Sie ist eine wertvolle, uralte Kulturpflanze, angebaut schon vor tausenden Jahren. Weil aber weibliche Blüten zu Marihuana und ihr Harz zu Haschisch verarbeitet werden können, hat Hanf – wissenschaftlich Cannabis– hierzulande einen schweren Stand.
Umso erstaunlicher, dass auf dem neuen Würzburger Uni-Campus gar nicht wenige Cannabis-Pflanzen gedeihen. Eine Plantage für den studentischen Eigenverbrauch?
Beim Familienspaziergang Cannabis-Pflanzen entdeckt
Eigentlich will Felix Weinrich mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern nur einen gemütlichen Spaziergang durch das Gelände des neuen Campus Nord machen – die ehemaligen Leighton Barracks. Dort ist mächtig was los: Die Landesgartenschau wird angelegt, neue Wohnhäuser schießen aus dem Boden, und auch auf dem Unigelände wird ordentlich umgebaut.
Gymnasiallehrer Weinrich möchte seinen Kindern die vielen Bagger, Radlader und sonstigen Baufahrzeuge zeigen. Was die Familie aber dann entdeckt, ist eine Sache für Erwachsene: zierliche Cannabis-Pflanzen, direkt neben der Straße, auf dem freien Feld hinter der neuen Mensateria.
Hanf zwischen anderen Blühpflanzen
Die Gewächse sind eingestreut zwischen Sonnenblumen und anderen Blühpflanzen. Auf jeden Fall optisch eine feine Sache. Aber vielleicht noch mehr?
Beim Spaziergang dabei: Weinrichs Schwester und deren Mann, beides studierte Landschaftsökologen. Sie können den Cannabis sofort identifizieren. „Was uns wirklich erstaunte“, berichtet Deutsch- und Erdkundelehrer Weinrich, „war das Ausmaß der Verbreitung dort.“ Aus dem Rottenbauerer Grund kenne man eine wilde Bepflanzung, wo in selten Fällen auch Hanf wachse. „Aber nicht in dieser Menge!“
Strenge Auflagen für den Anbau von Hanf
Möglicherweise ein illegaler Drogenanbau mitten auf dem Uni-Campus? Recherchen der Redaktion führen zunächst zu Fachleuten aus Botanik und Pharmazie. Dr. Gerd Vogg, wissenschaftlicher Custos am Botanischen Garten, weiß um die Sensibilität des Themas: „Wenn wir für die Analytik in der Pharmazie einige Hanfpflanzen anbauen wollen, brauchen wir eigens eine Genehmigung der Bundesopiumstelle in Bonn.“
Dabei gibt es bei den Cannabisarten große Unterschiede: Um Haschisch und Marihuana erzeugen zu können, brauchen die Hanfpflanzen einen hohen Gehalt des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC). Dieser beträgt beim kommerziell verwerteten Nutzhanf weniger als 0,2 Prozent.
Hanf als Nutzpflanze, für die Medizin – und für Drogen
Textilien, Öle, Dämmstoffe, Seile, Papier – die Palette legaler Hanfprodukte ist groß. Vor allem Sorten der Hanfart Cannabis sativa werden dafür eingesetzt, während der Indische Hanf (Cannabis indica) die entscheidende Rolle als Drogen- und Medizinpflanze spielt. Rein äußerlich, erklärt Vogg, seien die beiden Arten kaum zu unterscheiden.
Und was wächst am Hubland-Campus? Der Botaniker hätte – mit Blick auf die vielen Sonnenblumen auf dem Feld – eine plausible Erklärung: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Saatgutmischung, die dort ausgestreut wurde. Auch in Mischungen von Vogelfutter finden Sie einzelne Hanfsamen.“ Also keine gezielte Cannabiszucht, sondern nur Begleiterscheinungen?
Studenten hatten „WEED“-Transparent aufgestellt
Einigen Studenten jedenfalls waren die hübschen Hanfgewächse aufgefallen. Zu ihrem Amüsement hatten sie vor wenigen Wochen an dem Feld ein Transparent aufgestellt mit der Aufschrift „WEED 's to Entertain you“ (frei übersetzt: „Gras macht Spaß“). Ob auch „geerntet“ wurde, ist nicht bekannt.
Als der technische Betrieb der Uni das Banner bemerkte, holte man es ein und wies die Pressestelle der Hochschule auf das Cannabisfeld hin. Entsprechend ging man auch dort interessiert der Hanfherkunft nach.
Verbindung zur nahen Landesgartenschau 2018
So kann Pressesprecher Gunnar Bartsch mittlerweile aufklären: In direkter Nachbarschaft zur Landesgartenschau 2018 steht die Pflanzaktion mit ihr in Zusammenhang. Das Gelände, so Bartsch, solle möglichst ansprechend aussehen. Also überlegte man sich beim zuständigen Staatlichen Bauamt, wie die Brachfläche hinter der Mensateria ökologisch aufzuwerten ist.
Beraten ließ man sich von der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim, mit der die Staatsbauer auch sonst eng kooperieren. Und die LWG-Experten empfahlen eine spezielle Wildpflanzenmischung, die sich auf dem Boden und in der Lage am Campus Nord angeblich gut entfaltet. Das Ergebnis gibt den Öko-Fachleuten Recht.
Wildpflanzenmischung der Veitshöchheimer Landesanstalt
Seit 2008 entwickelt die LWG zusammen mit Projektpartnern aus ganz Deutschland artenreiche mehrjährige Wildpflanzenmischungen mit 15 bis 25 Pflanzenarten für die Biogasproduktion. Energiepflanzen, die gleichzeitig Lebensräume für Wildtiere schaffen.
Die „starkwüchsige Veitshöchheimer Hanfmischung“ zaubert einen wahren Blütenreigen auf den Unicampus: Sonnenblumen, Schmuckkörbchen, Stockrose, Fenchel, Wegwarte, Herzgespann – und Faserhanf. Mangels THC-Gehalt ist allerdings bestenfalls der Anblick der Blütenpracht berauschend.