Neben anhaltend schlechten Preisen macht den fränkischen Zuckerrübenbauern eine Viruskrankheit zu schaffen, die sich seit dem Verbot bestimmter Pflanzenschutzmittel zunehmend ausbreitet. In letzter Sekunde ist es den Erzeugerverbänden nun gelungen, für das kommende Anbaujahr eine Notfallzulassung zu erwirken. Die Rede ist von Neonicotinoiden, deren Einsatz im Freiland seit 2018 EU-weit verboten ist. Das hochwirksame Insektizid tötet nicht nur Schädlinge, sondern macht auch Nutzinsekten wie den Bienen zu schaffen. Der Bund Naturschutz kritisiert die Ausnahmeregelung deshalb.
Im Rübenanbau werden die sogenannten Neonics nicht über den Äckern versprüht, sondern als Beizmittel in die Umhüllung des Saatkorns eingearbeitet. Deshalb bieten sie vor allem der Jungpflanze im Frühjahr Schutz vor Schädlingsfraß. Zu diesen Schädlingen zählen Blattläuse. Gefährlich an den Läusen sind aber nicht die Fraßschäden, sondern die Viren, die von ihnen übertragen werden. Sie führen zur sogenannten Vergilbungskrankheit, die drastische Ertragseinbußen zur Folge hat.
Fred Zeller, Geschäftsführer des Verbands süddeutscher Zuckerrübenanbauer (VSZ) mit Sitz in Ochsenfurt, verteidigt deshalb den Einsatz der Neonics zur Saatgutbehandlung. Der Wirkstoff werde nicht oberflächlich ausgebracht, sondern gelange im Frühjahr über das Saatgut in den Boden, wo Fluginsekten keinen direkten Kontakt haben. Auf diese Weise müssten nur minimale Mengen eingesetzt werden, im Vergleich zu einer späteren Spritzung. Zudem kommen Rüben nicht zur Blüte, ziehen deshalb auch keine Bienen und andere Bestäuber an.
In Frankreich habe die Vergilbungskrankheit in den letzten Jahren bereits große Schäden hinterlassen, sagt Zeller. "2019 war der Schädlingsdruck noch gering, aber da haben sich die Populationen aufgebaut und im folgenden Jahr voll zugeschlagen." In einigen Regionen habe die Vergilbungskrankheit zu Ausfällen von bis zu 40 Prozent geführt. Und begünstigt durch die Klimaerwärmung sei die Virusinfektion längst auch in Süddeutschland angekommen. Baden-Württemberg, die Südpfalz, Südhessen und Franken zählen zu den betroffenen Regionen. "Deshalb hatten wir in Europa eine echte Missernte", so Zeller.
Wie hoch 2020 die Einbußen in Franken waren, lasse sich wegen der gleichzeitigen Trockenschäden nur schwer beziffern. In seinem eigenen Nebenerwerbsbetrieb habe er rund 30 Prozent weniger Rüben geerntet als in durchschnittlichen Jahren, sagt Zeller. Schätzungsweise die Hälfte des Rückgangs schreibt er dem Virenbefall zu. Und er ist sich sicher, dass sich die Krankheit in den kommenden Jahren weiter ausbreiten wird.
Frankreich habe das Verbot der Neonicotinoide im Rübenanbau deshalb inzwischen bis 2023 außer Kraft gesetzt. Andere EU-Erzeugerländer, darunter Polen, haben ebenfalls von der Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht. Das Bundeslandwirtschaftsministerium und das untergeordnete Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hätten sich hingegen geweigert, für Deutschland eine entsprechende Notfallzulassung auszusprechen.
Erst mit Unterstützung verschiedener Bundesländer sei es gelungen, für die Einzugsgebiete einzelner Zuckerfabriken eine Zulassung zu erwirken, begrenzt auf die bevorstehende Aussaat. Neben Franken betrifft die Ausnahmegenehmigung Anbaugebiete in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Kurz vor Weihnachten wurde die Notfallzulassung ausgesprochen, gerade noch rechtzeitig, bevor die Saatguterzeuger die für die kommende Aussaat bestellten Mengen herstellen.
Fred Zeller spricht von einer ernsten Notlage für den Zuckerrübenanbau in Deutschland. Wenn es nicht gelingt, die Viruserkrankung in Schach zu halten, könnte dies dazu führen, dass der Anbau hierzulande, bedingt durch die wirtschaftlichen Einbußen, gänzlich zum Erliegen kommt.
Kritik kommt vom Bund Naturschutz (BN). „Das Eintreten von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber für eine befristete Zulassung des Neonikotinoidwirkstoffs Thiamethoxan auf 87 Prozent der 22 300 Hektar Anbaufläche von Zuckerrüben in Unterfranken ist ein absolut falsches Signal“, schreibt Landesvorsitzender Richard Mergner in einer Pressemitteilung. Mit der Notfallzulassung werde das Ergebnis des runden Tisches zum Volksbegehren "Rettet die Bienen" mit Füßen getreten.
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VSZ-Geschäftsführer Fred Zeller hält dem entgegen, dass Rübenfelder von Bienen nicht angeflogen werden. "Es liegt ja auch in unserem Interesse, dass Bienen und andere Nützlinge nicht gefährdet werden, weil wir sie als Bestäuber für andere Kulturen brauchen", so Zeller. Deshalb sei die Verwendung des mit Neonics behandelten Saatguts an strenge Auflagen gebunden. Unter anderem seien die Landwirte verpflichtet, auch im Folgejahr auf den Äckern keine Blühpflanzen wie etwa Raps anzubauen.
Mit diesen Argumenten sei es immerhin gelungen, auch die von Bündnis90/Die Grünen geführten Landwirtschaftsministerien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu überzeugen. "Uns ist bewusst, dass die Notfallzulassung nur eine temporäre Lösung ist", sagt Fred Zeller, "langfristig setzen wir auf die Züchtung virusresistenter Sorten, aber Züchtung braucht Zeit." Frühestens in vier bis fünf Jahren rechnet er damit, dass die ersten resistenten Sorten zur Verfügung stehen. "Bis dahin werden wir es ohne Neonics nicht schaffen."
Wenn das Insektizid direkt im Boden kommt ist es ungefährlich für Insekten oder kennen sie Pflanzen welche unter der Erde blühen.
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