Seit gut vier Monaten steht Generalmajor Harald Gante an der Spitze der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt er unter anderem, wie es um die Zukunft des Bundeswehrstandorts Veitshöchheim bestellt ist, wie die Truppe im Wettbewerb um Fachkräfte punkten kann und wie er selbst in Franken angekommen ist.
Frage: Der Standort Veitshöchheim wird vor allem mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr verbunden. Welche Aufgaben hat die 10. Panzerdivision derzeit?
Harald Gante: Da müssen wir zwei Säulen betrachten. Zum einen sind das die Einsätze und einsatzgleichen Verpflichtungen, die wir sicherstellen müssen. Die andere Säule lässt sich erklären, wenn man sich die 10. Panzerdivision als Unternehmen vorstellt - dann ist hier in Veitshöchheim der Konzernsitz. Hier wird für unseren Verantwortungsbereich alles gesteuert, angefangen von der Personalausbildung und -auswahl über Logistik und IT bis hin zu juristischem Beistand.
Welche Bedeutung hat der Standort Veitshöchheim in der Bundeswehr?
Gante: Für das Heer im süddeutschen Raum ist Veitshöchheim die maßgebliche Schaltstelle.
Und mit Blick auf die Auslandseinsätze?
Gante: Der Verantwortungsbereich der 10. Panzerdivision reicht von Baden-Württemberg und Elsaß-Lothringen bis nach Sachsen, und von Berchtesgaden bis nach Veitshöchheim. Alle Heeresverbände, die in diesem Raum stationiert sind und zur 10. Panzerdivision gehören, werden von uns gerade auch mit Blick auf die Auslandseinsätze geführt. In Zahlen bedeutet das: Wir haben gut 1000 Soldaten in insgesamt sieben Einsätzen, darunter in Mali und Litauen und einzelne Soldaten, zum Beispiel im Sudan und in Afghanistan.
Wie läuft die Koordination konkret ab?
Gante: Unsere vorgesetzte Dienststelle, das Kommando Heer in Strausberg, macht uns im Rahmen einer Dreijahresplanung Vorgaben, welche Einsätze wir sicherzustellen haben. Das wird dann von hier auf die vier Brigaden der Division verteilt. Aber es gehen nicht nur Angehörige der Brigaden, sondern auch die Mitarbeiter des Divisionsstabes hier in Veitshöchheim in die Auslandseinsätze.
Die Bundeswehr ist nur noch formal eine Wehrpflichtigenarmee, de facto eine Berufsarmee. Mit Blick auf das inzwischen weltweite Engagement der Truppe: Welche Anforderungen stellt die Bundeswehr heute an Bewerber?
Gante: Es gibt schon einen wesentlichen Unterschied durch den Wegfall der Wehrpflicht. Dadurch haben wir natürlich ein großes Reservoir an Menschen verloren, die durch den Wehrdienst das Interesse an dem Beruf gefunden haben. Die grundsätzliche Qualifikation der Leute, die wir brauchen, ist allerdings dieselbe wie damals. Wenn wir einen jungen Menschen einstellen, muss der drei Voraussetzungen erfüllen: Er muss Menschen mögen, muss teamfähig sein. Er muss leistungsbereit sein, denn wir brauchen Leute, die uns nach vorne bringen. Und drittens müssen die Bewerber zu den Werten unseres Grundgesetzes stehen.
In Sachen Grundgesetz-Treue hat es in der jüngeren Vergangenheit einige Negativschlagzeilen gegeben. Was hat die Bundeswehr daraus gelernt?
Gante: Was ich feststelle, ist, dass sich die Selbstreinigungskräfte verbessert haben. Die Mitarbeiter sind sensibler geworden. Die Antennen fahren hoch, und sei es nur, weil jemand einen dummen Spruch von sich gibt. Und das bezieht sich nicht nur auf politische Fragen, sondern beispielsweise auch auf die Geschlechtergerechtigkeit.
Als Armee im Einsatz ist das Risiko, verwundet oder getötet zu werden, gestiegen. Schreckt das nicht mögliche Bewerber ab? Und wie geht man in den Bewerbergesprächen mit diesem Thema um?
Gante: Das Thema ist sehr transparent und wird auch konkret angesprochen. Ein Kriterium, um als Soldat glücklich zu werden, ist der Hinweis darauf, dass der Soldatenberuf eben auch mit Auslandseinsätzen zu tun hat - und, dann kommt man natürlich auch zum Thema Tod und Verwundung. Da wird nichts durch bunte Bilder kaschiert. Aber man kann auch viel Angst und Sorge nehmen. Wir versuchen ja, uns bestmöglich zu schützen, damit diese Gefahr minimiert wird. Das geht vor allem mit guter Vorbereitung und Ausbildung.
Stichwort Ausbildung: Früher galt die Bundeswehr als die Fahrschule der Nation. Mit welchen beruflichen Qualifikationen können Sie Bewerber heute locken?
