Bayern will die Corona-Tests deutlich ausweiten – von derzeit etwa 20 000 auf 30 000 täglich. Nach Beschluss des Kabinetts dürfen sich seit 1. Juli Bürger im Freistaat auch ohne Symptome testen lassen. Rund 200 Millionen Euro sollen dafür in diesem Jahr bereitgestellt werden. Der bayerische Sonderweg ist unter Experten und in der Politik umstritten. Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Jeder Bürger mit Wohnsitz in Bayern kann sich einem Test unterziehen – auch ohne konkrete Symptome. Für Touristen oder andere Bundesbürger ist das Angebot nicht gedacht. Ausnahmen sind laut Gesundheitsministerium aber denkbar – etwa in Fällen häufiger beruflicher Tätigkeit in Bayern.
Am besten beim Hausarzt als erstem Ansprechpartner. Die Corona-Tests sollen Kassenärzte in ihren Praxen durchführen. Laut Gesundheitsministerium besteht dazu aber keine Verpflichtung. Falls Ihr eigener Hausarzt nicht testet, fragen Sie ihn nach einer Kollegin/einem Kollegen, die sie um einen Termin bitten können. Gesundheitsministerin Melanie Huml geht von einer guten Beteiligung aus. Bei Problemen wolle man eine Liste von Ärzten zusammenstellen, die Corona-Tests durchführen. Nicht zuständig sind die Gesundheitsämter, bitte rufen Sie nicht bei einem Bürgertelefon an.
In den Hausarztpraxen ist dies wie bei anderen Untersuchungen abhängig von der Terminvereinbarung. Die Testergebnisse sollen nach einer Anlaufphase laut Ministerpräsident Markus Söder innerhalb von 48 Stunden vorliegen. Vorrang haben Verdachtsfälle mit Symptomen. Für sie gibt es laut Söder eine Garantie: Test innerhalb von 24 Stunden, Ergebnis innerhalb von weiteren 24 Stunden.
Das dürfte für die Hausärzte schwierig werden. Es sei eine Frage der Laborkapazität, außerdem würden die Proben in den Praxen nur einmal am Tag abgeholt, gibt Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) als Vorsitzender des unterfränkischen Hausärzteverbandes zu bedenken. "Auch ist es fast unmöglich, solche Tests bei symptomatischen Patienten ständig durchzuführen." Der Arzt müsse dazu spezielle Schutzkleidung tragen. Die meisten Ärzte trennen in ihren Praxen gesunde Patienten von solchen, die eventuell eine Sars-Cov-2-Infektion haben könnten, um niemanden zu gefährden. Heißt: Die Behandlung und Testung dieser Patienten kann nur zu bestimmten Zeiten in einer Praxis stattfinden.
Es könnte eng werden. Eigentlich "benötigen wir nicht viel. Es ist nur ein steriler Abstrichtupfer", erklärt Allgemeinarzt Pfeiffer. Allerdings waren diese zur Zeit der ersten Corona-Welle Mangelware. Und auch jetzt können die Labore nicht unbeschränkte Mengen zur Verfügung stellen. Außerdem müssen in den Praxen immer Testkits für Patienten mit Symptomen vorgehalten werden, "denn da ist ein Test absolut notwendig und sollte rasch durchgeführt werden können", sagt Christian Pfeiffer.
Nein. Zu bezahlen ist nichts. Wenn die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, trägt sie der Freistaat. Er hat eine Vereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung (und damit den Ärzten) abgeschlossen und rechnet mit ihr ab.
Bei einem Test aufgrund von coronatypischen Symptomen werden die Kosten normalerweise von den Krankenkassen getragen.
Nein, Antikörper-Tests sind nicht Bestandteil des Testkonzepts. Sie sind eine Privatleistung. Laut Johann Löw, Leiter des Gesundheitsamtes für Stadt und Landkreis Würzburg, sind "Antikörpertests derzeit medizinisch noch nicht ausgereift" und daher nicht in der Breite verfügbar.
Hierfür hat die Staatsregierung keine Obergrenze festgelegt. Allerdings seien ständige Tests nicht sinnvoll, warnt Allgemeinmediziner Christian Pfeiffer. Wichtig sei, sich stets so zu verhalten, dass man das Infektionsrisiko klein hält, sprich: auf Abstand achten, Mund-Nasen-Bedeckung tragen und Hygiene-Regeln einhalten.
Vorsicht: Manche Corona-Teststrecken sind derzeit wieder geschlossen, seit 1. Juli etwa beide Einrichtungen in Würzburg. Andernorts sind Tests nur nach Terminvereinbarung durch Hausarzt oder die Kassenärztliche Vereinigung möglich. Die Teststrecke in der früheren Schweinfurter Ledward-Kaserne ist noch geöffnet, "aber bitte fahren Sie nicht einfach ohne Anmeldung hin", heißt es aus dem Gesundheitsamt. In der Teststelle der Würzburger Uniklinik sind keine Gratistests möglich, weil die Kostenübernahme nur mit Kassenärzten vereinbart ist.
Nein, die Vorschriften gelten auch dann uneingeschränkt weiter. „Auch ein negativer Test ist nur eine Sicherheit für einen kurzen Moment und beugt einer eventuellen späteren Ansteckung nicht vor“, betont der Würzburger Gesundheitsamtsleiter Johann Löw.
