Wie sieht es im Coronajahr mit der Notengerechtigkeit aus? Ist sie angesichts der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen der daheim lernenden Schüler überhaupt herstellbar? Und was kann getan werden, um die Unterschiede zwischen jenen Schülern, die viel Unterstützung durch Eltern, eine gute digitale Ausstattung und engagierte Lehrer hatten, und jenen Schülern, denen es an Lernhilfen daheim gemangelt hat, auszugleichen? Das sind Fragen, die alle bayerischen Schüler betreffen – besonders aber jene, die gerade vor ihrer Abschlussprüfung stehen.
Schülersprecher: Müssen Verhältnisse nehmen, wie sie sind
"Wir sehen die jetzige Regelung für den diesjährigen Abiturjahrgang als sehr fair an", betont die unterfränkische Bezirksschülersprecherin Pauline Behnke, 11. Klasse, nach Gesprächen mit etlichen anderen Schülersprechern aus der Region. Zwar bestehe tatsächlich die Gefahr, dass keine gleichen Bedingungen bezüglich der digitalen und technischen Ausstattung der Schüler herrschten, dem hätten ihrer Kenntnis nach aber einige unterfränkische Schulen durch den Verleih von Tablets abgeholfen.
Eine andere Sichtweise hat der stellvertretende Bezirksschülersprecher Jan Knes-Wiersma aus der 12. Klasse, der selbst kurz vor den Abiturprüfungen steht. "Vergleichbarkeit ist in diesem Jahr einfach nicht gegeben“, stellt er fest. "Wir haben nicht alle die gleichen Chancen. Dafür war die Vorbereitung an verschiedenen Schulen zu unterschiedlich" Wie kann nach Meinung des Schülersprechers aus dem Kreis Main-Spessart mehr Notengerechtigkeit hergestellt werden? "Gar nicht. Wir müssen einfach die Verhältnisse so nehmen, wie sie jetzt sind und dankbar sein, dass es überhaupt weitergeht", sagt der Zwölftklässler.
Im bayerischen Kultusministerium sieht man auch im Coronajahr Notengerechtigkeit gewährleistet: "Wir wollen auch in diesem Schuljahr faire Bedingungen in den Abschlussprüfungen für alle Schülerinnen und Schüler und in deren Interesse die hohe Qualität der bayerischen Bildungsabschlüsse sichern", teilt Sprecherin Julia Kuntz mit. Um diesen Zielen gerecht zu werden, habe man einerseits für alle Schularten die Prüfungstermine verschoben, um entsprechend Lernzeiträume zu schaffen. Zum anderen seien Sonderregelungen bei den Prüfungen geschaffen worden: So könnten etwa in den Mittelschulen die Lehrer bei den schulhausinternen Prüfungen, die von den Schulen selbst erstellt würden, ihre Fragen auf den tatsächlich gehaltenen Unterricht ausrichten.
"In den Fächern mit zentralen Aufgabenstellungen ist in den Präsenzphasen verstärkt Unterricht zur Prüfungsvorbereitung vorgesehen", erklärt Kuntz weiter. Die – sonst vier Wochen dauernde – Projektprüfung finde zwar statt, sei aber in organisatorisch verkürzter Form möglich. Einzelne Lehrer aus Unterfranken hatten angeregt, die Projektprüfung in diesem Jahr ausfallen zu lassen.
Kultusministerium: Leistungsmessungen sind im Coronajahr reduziert
Für die Abschlussschüler an den Realschulen sei die Zahl der geforderten Leistungsmessungen im letzten Teil des Schuljahres auf ein Minimum begrenzt worden, betont Kuntz weiter. Für Abiturienten stünden nach der Schulwiedereröffnung sogar überhaupt keine verpflichtenden Leistungsnachweise mehr auf dem Programm. Sie profitierten von der "Günstigerregelung", die Zwölftklässlern erlaube zu wählen, ob ihre Noten fürs zweite Halbjahr der 12. Klasse aus den bis zu den Schulschließungen erbrachten Leistungen gebildet werden sollten oder aus einer Hochrechnung der Note aus den Ergebnissen der drei zuvor abgeleisteten Halbjahre. Kuntz betont: "Die Zulassung zur Abiturprüfung sowie die Zuerkennung der Allgemeinen Hochschulreife erfolgt auch dann, wenn die üblichen Zulassungshürden aufgrund der Leistungen im Ausbildungsabschnitt 12.2 nicht erfüllt sind". Die Sprecherin des Kultusministeriums bestätigt allerdings, dass auch im Coronajahr Bayerns Schüler bei mangelnder Leistung durchfallen können – der Ausnahmesituation zum Trotz.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verweist darauf, dass Notengerechtigkeit schon zu "normalen" Zeiten eine Vision sei und nie Realität, weil die Schüler zu allen Zeiten unterschiedliche Unterstützung beim häuslichen Lernen hätten. Im Coronajahr kann es nach Ansicht von Elke Hahn, der Geschäftsführerin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern, nur "Schadensbegrenzung" geben, indem "auf alle Leistungsnachweise seit der Schulschließung im März" verzichtet wird, und die Noten aus den bisher gezeigten Leistungen errechnet werden. Deshalb fordert die GEW: "Durchfallen darf es in dieser Situation nicht geben!". Auf Nachfrage teilt das Kultusminsterium mit, dass aktuell geprüft werde, ob es für Schüler von Klassen, die keine Abschlussklassen besuchen, im Fall von unzureichenden Jahresleistungen heuer ein generelles Vorrücken auf Probe geben könne.