Schmerzpatienten können künftig legal Cannabis auf Rezept erhalten. Das hat der Bundestag am Donnerstag beschlossen. Günter Weiglein (52) kämpft seit Jahren für die Legalisierung von Cannabis. Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt er, warum die Entscheidung für Patienten so wichtig ist.
Frage: Herr Weiglein, wie haben Sie die Entscheidung des Bundestages aufgenommen? Haben Sie damit gerechnet?
Günter Weiglein: Ja, habe ich. Ich habe die Debatte im Bundestag mitverfolgt. Die Entscheidung, Cannabis verschreibungsfähig zu machen, ist ein Meilenstein. Bisher mussten die Patienten – es sind etwa 1000 in Deutschland, die eine solche Genehmigung haben – die Kosten selbst tragen. Nun sollen die Krankenkassen sie übernehmen. Für ein Gramm muss man 15 Euro in der Apotheke bezahlen. In meinem Fall: Ich habe eine genehmigte Dosis von vier Gramm pro Tag. In vier Wochen macht das 112 Gramm – das sind 1800 Euro. Ich kenne keinen, der sich das leisten kann. Klar guckt man dann schon mal um die Ecke, ob das vielleicht jemand billiger verkauft.
Weiglein: Bisher waren wir in dieser Grauzone, mit dem neuen Gesetz kommen wir endlich da raus. Aber diesen Schritt hätte es schon vor Jahren geben müssen. Das Bundesgesundheitsministerium – die zuständige Behörde – weiß seit 2009, also seit es die Genehmigung zum Besitz von Cannabis aus der Apotheke gibt, dass sich die Patienten das Cannabis nicht leisten können. Mittlerweile gibt es zwei Patienten in Deutschland, die eine schriftliche Genehmigung zum Eigenanbau von Cannabis haben.
Weiglein: Richtig. Übrigens: Das, was jetzt als der große Wurf verkauft wird, haben sich die Patienten, die kranken Bürger über Jahre hinweg erkämpft und erstritten – und es kam nicht vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums.
Weiglein: Ich weiß es nicht und es ist für mich nicht zu erklären. Wir haben es hier mit einer pflanzlichen Substanz zu tun, die erwiesenermaßen weniger schädlich ist als Alkohol oder Tabak. Und Cannabis wurde über Jahrhunderte schon medizinisch genutzt. Sie können sich mit Cannabis nicht überdosieren. Das Schlimmste, das passieren kann, wenn Sie etwas zu viel genommen haben, ist, dass Sie eine Stunde länger schlafen als sonst.
Weiglein: Die gibt es sicherlich. Ich sage auch nicht, dass wir hier ein Wundermittel haben – es ist lediglich eine zusätzliche Option zu den herkömmlichen vorhandenen schulmedizinischen Möglichkeiten. Es ist eine Option für viele Menschen, die austherapiert sind. Natürlich: Cannabis ist nichts für jedermann. Es ist wie bei Kopfschmerzmitteln: Da verträgt auch nicht jeder dasselbe. Dann bräuchten wir ja nur eins.
Weiglein: Nebenwirkungen stellen sich, wenn Sie das Ganze ärztlich verordnet und über einen längeren Zeitraum einnehmen, natürlich ein. Das ist wie mit jedem anderen Medikament auch.
Weiglein: Definitiv. Denn Cannabis wird ja jetzt nicht nur verschreibungsfähig, sondern die Hürden, die es bisher gab, entfallen auch. Die Entscheidung, wer Cannabis erhalten darf, wird künftig in die Hände vom Hausarzt gelegt. Und dort gehört sie auch hin. Künftig kann sich also ein Rheumatiker legal Cannabis vom Hausarzt verschreiben lassen – wenn der Hausarzt es denn tut. Denn das ist ein anderes Problem: Die wenigsten Ärzte hatten bisher mit dem Thema zu tun, eben, weil es so negativ behaftet ist.
Kritiker fürchten, dass eine Folge ein liberaler Umgang mit Cannabis sein könnte. Können Sie diese Befürchtungen teilen?
Weiglein: Ich begrüße diese Befürchtung ausdrücklich. Schauen Sie doch mal ins Mutterland der Prohibition, die USA, wie sich die Situation dort gerade verändert. Die Amerikaner legalisieren im Moment Cannabis nach und nach bis hin zur kompletten Freigabe. Oder Israel: Das Land ist ganz weit vorne dabei, was den medizinischen Umgang mit Cannabis angeht. Die komplette Freigabe fordere ich auch in Deutschland.
Weiglein: Nein. Es ist ein Riesenschritt im Vergleich zu dem, was hier die letzten Jahre passiert ist. Allerdings wurde heute auch deutlich, dass es den Eigenanbau erst einmal nicht geben wird. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen. Das Problem ist, dass es in der Apotheke nur eine begrenzte Sortenauswahl gibt – aktuell sind es etwa 15 Sorten. Dabei gibt es Hunderte von Cannabis-Sorten. In der Apotheke bieten mir aber beispielsweise nur zwei Sorten eine gute Schmerzreduktion. Es ist beim Cannabis wie bei jedem anderen Mittel auch: Wenn man es über einen gewissen Zeitraum nimmt, dann gewöhnt sich der Körper daran. Deshalb möchte ich die Option mit dem Anbau weiterhin haben. Natürlich werde ich mit dem Angebot in der Apotheke erst einmal zurechtkommen – aber eben nur für eine begrenzte Zeit. Irgendwann bin ich das Angebot durch, und dann vertrage ich das nicht mehr. Das ist so.