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Würzburg
Corona: Wie Medizinstudierende unter dem Examens-Aufschub leiden
Damit Medizinstudierende bei der Versorgung von Corona-Patienten helfen können, wird das zweite Staatsexamen verschoben. Damit sind viele Studierende nicht einverstanden.
Anstatt Examen zu schreiben, sollen Medizinstudenten in der Corona-Krise aushelfen. Damit sind wenige Studierende einverstanden und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Foto: Getty Images | Anstatt Examen zu schreiben, sollen Medizinstudenten in der Corona-Krise aushelfen. Damit sind wenige Studierende einverstanden und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Sophia Scheder
Sophia Scheder
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:44 Uhr

Julian Wirth befand sich mitten in der Examensvorbereitung, seit Dezember letzten Jahres war er nun schon am lernen. Denn eigentlich hätte er am 15. April Examen schreiben sollen. Doch nun sollen er und 4600 weitere Medizinstudenten bayernweit in der Corona-Krise aushelfen. Das zweite Staatsexamen wird auf April 2021 verschoben, das hat der bayerische Landtag vergangene Woche beschlossen. Viele Studierende sind mit dieser neuen Verordnung nicht einverstanden und die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland hat eine Petition ins Leben gerufen. Auch viele Würzburger Studierende haben unterschrieben.

Hammerexamen in Bayern

Wochenlang fragten sich tausende Medizinstudierende in Deutschland, ob das Examen stattfindet oder abgesagt wird. Und vor allem, was dies für die Ausbildung bedeutet. Dann änderte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schließlich die Approbationsordnung für Ärzte, womit die Prüfungen grundsätzlich um ein Jahr verschoben werden und die Studierenden vorzeitig ins Praktische Jahr (PJ) starten sollen. Den Bundesländern erlaubte Spahn jedoch von dieser Regelung abzuweichen. Bayern hat nun beschlossen, das sogenannte Hammerexamen einzuführen, was bedeutet, dass das zweite Staatsexamen erst nach Ende des PJ stattfinden wird - unmittelbar vor dem dritten Staatsexamen. 

Die Änderungen zielen darauf ab, möglichst schnell eine große Anzahl an Studierenden im Praktischen Jahr (PJ) und damit in der Krankenversorgung einsetzen zu können. Es ist dieser Punkt, der viele Medizinstudierende in den vergangenen Wochen so in Aufruhr versetzt hatte. Denn diese Maßnahmen stellen für die Studierenden eine enorme Zusatzbelastung dar, heißt es in der Petition der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland.

Über sechs Stunden am Tag gelernt

Das ist vor allem hart für die Studierende, die in einigen Tagen eigentlich hätten Staatsexamen schreiben sollen. So wie Julian Wirth. Der 24-Jährige studiert im zehntes Fachsemester Medizin an der Uni Würzburg.  Abgesehen von nur wenigen freien Tagen hat Wirth täglich im Durchschnitt über sechs Stunden gelernt, ist dies schließlich der Abschluss an der Universität, bevor es in die Klinik geht. "Das ist eine starke Belastung, aber man hatte immer ein Ziel vor Augen, wodurch das Ende absehbar und die ganze Anstrengung leichter zu akzeptieren war", erzählt er.

Anders als Gesundheitsminister Spahn, ist Julian Wirth der Meinung, dass die medizinische Ausbildung auf jeden Fall unter dem Gesetzentwurf leiden wird. "Es ist gar nicht möglich, dass die aktuelle Situation keine Auswirkungen auf unser PJ haben wird", sagt er. "Zum einen wird unsere Lernzeit für das anstehende Hammerexamen (M2 und M3) sehr stark verkürzt." Bisher hatte man allein für das M2 über 100 Tage Lernzeit. Beim Hammerexamen wird die Vorbereitungszeit für das zweite und das dritte Staatsexamen auf sechs Wochen (42 Tage) begrenzt. "Des Weiteren steht es noch nicht fest, ob die Wahl für das dritte Tertial (Wahlfach) berücksichtigt wird." Der Student fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. "Es wird einem das Gefühl vermittelt, dass man nicht mehr als Mensch wahrgenommen wird, sondern nur noch als potentielle, günstige Arbeitskraft. So wird in Kauf genommen, dass die zukünftigen Ärzte bereits vor ihrem Berufseinstieg überlastet und ausgebrannt sind."

