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Würzburg
Corona-Kritiker: Mit dubiosen Attesten gegen Maskenpflicht
Sie wehren sich gegen verordnete Einschränkungen und die Mundschutz-Pflicht. Dafür nutzen "Corona-Rebellen" in der Region auch Atteste – mit Unterstützung einzelner Ärzte.
Mitte Mai auf den Mainwiesen in Würzburg: Selbsternannte Corona-Rebellen demonstrierten gegen die Pandemie-Maßnahmen der Regierung – unter anderem gegen die Maskenpflicht.
Foto: Silvia Gralla | Mitte Mai auf den Mainwiesen in Würzburg: Selbsternannte Corona-Rebellen demonstrierten gegen die Pandemie-Maßnahmen der Regierung – unter anderem gegen die Maskenpflicht.
Andreas Jungbauer
 und  Moritz Baumann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:58 Uhr

Sie halten die Coronakrise für eine von Politik und Medien betriebene Panikmache, die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für überzogen und sehen sich ihrer Freiheitsrechte beraubt: Selbsternannte "Corona-Rebellen", die seit Wochen auch im mainfränkischen Raum zu Kundgebungen aufrufen.

Besonders schlecht sind die Corona-Kritiker auf den vorgeschriebenen Mund-Nase-Schutz zu sprechen. Viele von ihnen nennen die Maske einen "Maulkorb", den die Staatsregierung der Bürgern aufzwinge. Sie zweifeln die Wirksamkeit an, obwohl diese von immer mehr Studien bestätigt wird.

Corona-Rebellen machen Werbung für Blanko-Atteste

Auf den Demos, die seit Mitte April vor allem in Würzburg, Schweinfurt und Bad Kissingen stattfinden, trägt kaum ein Teilnehmer eine Maske. In öffentlichen Gruppen auf Telegram, einem digitalen Nachrichtendienst ähnlich dem Marktführer WhatsApp, über den sich die Protestbewegung organisiert, werben die Organisatoren und Administratoren aktiv dafür, sich per Attest von der leidigen Maskenpflicht zu befreien. Tenor: "Wer Angst vor Corona hat, der soll zuhause bleiben."

Besonders aktiv ist ein Wortführer der Demonstranten in Bad Kissingen. Immer wieder verweist er auf eine Ärztin aus dem Rhein-Neckar-Kreis, die er nach eigenen Angaben seit acht Jahren kennt. Sie stelle – bei angeblichen Atembeschwerden – per Mail ein ärztliches Attest zur Maskenbefreiung aus. Der Tipp stößt auf große Resonanz. Aus den Chatverläufen, die dieser Redaktion vorliegen, geht hervor, dass viele Nutzer davon Gebrauch machen und das Attest zum Beispiel in Supermärkten verwenden. 

Der Versuch funktioniert: Innerhalb von zwei Tagen liegt den Autoren dieses Beitrags ein persönliches Attest aus der Arztpraxis vor – ohne den "Patienten" gesehen oder untersucht zu haben. Der Mundschutz, heißt es darin, sei "aus medizinischen Gründen kontraindiziert" und das "Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unzumutbar". Fünf Euro sind dafür auf das Konto der Ärztin zu überweisen. Fragen zu ihrer zweifelhaften Attestpraxis beantwortet sie bis Redaktionsschluss nicht.

Der baden-württembergischen Landesärztekammer stößt derlei Großzügigkeit bei Attesten sauer auf. Auf Anfrage verweist Pressesprecher Tobias Langenbach auf die Berufsordnung. Ärzte müssten beim Ausstellen von Gutachten und Zeugnissen "alle nötige Sorgfalt" walten lassen. "Der direkte Austausch von Arzt und Patient ist dafür unabdingbar." Das Ausstellen eines Blanko-Attests ohne vorheriges Arztgespräch entspreche nicht der ärztlichen Sorgfaltspflicht.

Ärztin droht ein Ermittlungsverfahren

Als Berufsaufsicht kann die Ärztekammer nach Eingang einer Anzeige oder bei einem Anfangsverdacht ein Ermittlungsverfahren durch den Kammeranwalt einleiten. Damit muss besagte Ärztin nun rechnen. Denn ihre Fünf-Euro-Atteste stoßen in den sozialen Medien mittlerweile auch auf Kritik und Ablehnung. Anzeigen wurden angekündigt. 