Gante: Schauen Sie auf die Offiziere und Unteroffiziere: Ich kenne keinen Arbeitgeber, der – neben einer wissenschaftlichen Ausbildung – seinen Mitarbeitern anbietet, in so jungen Jahren Führungsverantwortung zu übernehmen. Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können, denn auch in der Wirtschaft kommt es ja nicht nur auf fachliche, sondern auch auf Führungsqualitäten an. Was die Mannschaften betrifft: Das Bildungsangebot, das wir unseren Soldaten in Vorbereitung auf ihre Zeit nach der Bundeswehr machen, ist sehr ansehnlich.
Trotzdem ist immer wieder von Nachwuchsproblemen bei der Bundeswehr die Rede.
Gante: In meiner letzten Verwendung als Kommandeur der Offiziersschule des Heeres war ich für den Offiziersnachwuchs verantwortlich und habe festgestellt: Sowohl qualitativ als auch quantitativ kriegen wir genau diejenigen, die wir brauchen und haben wollen. Es wäre aber schöner, wenn sich noch mehr junge Menschen für den vielfältigen Dienst in der Bundeswehr interessieren würden, das muss man schon sagen. Es geht eben nicht mehr nur darum, den Kämpfer zu haben, wir brauchen heute auch die IT-Fachkraft.
Von den knapp 20 000 Soldaten der 10. Panzerdivision sind rund 1000 am Standort Veitshöchheim. Bleibt es dabei, werden es mittelfristig mehr oder weniger?
Gante: Ein zahlenmäßiger Ausbau hier steht nicht zur Disposition. Aber es werden auch nicht weniger. Man hat inzwischen akzeptiert, dass die Zeit des Schrumpfens vorbei ist und, dass es eher in die andere Richtung gehen muss. In der Politik gibt es heute eine Übereinstimmung darüber, dass diese Trendwende erforderlich ist. Wenn ich mir etwas wünsche, dann ist das eine langfristige Verlässlichkeit. Was man in 25 Jahren abgebaut hat, kann man nicht in ein bis zwei Jahren wieder aufbauen.
Derzeit wird auf dem Gelände der Balthasar-Neumann-Kaserne viel gebaut. Um welche Bauobjekte handelt es sich? Und welche Gelder wurden und werden investiert?
Gante: Dieses Jahr wird das neue Unterkunftsgebäude mit 254 Einzelstuben fertiggestellt, Anfang 2020 werden die ersten Soldatinnen und Soldaten einziehen, die hier ihre zivile Ausbildung machen. Dort werden dann 15 Millionen Euro verbaut sein. Dann werden wir dieses Jahr noch zwei Bauprojekte beginnen: die neue Turnhalle und ein neues Probengebäude für das Heeresmusikkorps. Da reden wir dann auch von einem Invesitionsvolumen von gut zehn Millionen Euro. Mittelfristig, also in den nächsten fünf Jahren, sollen noch mal rund 50 Millionen in die Kaserne investiert werden, in den Bestand und auch in Neubau. Das ist sicher ein gutes Zeichen für die Bestandssicherheit dieses Standortes.
Das dürfte man in der Standortgemeinde mit Beruhigung zur Kenntnis nehmen. Welche Kontakte haben Sie denn schon in Veitshöchheim und in der Region Würzburg knüpfen können?
Gante: Ich muss vorweg sagen: Würzburg und Veitshöchheim sind den 36 Jahren meiner Dienstzeit für mich terra incognita gewesen. Ich war hier vorher noch nie. Vor der Kommando-Übergabe habe ich in Veitshöchheim in einem Hotel gewohnt und mich geärgert, dass ich noch nie dagewesen bin - weil es so schön ist hier! Im Alltag als Divisionskommandeur sind Montag und Freitag die Bürotage, zwischen drin ist man unterwegs. Aber ich hatte schon Treffen mit dem Bürgermeister von Veitshöchheim und vor Kurzem auch mit dem Oberbürgermeister von Würzburg. Ich habe jetzt schon den Eindruck, dass wir als 10. Panzerdivision hier zu Hause sind. Die Leute mögen uns und wissen auch, dass sie sich in Notlagen auf uns verlassen können.
Ist es in Zeiten, da die Bundeswehr de facto eine Berufsarmee ist, wichtig, sich mehr nach außen zu öffnen?
Gante: Das ist essentiell wichtig. Von dem "freundlichen Desinteresse", von dem Bundespräsident Horst Köhler mal gesprochen hat, müssen wir wegkommen. Die Leute bezahlen uns, wir sind deren Bundeswehr. 2020 soll es deshalb wieder einen Tag der Bundeswehr geben. Schon in diesem Jahr, am 1. Oktober, feiern wir 60-jähriges Bestehen der 10. Panzerdivision. Dazu soll es in Veitshöchheim einen öffentlichen Großen Zapfenstreich geben.
Und wie sind Sie persönlich in Franken angekommen?
Gante: Ich habe meine Wohnung mit meiner Familie weiterhin in Düsseldorf, weil ich zwei schulpflichtige Kinder habe. In Würzburg habe ich eine Pendlerwohnung, die nur ein paar Minuten von der Alten Mainbrücke entfernt liegt. Im September habe ich den ersten Brückenschoppen genossen - mit Blick auf die Festung. Ich fühle mich hier pudelwohl.