"Es wird einem das Gefühl vermittelt, dass man nicht mehr als Mensch wahrgenommen wird, sondern nur noch als potentielle, günstige Arbeitskraft."
Julian Wirth, Medizinstudent

Sarah H: In Krisenzeiten bleibt weniger Zeit für die Ausbildung

Auch Sarah H. ist sauer. Die Studierende möchte ihren Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen. Die 27-Jährige hat seit November letzten Jahres gelernt. Sie befindet sich im 13. Semester und steht wie Wirth eigentlich vor dem zweiten Staatsexamen. Auch sie widerspricht dem Gesundheitsminister. "Unsere Tätigkeiten werden den Umständen angepasst", weiß sie. So bleibe in Krisenzeiten weniger Zeit für die Ausbildung. Außerdem: "Die Bereiche, in denen wir im PJ arbeiten, können verändert werden. Das ist alles bis zu einem gewissen Maße verständlich und notwendig." Als Medizinstudierende sei sie gerne bereit Abstriche in dieser Hinsicht zu machen. Aber: "Es macht die Behauptung des Gesundheitsministers nicht weniger falsch." Ihrer Meinung nach grenze Spahns Aussage und ständige Betonung, dass Studierende keine Nachteile von den Änderungen hätten an "Hohn" und sei "schlicht eine Lüge." "Die aktuellen Änderungen tragen nicht dazu bei, dass geordnete und akzeptable Bedingungen für uns Studierende geschaffen werden!"

Die Medizinstudentin Sarah H.. Anders als auf diesem Foto ist ihr in der momentanen Situation nicht zum Lachen zumute.
Foto: Sarah H. | Die Medizinstudentin Sarah H.. Anders als auf diesem Foto ist ihr in der momentanen Situation nicht zum Lachen zumute.

Auch Sarah H. hat die Petition unterschrieben. Gerade weil die aktuellen Regelungen Studierende, die sich in der Corona-Krise für die Gesellschaft einsetzen, benachteiligen. "Ich habe das Gefühl, dass man uns in dieser Krisensituation unnötigen und unverständlichen Zusatzbelastungen aussetzt, die man vermeiden könnte."

Bedingungen im PJ werden schon lange kritisiert

Dabei werden die Bedingungen im PJ bereits seit Jahren kritisiert: viele Kliniken zahlen nach wie vor keinen Lohn und wenn doch, liege dieser weit unter dem Existensminimum, meint die Studentin. "Wenn jetzt das PJ so spontan vorgezogen wird und wir weiterhin keinen Cent für eine 40-Stunden-Woche bekommen, dann wird das für viele finanziell untragbar." Es sei traurig, dass die Studierenden nach wie vor um elementare Punkte kämpfen müssen, wie ein Recht auf Dienstkleidung, Verpflegung oder Krankheitstage. "Das sind Missstände, die für Deutschland peinlich sind und die gerade zu Krisenzeiten anzuprangern sind."

Kampagnenfoto der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland für ein faires PJ.
Foto: bvmd | Kampagnenfoto der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland für ein faires PJ.

"Wir erkennen an, dass aufgrund der Krankenversorgungslage Änderungen im Studienablauf notwendig werden können", heißt es in einer Stellungnahme der Bundesvereinigung der Medizinstudierenden in Deutschland. "Das geplante Vorhaben stellt jedoch eine unzumutbare Härte für die Studierenden dar." Der Studentenbund schlägt stattdessen in der Petition vor, das Zweite Staatsexamen ersatzlos zu streichen.

Entscheidung muss bis 12. April fallen

Die Uni Würzburg begrüßt, dass in Bayern nun Klarheit und Planbarkeit für Studierende und Universität geschaffen wurde. "Jetzt können die Anstrengungen darauf konzentriert werden, dass das Praktische Jahr gut organisiert beginnen und die Ausbildung während des PJ auch unter den schwierigen Rahmenbedingungen der Corona- Pandemie in gewohnt hoher Qualität erfolgen kann", sagt Uni-Pressesprecherin Esther Knemeyer Pereira auf Anfrage dieser Redaktion. Die Medizinische Fakultät setze - wie die gesamte Uni - alles daran, um digitale Lehre so anzubieten, dass das Semester ohne Einschränkungen durchgeführt werden kann.

"Aber es kümmert auch niemanden und niemand hört zu. Ich fühle mich im Stich gelassen."
Sarah H., Medizinstudentin aus Würzburg

Bis zum 12. April müssen sich die Studierenden nun entscheiden, ob sie das PJ antreten. Fast ein Drittel überlege sich momentan noch, zu verweigern und sich abzumelden, weiß Sarah H.. Dabei haben sie keinerlei Entscheidungsgrundlage. "Noch wurde keine unserer gestellten Fragen an die jeweilige Heimatuniversität beantwortet", sagt sie. Besonders ärgere sie, dass ihrer Meinung nach keinem Politiker bewusst ist, dass viele Studierende so nach wie vor in der Luft hängen. "Aber es kümmert auch niemanden und niemand hört zu. Ich fühle mich im Stich gelassen."