Auch die Bayerische Landesärztekammer verweist darauf, dass gemäß der Berufsordnung ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt zwingend ist. Eine Behandlung dürfe nicht "ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien" erfolgen. Ausnahme: "Der Patient mit seiner medizinischen Vorgeschichte ist dem Arzt bereits bekannt." Bei einem Verstoß könne der zuständige Bezirksverband eine Rüge mit Geldbuße verhängen. Noch aber seien der Bayerischen Landesärztekammer keine Beschwerden wegen missbräuchlich ausgestellter Mundschutz-Atteste bekannt, heißt es auf Anfrage.

Hessischer Urologe als Verschwörungstheoretiker

Dass es noch dreister geht, zeigt ein Urologe aus dem hessischen Trendelburg. Er spricht von "Corona-Hoax" (Schwindel) und einem "epidemiologischen Schwachsinn" – und davon, dass Deutschland noch immer unter Besatzung der Alliierten stehe. Als medizinischer Anwalt von Verschwörungstheoretikern lässt er seinen kruden Thesen in eigenen Kanälen auf YouTube und Telegram freien Lauf. Und er hat ein Mundschutz-Blanko-Attest zum Selbstausfüllen ins Netz gestellt. Es wird auch von mainfränkischen "Corona-Rebellen" rege verbreitet. 

Pandemiebekämpfung durch Schutzmasken

Über die Wirksamkeit von Schutzmasken wurde kontrovers diskutiert – auch weil zunächst kaum Forschungsergebnisse vorlagen. Mittlerweile empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Tragen der Maske an öffentlichen Orten, beispielsweise in Bussen und Geschäften, und stützt sich dabei auf eine selbst in Auftrag gegebene Meta-Studie. Dafür werteten Forscher 172 bereits veröffentlichte Studien aus. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein Mund-Nasen-Schutz das Infektionsrisiko um mehr als 80 Prozent senken kann: Ohne Mund-Nase-Schutz betrug das absolute Infektionsrisiko in den Studien 17,4 Prozent, mit Mund-Nase-Schutz fiel es auf 3,1 Prozent.
  • Die Meta-Studie im Original
Ein deutsches Forscherteam hat die Stadt Jena, wo sehr früh eine Maskenpflicht eingeführt wurde, genauer unter die Lupe genommen. In ihrem Diskussionspapier, das zunächst nicht von anderen Wissenschaftlern begutachtet wurde, heißt es, im Vergleich zu anderen Städten und Landkreisen hätten sich in Jena im Tagesvergleich 60 Prozent weniger Bürger nachweislich mit Covid-19 infiziert.
Laut einer Studie aus China schützt der Mundschutz auch im eigenen Haushalt vor Ansteckung. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion ist demnach rund 80 Prozent geringer, wenn ein krankes Familienmitglied - schon bevor die ersten Symptome auftreten - eine Maske trägt.
Hinweise der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Meta-Analyse der Weltgesundheitsorganisation
Quelle: u.a. WHO, Bundesregierung
 
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  • L. W.
    Den Herren Xavier Naidoo, Attila Hildmann und

    anderen "Supergeleerten" wird halt von einem Teil der Bevölkerung mehr geglaubt als seriösen Wissenschaftlern.

    Warum das so ist, ist genauso dubios wie das Wahlverhalten in den Neuen Bundesländern mit einem Viertel der Wähler für eine Nazipartei.
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  • J. N.
    Nicht jeder, der so ein Attest erhält, ist ein "Coronagegner", Betrüger oder sonst was dieser Art. Es gibt Personen, die können aus gesundheitlichen oder, ja, auch aus psychischen Gründen keine Maske tragen.
    Also bitte scheren Sie nicht alle über einen Kamm!

    P.S.: Ich trage meine Maske.
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  • V. C.
    Der Ärztin gehört die Zulassung entzogen. Sie hat sich als unwürdig zur Ausübung des Arztberufes erwiesen. Sie hat sämtliche Sorgfaltspflichten verletzt und prostituiert sich mit Gefälligkeitsattesten. Soll sie halt als Heilpraktikerin oder Wunderkerzenverkäuferin weitermachen.
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  • H. M.
    Der Kläger muss nachweisen!
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  • G. K.
    Hm … hatte eigentlich gehofft, dass dieser Quatsch mit der „Nutzlosigkeit“ des Mund-Nasenschutzes spätestens seit dem Artikel https://www.mainpost.de/ueberregional/politik/brennpunkte/masken-haben-zehntausende-corona-ansteckungen-verhindert;art112,10457753 erledigt wäre …

    Aber da sind sie wieder, die ultraharten Realitätsverweigerer, die den Sinn der Hygienemasken trotz empirischer Fakten immer noch nicht anerkennen.

