögen sich bitte auch an die Verkehrsregeln halten!
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  • Edith Kram
    @GF:

    Man sollte einfach die Subventionen wieder zurückfordern. Bei 90 % Förderung könnte man die Preise Nutzungs- und Benutzer freundlicher gestalten.

    190 Euro Zuschuß pro Monat? Da ist so ein Lastenrad nach 12 Monaten schon fast abbezahlt, oder? Ob sich hier jemand eine "goldene Nase" verdient?

    Oder noch gravierender - bei 15 Tagen a' 3 Stunden Ausleihe im Monat kann man sich so ein Lastenrad gleich selber kaufen.

    Autor: @GF
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  • Helga Scherendorn
    Grün kostet viel Geld, irgendjemand muss das teure Hobby bezahlen
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  • Barbara Fersch
    die Option, das Auto stehen zu lassen, sollte auf jeden Fall billiger sein......funktioniert aber nicht !
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  • Michael Zink
    24.000 km? 14 Nutzungen pro Monat? Das kann ich irgendwie nicht glauben. Bisher habe ich ein Mal gesehen, wie jemand auf so einem Rad an mir vorbei gefahren ist. (Noch dazu ziemlich unsicher. Genau richtig für die Fußgängerzone ...) Und ein Mal bin ich an einer Station vorbei gegangen, an der ein Rad gefehlt hat. Sonst waren immer alle Räder vorhanden.

    Und bei 14 Nutzungen im Monat hätte die Hälfte der Räder auch gereicht. Aber gut, das ist schlecht vorherzusehen.
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  • Peter Koch
    Die übliche Denke zeigen die Herren Fischer und Moritz-Angst , sie nehmen gerne alles an was nix kostet weil andere dafür bezahlen. Wehe aber, das ändert sich. Dann sind hehre Ziele wie der Klimaschutz plötzlich völlig egal.
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  • Michael Riedner
    Guten Morgen! Auch Lastenräder müssen finanziert werden, das geht wohl meistens nicht für minimale Beiträge. Schade !
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  • Franz Peter Fischer
    Schade! Der Ansatz und auch das Angebot waren nämlich gut. Ich finde, die Lastenräder dürfen gerne die Stadt etwas kosten, als Entschädigung für das miserable Verkehrskonzept, vor allem für Würzburgs Radfahrer.
    Die neue Preisstruktur ist viel zu kompliziert. Soll da etwa die Bahn das große Vorbild sein. Wie wäre es noch mit Schlechtwettertarif, Frühbuchertarif und Nachttarif…
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