 
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Kommentare
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  • Foka
    Ich kann das Gejammere der Studenten auch nicht verstehen. Nimmt man einen Azubi als Vergleich mit 3 1/2 Jahren Lehrzeit, so sind streng genommen 1 bis 1 1/2 Jahre -je nach Beruf- intensive Lehrzeit, die beiden anderen Jahre wird für die Firma gearbeitet. Der Lehrling muß schließlich für die Firma Geld verdienen. Hört man da etwas von Ausbeutung und dergleichen? Peinlich, das Ganze.
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  • jutta.noether@web.de
    Ich kann die Studenten verstehen.
    Es ist eine Sauerei.

    Bei allem Verständnis für die aktueller Situation (die haben die Studenten ja ebenfalls, wie man sieht), geht es einfach nicht, dass sie auf diese Weise ein ganzes weiteres Jahr als un-, oder bestenfalls schlecht bezahlte Arbeitstiere benutzt werden.
    Das hat nichts mit "Verwöhntheit" oder "Egoismus", oder was hier sonst noch so für Wertungen gefallen sind, zu tun.
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  • Doedi.wue
    Da werden die gepeinigten Medizinstudenten noch ein Jahr warten müssen,bis sie in Oberarztmanier mit wehendem Kittel und Stethoskop um den Hals gelegt,tiefsinnig schauend,durch die Klinikgänge schlurfen dürfen.Wem die gebotenen Bedingungen nicht passen,hätte sich als Angestellter eines Betriebes nach dem Abitur bewerben können,da hätte man gegen 18:00 Dienstschluss.Daß der Studentenbund die ersatzlose Streichung des „Zweiten Examens“ fordert ist eine Frechheit.Noch nie gab es eine so große Anzahl unfähiger Medizinstudenten wie heutzutage,so daß ein Professor der Uni Würzburg sich zu dem Ausspruch hinreißen ließ:“Ich bilde diese Mediziner zwar mit aus- bete aber zu Gott nie krank zu werden,um nicht in die „heilenden Hände“ dieser Stümper zu geraten“! Also bitte den Ball flacher halten-erst sollte in diesem Beruf der Patient und dann das eigene Ego kommen.Beruf kommt von Berufung!
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  • Doedi.wue
    Das Jammern und das peinliche nach Begründungen Suchen der angehenden Mediziner schreit zum Himmel. Noch nie gab es soviel unfähige Jungmediziner wie heutzutage.Daß sie ein Jahr länger lernen sollen tut vor allem den Patienten gut.Das,nach Oberarztmanier mit dem Stethoskop um den Hals hängend „ nachdenklich und angeblich vielbeschäftigt,durch die Klinikgänge Schlurfen, machen sie sich noch früh genug zu eigen.Wenn diese Studenten akzeptable und geordnete Bedingungen fordern,wäre es für sie angebrachter gewesen sich um eine Anstellung im Einzelhandel zu bemühen- da hätten sie gegen 18:00 dienstfrei! Nachdem ,wie man in unserer Zeit feststellen muß,daß auf Grund des“Wettkampfes unter den Gymnasien“den Studierwilligen für Medizin das Abi geradezu geschenkt wird,ist es eine bodenlose Frechheit seitens des Studentenbundes die ersatzlose Streichung des Zweiten Examens zu fordern.Nur nicht krank werden,muß der gut gemeinte Rat an alle Bürger lauten,denn gute Ärzte sind rar geworden!
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  • kgeorg
    Sicher keine einfache Situation - übrigens für niemanden. Dennoch finde ich die Statements der Studenten nur peinlich. Sie sollten sich mal fragen, warum sie diesen Beruf erlernen (hoffentlich nicht nur wegen der überdurchschnittlichen Bezahlung)
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  • rw60
    Was soll an den Aussagen der Studenten peinlich sein? Peinlich ist nur sein solcher Kommentar, voll von "keiner Ahnung" und Neid.
    Auch das vorgezogenen Praktikum (PJ) ist erst nach dem Prüfungstermin. Bei allen Bundesländer, außer den 2 vom Süden, kann die Prüfung stattfinden.
    Ein Raumproblem kann es nicht sein -- die Unis sind z.Z leer.
    Die "überdurchschnittliche Bezahlung" wird auch in anderen Ländern geboten; auch mit z.T. besseren Rahmenbedingungen.
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