    Und ich dachte immer, das Phänomen der alternativen Fakten verfängt nur bei geistig unterbelichteten Nordamerikanern … aber ignorante Sturköpfe, die aus ihrer Filterblase nicht mehr herauskommen, gibt es anscheinend auch bei uns zur Genüge …

    Vielleicht sollten wir dann doch noch einmal über die Qualität unseres Bildungssystems nachdenken … ?
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  • J. G.
    Freilich ist es nicht Sinn der Sache, dass ein Attest per Handauflegen ausgestellt wird. Aber andererseits konnte bis vor ein paar Wochen ein Attest bei Erkältungen telefonisch ohne Arztkontakt angefordert werden. Auch wenn man keinem was unterstellen will, ich möchte nicht wissen, wieviele das genutzt haben, obwohl sie nichts hatten. Die Regelung hat quasi zum "Krankmachen" eingeladen. Von den gesetzlich Versicherten ist das meist der Pauschale für das Quartal abgegolten. So gesehen, werden die Kassen nicht groß belastet. Bei Privat sieht das anders aus: Bei direkter Vorstellung kann der Arzt jedesmal zusätzlich eine Pauschale von knapp 15 Euro für besondere Hygienemaßnahmen wg. Corona berechnen. Das vielleicht mal dazu.
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  • T. M.
    Falls es den Damen und Herren hier noch nicht bekannt ist: es gibt bereits Länder in Europa die das tragen des Mundschutzes nur noch empfehlen! In diesen Ländern gibt es keine zweite Welle als auch kein signifikanter Anstieg der Ansteckungszahlen! Und jetzt?
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  • H. E.
    Und diese Ärzte laben keine Berechtigung sich aus dem Topf der Kassen damit zu bedienen! Sie haben einen Eid geschworen! Diesen brechen sie!
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  • H. E.
    Ich würde jedem der ein solches Attest als Begründung liefert, keinen Mundschutzvin einem Geschäft zu tragen einfach des Geschäftes verweisen!
    Ich möchte mich als Kunde auch nicht einem potentiellen Risiko aussetzen!
    Alle Geschäfte und Einrichtungen sollten das so machen!
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  • H. E.
    Es sind Regeln, die gilt es einzuhalten! Fakt! Wer sich nicht daran halten möchte kann doch daheim in seinen vier Wänden bleiben und die Bevölkerung so von ihm und den Diskussionen verschonen!

    Und eine Artzt der dieses Spiel mitmacht, der hat als Artt auch nichts verloren!
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  • N. K.
    Klopapier müsste ja noch genug da sein
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  • H. M.
    hentinger können Sie da einsehen.

    https://www.worldometers.info/coronavirus/

    USA 2.552.956
    Brazil 1.280.054
    Russia 620.794
    India 509.444 usw.

    Warum beziehen Sie diese Zahlen nicht in Ihren Überlegungen mit ein?

    So sehr ich Ihre Haltung bez. Windräder schätze, aber hier kommen wir nicht zusammen.
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    Der Mundschutz ist der größte Blödsinn. Warum sind wir bis Ende April ohne ausgekommen. Nur noch Spanien verlangt diesen Blödsinn.
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  • I. L.
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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  • G. K.
    Als ob Ärzte grundsätzlich unfehlbar wären.

    Die einen bedienen halt – auf lukrative Weise - eine Nachfrage, die anderen machen es vielleicht aus Überzeugung.

    Ärzte sind vor Irrtümern nicht gefeit. Das zeigen schon die weit über 20.000 Todesopfer durch Behandlungsfehler … pro Jahr, wohlgemerkt.

    Es wäre im Gegenteil extrem überraschend, falls sich in der Ärzteschaft signifikant weniger ignorante Dödel fänden als im Rest der Bevölkerung …
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  • T. M.
    Fischers Fritz
    Also an einem Behandlungsfehler zu sterben ist momentan ca 3 mal höher als an oder mit Corona zu sterben? Was ist dann gefährlicher: ein Besuch beim Arzt oder das Nicht tragen eines Maulkorbs bei momentan 4 Infizierten in Würzburg?
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  • T. N.
    Wieso, souldream.Es gibt auch Ärzte die unterstützen die Krankschreibung mit angeblich psychischen Problemen und schon hat man keine Probleme mehr um weiterhin bestimmte Mittel vom Staat zu beziehen.
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  • P. S.
    So ein "kurzer Prozess" wurde in der deutschen Geschichte schon zweimal mit unliebsamen Ärzten gemacht. Die Begründungen waren damals sehr ähnlich...
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  • H. A.
    Mit solchen Ärzten gehört kurzer Prozess gemacht in dem am ihnen mit sofortiger Wirkung die Approbation lebenslang entzogen wird. Die sind eine Schande für die ganze Branche.
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