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Würzburg
Corona-Impfung bei Kindern: Das sagen Würzburger Kinderärzte
Wie groß ist in Würzburg das Interesse an den Impfungen für Kinder ab 12 Jahren? Was ist der Nutzen? Wo liegen die Risiken? Wir haben bei Kinderärzten nachgefragt.
Mit dem Serum von Biontech/Pfizer: Hausärzte haben auch in Würzburg begonnen, Kinder und Jugendliche gegen das Coronavirus zu impfen.
Foto: Oliver Berg/dpa | Mit dem Serum von Biontech/Pfizer: Hausärzte haben auch in Würzburg begonnen, Kinder und Jugendliche gegen das Coronavirus zu impfen.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:48 Uhr

Seit die EU-Kommission den Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen hat, laufen die Drähte in vielen Kinderarztpraxen heiß. "Das Interesse ist groß. Wir haben viele Beratungsgespräche zum Thema Corona-Impfung", erzählt der Würzburger Kinderarzt Dr. Wolfgang Brosi.   

Anders als bei Erwachsenen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) nicht allen Kindern und Jugendlichen die Impfung, sondern bezieht insbesondere Risikofaktoren mit ein. Das findet Brosi wichtig, denn noch sei die Datenlage, was die Nachbeobachtungszeit von geimpften Kindern angeht, nicht allzu hoch. 

Wie Professor Dr. med. Johannes Liese, Oberarzt an der der Kinderklinik der Universität Würzburg und Spezialist für pädiatrische Infektionen und Immunologie, erklärt, gebe es drei verschiedene Bereiche, für die eine Impfempfehlung ausgesprochen wird. Zum einen für Jugendliche, die selbst vorerkrankt sind und ein erhöhtes Risiko haben schwer an Corona zu erkranken, beispielsweise durch eine Lungen- oder Herzerkrankung. Zum anderen auch für Jugendliche, die zuhause mit Menschen zusammenleben, die ein erhöhtes Risiko haben, zum Beispiel durch ihr höheres Alter oder eine Erkrankung.

"Weiter wird die Impfung auch empfohlen, wenn Jugendliche in Bereichen arbeiten, in denen sie der Gefahr durch das Virus in besonderer Weise ausgesetzt sind, wie etwa Praxishelfer", so Liese, der auch an der groß angelegten Corona-Studie in Würzburger Kinderbetreuungseinrichtungen "Wü-KiTa-CoV" federführend beteiligt war. 

Abwägen im Einzelfall ist wichtig

Eine Abwägung im Einzelfall hält der Oberarzt für absolut wichtig. Dabei gebe es auch die Möglichkeit für individuelle Entscheidungen. Beispielsweise, wenn bei einem Kind durch ein bevorstehendes Ferienlager die Angst vor der Infektion groß ist. "Auch da würde ich eine Impfung durchaus befürworten." Kinder und Jugendliche hätten in den vergangenen Monaten große Entbehrungen hinnehmen müssen, "gerade, was die so wichtigen sozialen Kontakte angeht". Da sollte ihnen die Möglichkeit gegeben werden, wieder an Aktivitäten teilzunehmen, was nicht heißt, dass Liese eine "reine Urlaubsimpfung" befürwortet. Die Immunreaktionen auf die Impfung könnten bei jüngeren Menschen allerdings nochmal stärker ausfallen als bei Erwachsenen, informiert er. 

Prof. Dr. Johannes Liese von der Universitäts-Kinderklinik, hier bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Covid-Studie in Kinderbetreuungseinrichtungen. 
Foto: Silvia Gralla | Prof. Dr. Johannes Liese von der Universitäts-Kinderklinik, hier bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Covid-Studie in Kinderbetreuungseinrichtungen. 

"Wir sollten uns einfach jeden Fall einzeln anschauen und dann entscheiden, ob eine Impfung ratsam und sinnvoll ist", sagt auch Brosi. Klar befürwortet der Kinderarzt- und Kardiologe, dass Kinder mit hohen Risikofaktoren geimpft werden. "Ein schwerer Verlauf von Covid-19 sollte ihnen erspart bleiben." Ein wichtiges Anliegen sei ihm auch anzusprechen, dass adipöse Kinder ein erhöhtes Risiko haben. Oft wollten Eltern und Betroffene leider nicht wahrhaben, dass Übergewicht ausreiche, um schwerer zu erkranken. "Dafür will ich sensibilisieren", sagt er.