Ja. Für Lehrer und sonstiges Unterrichtspersonal sollen innerhalb der ersten vier Wochen des neuen Schuljahres einmalige Reihentests durchgeführt werden. In den Kitas soll bereits im Juli damit begonnen werden. Die Teilnahme an den Tests ist freiwillig, die Kosten trägt der Freistaat. Organisiert werden sie durch die Kita- und Schulleitungen und das Gesundheitsamt.
Ja. Für Mitarbeiter der sogenannten "kritischen Infrastruktur" wie Polizei und Justizvollzug. Auch können Reihentests bei Bedarf angeordnet werden, zum Beispiel für Schlachthöfe oder landwirtschaftliche Betriebe mit Saisonarbeitern. In Kliniken und Altenheimen sollen das Personal regelmäßig, Heimbewohner stichprobenartig und Patienten bei der Aufnahme und/oder während des Aufenthalts getestet werden.
Experten wie der Infektiologe August Stich, Chefarzt an der Würzburger Missio-Klinik, warnen vor einer trügerischen Sicherheit in der Bevölkerung. Ein einmaliger Test sei nur eine Momentaufnahme. Stich vermisst ein schlüssiges Konzept für die Massentests. Man kann sich ja sofort nach einem Test anstecken.
Das ist fraglich, weil sie nicht systematisch durchgeführt werden. Dafür müssten alle Tests dokumentiert und ausgewertet werden, mahnt Georg Ertl, Ärztlicher Direktor der Würzburger Uniklinik.
Wenn ich Symptome habe, ok. Wenn ich Kontakt mit einem Verdachtsfall oder einem Infizierten hatte, ok. Wenn ich im Gesundheitswesen, in der Gastronomie, in der Kinderbetreuung, in der Schule oder sonstwo arbeite, wo ich zum „Superspreader“ werden kann und/oder eine Bedrohung für Risikopatienten darstelle, ok.
Aber nur, weil mir danach ist, soll ich und jeder andere (mehrfach) einen sündteuren Test machen können, der eigentlich schon seine Aussagekraft verloren hat, noch bevor mir das Testergebnis vorliegt?
Wo ist der Nutzen?
Nutzen und Sinn? Rechnen Sie doch mal nach:
30.000 Tests pro Tag bedeutet 900.000 Tests im Monat.
Einwohner Bayerns ca 13 Millionen! 13.000.000 : 900.000 = ???
Wann wäre der letzte dran?
Soviel zum Thema Sinn und Nutzen !
Professor Ulrich Vogel, Leiter der Stabsstelle Krankenhaushygiene an der Uniklinik Würzburg, hat dazu folgende Erklärung:
"Patienten können nach durchstandener Covid-19 Infektion über Wochen weiterhin positiv getestet werden. Mittlerweile verdichten sich die Hinweise, dass bei ansonsten gesunden Patienten diese positiven Testergebnisse nicht mehr mit einer Ansteckungsfähigkeit einhergehen. Vielmehr wird möglicherweise noch über Wochen nicht mehr ansteckungsfähige Viruserbsubstanz freigesetzt, die dann mit den Testverfahren nachgewiesen wird."
Bei positiven Coronatest ist die Erkrankung bzw. der Erstkontakt mit dem Virus also möglicherweise schon vor Wochen gewesen. Trotzdem muss man dann für zwei Wochen in Quarantäne, weil man nicht weiß, in welcher Phase man gerade steckt, mit allen persönlichen Konsequenzen. Nicht sehr verlockend.
Aber vielleicht sollten wir einfach alle etwas weniger an uns und ein wenig mehr an die anderen denken …
Währe Ihnen ein Vorgehen ala Trump lieber?
Wenn nix getestet wird, bleiben die Zahlen schön niedrig. Scheißegal, wieviele Untertanen abkratzen. Hauptsache der POTUS steckt sich nicht an.
(Das ist evtl. nicht bekannt: Trump hält Masken ja eigentlich für sinnlos. Aber wer in seine Nähe kommt, hat gefälligst eine zu tragen.)
Das Testergebnis zeigt, ob der Patient ZUM ZEITPUNKT DER PROBENENTNAHME mit dem Virus infiziert war. Ob man in der Vergangenheit infiziert war und mittlerweile immun gegen das Virus ist, kann mit einem PCR-Test nicht nachgewiesen werden. Dafür braucht es einen speziellen Antikörpertest. Hier wird kein Rachenabstrich gemacht, sondern aus der Fingerkuppe ein Tropfen Blut entnommen. Gemessen wird bei dem Test nicht das Virus, sondern seine Antikörper. Sie werden vom Immunsystem erst etwa zehn Tage nach einer Infektion gebildet. Deshalb kann mit diesen Tests keine aktive Infektion mehr nachgewiesen werden. Beste Grüße aus der Redaktion!
Der Antikörpertest spricht – wie der Name auch sagt – auf die vom Körper gebildeten Antikörper an. Diese bleiben länger nachweisbar, werden aber frühestens ca. 1 ½ Wochen nach der Infektion gebildet. Taugt also nicht für akute Infektionen und kann nur nachweisen, ob zu einem früheren Zeitpunkt schon ein eine Infektion stattgefunden hatte.