Es dauerte ein Vierteljahrhundert, ehe der Mörder von Brigitta J. gefunden war: Im vergangenen Jahr war Hartmut M. in Stuttgart zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Mit entscheidend für den Schuldspruch: Fotos aus einem früheren Mordprozess 2007 in Würzburg. Doch nun kommt das Urteil auf den Prüfstand: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat dem Antrag des Verurteilten auf Revision stattgegeben. Der Fall muss am Landgericht Stuttgart – diesmal an einer anderen Kammer – neu verhandelt werden. Ein Termin steht noch nicht fest.
Augenzeuge suchte nach alten Prozessbildern
Der 71- jährige frühere Manager Hartmut M. bestritt in dem spektakulären Prozess im vergangenen Jahr bis zuletzt, im Jahr 1995 eine 35-jährige Arbeiterin in Stuttgart umgebracht zu haben. Doch DNA-Partikel unter den Fingernägeln des Mordopfers führten auf seine Spur, gerade als er eine zwölfeinhalbjährige Haftstrafe für ein ähnliches Tötungsdelikt verbüßt hatte.
Ein Augenzeuge der Tat in Stuttgart erkannte den stark gealterten Angeklagten im Gericht nicht wieder, machte sich aber selbstständig auf die Suche. Im Internet fand er Presseberichte aus dem 14 Jahre alten Verfahren in Würzburg. Auf den Bildern dort aus dem Gerichtssaal erkannte er den Täter zweifelsfrei wieder und informierte die Justiz.
Angeklagten zweifelsfrei erkannt
Die Stuttgarter Richter ließen sich von unserer Redaktion weitere Bilder aus dem Prozess schicken, in dem es ebenfalls um einen Frauenmord ging. Sie legten sie dem Zeugen vor, der keinerlei Zweifel hatte: "Das ist er!" Den Stuttgarter Richtern halfen auch alte Gutachten über den Tatverdächtigen aus jenem Verfahren. Dies und die DNA des Angeklagten an den Fingernägeln des Opfers führten zum Schuldspruch wegen Mordes im Juli 2021.
Aber nun zwingt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sie zum Nachsitzen. Nicht, weil die Richter Zweifel daran hätten, dass der Franke der Täter ist, der 1995 die ihm unbekannte Frau nachts auf dem Weg von ihrem Arbeitsplatz zur S-Bahn überfiel und brutal niederstach. Aber es sei nicht richtig bewiesen worden, dass es sich um einen Mord aus Heimtücke gehandelt habe. Alles andere als Mord wäre nach über 25 Jahren aber verjährt.
In Würzburg war Hartmut M. bereits 2007 verurteilt worden
Die Überzeugung des Landgerichts von seiner Täterschaft sei jedoch nicht zu beanstanden, betont der BGH. Die Richter kritisieren: Es sei völlig offen, ob es vor den ersten Stichen ein Gespräch oder einen Streit gegeben habe und ob die Frau hätte fliehen oder um Hilfe rufen können. Wie dies nach 25 Jahren ohne Geständnis des Täters bewiesen werden könnte, ist völlig unklar.
Schon einmal wäre Hartmut M. mit dem Mord an einer Anhalterin an der Autobahn zwischen Bayreuth und Schweinfurt 2001 um ein Haar ungeschoren davongekommen. In erster Instanz hatten dem Landgericht Bayreuth 2004 die Beweise gegen ihn nicht gereicht. Doch der BGH ließ auch damals den Fall erneut verhandeln – am Landgericht Würzburg. Zu einer Verurteilung wegen Mordes reichte es 2007 nicht, Hartmut M. kam wegen Totschlags – und einer Erpressung, die in dem Urteil mit berücksichtigt wurde – für zwölf Jahre hinter Gitter.