Stetiger Austausch mit den Eltern   

So stehen er und seine Frau, mit der er die Praxis führt, in stetem Austausch mit den Eltern und Jugendlichen. Klar ist aber auch: Zu einer Impfung überredet wird keiner. "Über die Jahre hinweg haben wir mit den Eltern und Kindern ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und tauschen uns aus. Wir nehmen ihre Sorgen und Befürchtungen sehr ernst."  Was Impfungen für die unter Zwölfjährigen angeht, zeigt der Kinderarzt sich skeptisch. "In der Regel ist der Verlauf von Corona bei kleineren Kinder eher leicht und oft auch asymptomatisch. Da ist ein Abwägen zwischen Risiko und Nutzen einer Impfung nochmal größer, zumal die Datenlage noch nicht optimal ist." Noch sei aber für diese Gruppe der Impfstoff gar nicht zugelassen.        

Mehr Verwaltungsaufwand für die Kinderärzte

Brosi ist sehr dankbar, dass er in Pandemiezeiten als Kinderarzt seinen Beitrag leisten kann und impfen darf. Auch, wenn es natürlich ein Verwaltungsaufwand ist, die Impfungen zu organisieren, wie er zugibt. "An zwei Tagen in der Woche haben wir Zeitfenster extra für die Impfungen eingerichtet, so können wir zwischen 40 bis 50 Kinder in der Woche impfen", erzählt er. 

Auch in der Kinderarztpraxis von Dr. Roland Metzner gibt es von Seiten der Eltern viel Rede- und Aufklärungsbedarf rund um die Corona-Impfung. Prinzipiell ist der Mediziner froh, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer auch für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen wurde, dennoch sei das Thema sehr komplex. Als Neuropädiater, der speziell auf die Entwicklung und Erkrankungen des Nervensystems von Kindern spezialisiert ist, hat er auch neurologischen Störungen im Blick, die durch eine Infektion mit dem Coronavirus verschlimmert werden könnten.

"Aber auch das Umfeld der Kinder darf nicht komplett außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel, wenn das Kind mit Personen in einem Haushalt lebt, die aufgrund von Krankheiten gefährdeter sind oder deshalb nicht geimpft werden können", erklärt Metzner. Eine Mutter, die immunsuppressiv behandelt wird und somit das Immunsystem geschwächt ist, könne beispielsweise auch die Impfung des Kindes erforderlich machen.

Wie denken Jugendliche? 

Die 15-jährige Gymnasiastin Lisa sieht die Impfung bei Jugendlichen noch ein bisschen skeptisch: "Ich habe für mich entschieden, erst nochmal abzuwarten und zu schauen, wie sich die Datenlage  rund um den Impfstoff entwickelt." Sie habe ja ihre ganze Zukunft noch vor sich, "da bin ich lieber vorsichtiger", so die Schülerin.      

Die 16-jährige Julia würde sich indes gerne impfen lassen. Die Sehnsucht sei groß, sich endlich wieder ohne Angst mit Gleichaltrigen zu treffen und wieder mehr Freiheiten zu haben, schildert sie. Durch Gespräche mit anderen Personen sei sie aber nochmal verunsichert worden. "Jetzt lasse ich mir das Für und Wider nochmal durch den Kopf gehen."      

 
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  • Inschenioer
    Für Hintergründe und ausführliche Informationen zum Thema Kinder gegen Covid-19 impfen empfiehlt sich:

    https://www.ndr.de/nachrichten/info/91-Die-Pandemie-der-Impfstoff-und-die-Kinder,audio899996.html

    Da kommt auch jemand aus der Stiko zu Wort und erklärt einige Details. Der Podcast ist noch aus der Zeit vor der Stiko Entscheidung.

    Noch ein Hinweis: für mich klingt der Satz

    „ Anders als bei Erwachsenen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) nicht allen Kindern und Jugendlichen die Impfung, sondern bezieht insbesondere Risikofaktoren mit ein.“

    etwas missverständlich. Denn auch bei den Erwachsenen wird das Risiko einer Impfung gegen den Nutzen einer Impfung abgewogen. Ich weiß, sie wollen das nicht implizieren, aber es kann missverstanden werden. 🙂
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