Das Pressefoto von einem Würzburger Prozess aus dem Jahr 2007 war ein entscheidendes Indiz, um den Mörder zu identifizieren: 26 Jahre, nachdem in Sindelfingen die 35-jährige Brigitta J. mit 23 Stichen getötet worden war, hat das Landgericht Stuttgart an diesem Mittwoch den Angeklagten schuldig gesprochen. In Würzburg hatten 2007 die Beweise zum Tod der Anhalterin Magdalena H. nur zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Totschlages gereicht. Wegen des Mordes von 1995 muss der heute 71-Jährige nun lebenslänglich in Haft.
Alibi war nur oberflächlich überprüft worden
Der ehemalige Manager war vor einem Vierteljahrhundert bereits kurz nach dem Mord unter Verdacht geraten, weil er einen dunklen Sportwagen fuhr, wie ihn Zeugen am Tatort gesehen hatten. Sein Alibi damals: Er habe zur Tatzeit habe er mit einem Bekannten in einem Biergarten gesessen. Überprüft wurde diese Angaben bei den Ermittlungen offenbar nur oberflächlich: Erst jetzt stellte sich heraus, dass der Biergarten zu der angegebenen Uhrzeit nach Auskunft des Betreibers längst geschlossen gewesen war.
"Der Zeuge hat Sie eindeutig wiedererkannt"
Das Stuttgarter Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung das alte Würzburger Prozessbild ins Zentrum: "Der Zeuge hat Sie eindeutig wiedererkannt", sagte Richter Norbert Winkelmann über die Aussage des US-Militärpiloten, der in der Tatnacht am Tatort vorbeigekommen war. Bei seiner Vernehmung vor Gericht, per Video zugeschaltet aus den USA, hatte ihn niemand auf den Mann auf der Anklagebank - Maske-tragend und inzwischen deutlich gealtert - aufmerksam gemacht. Doch weil ihm der Fall keine Ruhe ließ, hatte der Zeuge im Internet nach alten Berichten zum Prozess in Würzburg gegen den Angeklagten gesucht. Tatsächlich stieß er in diesem März auf die Pressefotos, die den Täter unverpixelt und 14 Jahre jünger zeigen.
Als "Garibaldi" 2004 auch Shell erpresst
Der Angeklagte hatte unter dem Pseudonym "Garibaldi" 2004 den Shell-Konzern in Hamburg erpresst - ehe ihn Ermittler bei Lösegeldverhandlungen in einer Telefonzelle abfingen. Für die räuberische Erpressung und für den Tod der Anhalterin hatte ihn das Landgericht Würzburg 2007 für zwölfeinhalb Jahre ins Gefängnis geschickt.
Er war noch nicht lange wieder auf freiem Fuß, als Ermittler auf Druck der Angehörigen von Brigitta J. ab 2018 noch einmal den Cold Case aus Sindelfingen untersuchten. Die Tatwaffe fehlte, andere Indizien waren aus der Asservatenkammer verschwunden. Aber mit verfeinerten Analysemethoden stieß man jetzt beim erhaltenen Beweismaterial auf DNA-Spuren des Täters. Die 35-Jährige hatte ihren Mörder im Todeskampf gekratzt.
Die Ergebnisse der DNA-Untersuchung stimmte mit den in einer Datenbank registrierten Kennzeichen des gerade entlassenen Häftlings überein - "ein überragendes Beweismittel", wie der Richter sagte. Da sich Angeklagter und Opfer vor der Tat nicht kannten, könne die DNA nur bei dem Verbrechen unter die Fingernägel der Getöteten gekommen sein. In Hamburg wurde der ehemalige Manager nach dem Fund schließlich erneut festgenommen.
Richter: Urteil vielleicht ein Trost für die Angehörigen
Angehörige beider getöteten Frauen waren am Mittwoch bei der Urteilsverkündung dabei. "Den Schmerz, den Sie erlitten haben, werden wir Ihnen niemals nehmen können", sagte der Vorsitzende an sie gewandt. "Vielleicht ist dieses Urteil ein gewisser Ausgleich."
Die Angehörigen hatten die Ermittler vehement kritisiert: Wäre die Stuttgarter Kripo im Fall von 1995 sorgfältiger der Spur zu dem Ex-Manager nachgegangen, hätte er früher gefasst werden können. Und Anhalterin, die er 2001 mitgenommen und getötet hatte, könnte noch leben.
Der 71-Jährige hatte während des Prozesses stets seine Unschuld betont und sich nicht zu seinen Beweggründen geäußert. Als das Urteil verkündet wird, schaut er mit verschränkten Armen den Richter an. Das Gericht folgt dem Staatsanwalt in der Einschätzung, der Mörder habe heimtückisch gehandelt. "Wir sind von Ihrer Täterschaft ohne jeden Zweifel überzeugt", sagt der Vorsitzende. "Was sie bewogen hat, Frau J. anzugreifen, blieb im Dunkeln." Und einem Prozessbeobachter scheint es, als nicke da der Angeklagte leicht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.