
Zweieinhalb Jahre war Generalmajor Harald Gante Kommandeur der 10. Panzerdivision, die in Veitshöchheim ihren Stab hat und derzeit die Soldaten stellt, die im westafrikanischen Mali im Einsatz sind. Jetzt wechselt der 57-Jährige nach Strausberg (Brandenburg) und wird dort Chef des Stabes im Kommando Heer. Ein Gespräch über den Dienst in Corona-Zeiten und über Innere Führung.
Harald Gante: Ein Schwerpunkt sind jetzt die Corona-Einsätze der Bundeswehr im Wege der Amtshilfe, darüber hinaus sind viele Arbeitsabläufe auch hier bei uns im Stab auf den Kopf gestellt. Vor Corona-Zeiten bin ich drei-, viermal in der Woche in meinem Verantwortungsbereich in Süddeutschland unterwegs gewesen, danach war ich fast nur noch hier in Veitshöchheim. Wenn ich ständig zur Dienstaufsicht in unseren Standorten unterwegs gewesen wäre, hätte das jedem Hygienekonzept widersprochen. Auch ich hätte nie gedacht, dass ich mal selber im Homeoffice arbeiten würde.
Gante: Wir mussten oft sehr schnell reagieren. Wenn ein Gesundheitsamt oder ein Pflegeheim nachgefragt hat, konnten wir ja nicht sagen: Wir helfen euch in zwei Wochen. Insgesamt waren in den sechs Bundesländern, in denen unsere Division stationiert ist, rund 5000 Soldaten zur Unterstützung bei der Pandemie im Einsatz – in Impfzentren, Testzentren, Gesundheitsämtern und Seniorenheimen. Vor allem die Einsätze in Seniorenheimen waren auch für uns eine ganz neue Erfahrung. Überall ist die Hilfe dankbar in Anspruch genommen worden. Darauf bin ich auch stolz.

Gante: Natürlich haben wir, auch wegen der Lebensbedingungen vor Ort, Corona-Fälle in den Einsätzen gehabt. Im Regelfall wurden die Soldaten sofort nach Hause gebracht, weil hier die medizinische Versorgung noch besser gewährleistet ist. In den Einsatzgebieten mussten auch wir mit Isolierung und Quarantäne arbeiten, das hatte natürlich Auswirkungen auf den Grad der Auftragserfüllung. Was das Impfen betrifft, so fügen sich die Auslandseinsätze in die zivile Priorisierung ein. Wir haben jetzt angefangen, die ersten Soldaten in den Einsätzen zu impfen.
Gante: Der Auftrag, den wir im Rahmen der Nato-Initiative Enhanced Forward Presence (Verstärkte Vornepräsenz - d. Red.) im Baltikum gehabt haben, ist jetzt routinemäßig an die 1. Panzerdivision gewechselt. Wir stellen derzeit das Hauptkontingent in Mali mit rund 420 Soldaten, einige Soldaten sind noch in Afghanistan und auf dem Balkan im Einsatz. Wir gehen aber davon aus, dass im Lauf des Jahres der Einsatz in Mali verstärkt wird.
Gante: Ja, auf jeden Fall. Wobei ich nur über meine Division reden kann. Natürlich gibt es auch bei uns Vorfälle, die zu kritisieren und zu ahnden sind, zum Beispiel Propagandadelikte. Der Alltagsrassismus ist ein gesellschaftliches Problem, das es somit auch bei uns gibt. Aber ich merke, dass so etwas nicht mehr einfach hingenommen wird. Die Sensibilität, entsprechende Dinge zu melden, steigt weiter an. Ich habe allerdings manchmal den Eindruck, dass uns die Sanktionsmöglichkeiten fehlen, weil am Ende des Tages ja alles justitiabel sein muss. Das heißt, dass wir uns auch nicht immer von den Leuten trennen können, von denen wir uns gerne trennen würden.
Gante: Außerhalb unseres Bereichs gibt es den Wehrbeauftragten, im Inneren Vertrauenspersonen. Was wir offensiv versuchen, ist, die Leute zu ermutigen, Vorkommnisse zu melden. Und das bezieht sich nicht nur auf Rechtsradikalismus. Da geht es auch um die Rolle der Frau in den Streitkräften. In jeder Grundausbildung gibt es bei uns Gesprächskreise, in denen wir die Frauen sensibilisieren, sich an die Vertrauensperson, an die Vorgesetzten oder an die Gleichstellungsbeauftragte zu wenden, wenn sie den Eindruck haben, dass es zu sexuellen Belästigungen oder Ungleichbehandlungen kommt. Dass solche Dinge aufgeklärt werden, ist in unserem ureigenen Interesse.
Gante: Das glaube ich einfach nicht. Sehen Sie mich mal an: Ich selbst bin in diesem Land groß geworden, zur Schule gegangen, bin in Vereinen. Wir haben Kameraden, die bei der letzten Kommunalwahl als Bürgermeister kandidiert haben. Wir sind Teil dieser Gesellschaft. Aber wir müssen der Bevölkerung zeigen, was wir eigentlich machen und wie das Leben in einer Kaserne aussieht. Ich würde mir wünschen, dass es in der Gesellschaft mehr Interesse an dem Themenbereich gibt, für den wir stehen.
Gante: Viele Sachen sind bei uns selbstverständlich geworden – was natürlich auch schön ist: dieses Nicht-Fühlen von Bedrohung, der Fall der Mauer und das Gefühl, von Freunden umzingelt zu sein. Bei unseren Auslandseinsätzen sehen wir aber, dass viele Dinge eben nicht selbstverständlich sind, sondern dass wir uns diese tagtäglich erarbeiten müssen.