Zwei Wörter, ein Fragezeichen, immer wieder: „Mit Senf?“ lautet der Frage-Halbsatz, der so beiläufig ist wie unerlässlich, wenn Brigitte Holl das Bratwursthäusle am Kardinal-Faulhaber-Platz aufgesperrt und die ersten Würstchen auf dem Grill schön braun sind. Meist ist das so kurz nach 11 Uhr.
An diesem Wochentag liegt über dem kleinen Areal zwischen Mainfrankentheater und dem neuerdings mit Kübelbäumen dekorierten Platz etwas Dösiges, obwohl die Läden ringsum längst geöffnet haben und der Verkehr im Ampeltakt über die Kreuzung rollt. Nach dem Bürgerentscheid vom 2. Juli soll es zumindest auf und um den Faulhaberplatz auch künftig ruhig zugehen: Eine Tiefgarage wird es hier nicht geben, dafür viel Grün.
Das Wetter spielt eine große Rolle
Tatsächlich ist es gerade aber die Hitze, die Brigitte Holls Geschäft kurz vor Mittag nur langsam anlaufen lässt. „20 bis 25 Grad sind gut, aber das Wetter heute ist so gar nix für uns“, sagt die 72-Jährige, während sie die Würstchen auf dem Rost wendet. Wie zum Beweis des Gegenteils läuft auf der anderen Seite der Theke gerade eine Bestellung ein: Bratwurst, ganz klassisch. Brigitte Holl stellt ihre „Mit Senf?“-Frage, danach klimpern die Münzen gut abgezählt auf dem Geldteller.
Wenn es nach Brigitte Holl geht, muss sich die Konversation mit der Kundschaft nicht auf die Details der Würstchenbestellung beschränken. „Ich wollte immer mit Leuten zusammen sein“, sagt sie. Der kleine Schwatz zwischendurch ist nicht nur geduldet, sondern erwünscht. Viele ihre Kunden kennt sie ohnehin schon länger. Die junge Frau, die gerade drei „Brat-Burger“ – mit Bratwurst statt Rindfleisch – für sich und ihre Kollegen holt, gehört auch dazu, selbst wenn sie „erst“ seit sechs Jahren in Würzburg lebt. „Bis zum nächsten Mal“, sagt die Frau und schnappt sich ihre Tüte.
Erfolg mit Thüringer Rezept
Apropos Brat-Burger: Die Eigenkreation ist typisch fürs Bratwursthäusle. Was Neues darf schon mal sein, aber die Tradition ist immer im Blick. Dafür steht nicht zuletzt auch das Design der Bude mit Satteldach und Fachwerk-Anmutung. Seit auf dem Faulhaber-Platz das viele Blech verschwunden ist, dominiert das kleine Häuschen die Fläche. Für viele Würzburger gehört es irgendwie schon immer dazu. Und es ist ja auch schon mehr als eine Generation her, seit Waldemar Buhl, ein freigekaufter Übersiedler aus dem thüringischen Sonneberg, 1982 mit dem Verkauf von Bratwürsten begann. Die ließ er nach der Rezeptur seiner Heimat produzieren und landete damit sieben Jahre vor dem Mauerfall sozusagen einen gesamtdeutschen Erfolg.
Brigitte Holl, die in den 80er Jahren zunächst als Angestellte im Bratwursthäusle anfing, kann bis heute unterscheiden, wer von den Kunden aus Ost oder West ist: „Die aus dem Osten wollen die Bratwurst immer lang im Brötchen, die Würzburger wollen ihre Geknickten.“
Wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, hätte Brigitte Holl nie zu Grill und Senftopf gefunden: „Ich musste Schneiderin werden.“ Damit fand sie sich dann aber doch nicht ab, bis sie im Bratwursthäusle ihre Berufung fand. Als sie den Laden 1992 übernahm, war sie endgültig angekommen – und in ihrem Element.
Es gibt immer nur zwei Bier
Für einige der damaligen Kunden bedeutete das Jahr 1992 eine Zäsur: Ein Bier? Gerne! Ein zweites? Auch. Doch dann ist Schluss. „Ich habe den Bierausschank auf zwei Flaschen beschränkt. Wir sind ein Imbiss, keine Wirtschaft!“, sagt Brigitte Holl mit einer Entschlossenheit, die keinen Widerspruch zulässt. Die Kundschaft hat das längst akzeptiert, ebenso wie die fehlenden Sitzmöglichkeiten.
Brigitte Holl hatte den Imbiss also im Griff, um sie herum aber veränderte sich die Stadt: „Früher gab's hier in der Nähe doch nur einen Bäcker, jetzt kann man fast überall was essen.“ Ein „Mordsschwund“ sei das gewesen, dennoch hat sich das Bratwursthäusle mit seinem Traditionsangebot behauptet. „Die Leute kommen zum Teil bis von Bad Kissingen und lassen sich ihre Würste einpacken.“
Seit 2003 steht Brigitte Holl nur noch stundenweise am Grill, die Gesundheit spielt nicht mehr so mit. Auf die Arbeit verzichten will sie aber nicht, so lange es irgendwie geht: „Das ist mir doch in Fleisch und Blut übergegangen.“
Sohn Thomas Stark übernahm 2007, Lebensgefährtin Michaela Niedworek ist mit von der Partie. Die rund zwölf Quadratmeter große Bude ernährt nicht nur die Laufkundschaft, sondern ist die Existenzgrundlage der Familie.
Gewissheit nur bis 2019
Klar, dass die Auseinandersetzung um den Faulhaber-Platz auch etwas mit der Zukunft der Drei vom Bratwursthäusle zu tun hat. „Von den Stammkunden sind wir dauernd angesprochen worden: ,Bleibt ihr da?‘“, sagt Thomas Stark. Der 50-Jährige hat eine Bandscheiben-OP hinter sich und hofft, auch künftig an Ort und Stelle Bratwürste, Burger und Pommes frites über die Theke reichen zu können. „Bis 2019 habe ich ja Gewissheit, aber dann? Da stehe ich im Dunkeln.“
Die Stadt habe ihm signalisiert, einen Standort suchen zu wollen, doch wenn es nach den Kunden gehe, sei die Sache klar, versichert er: „Die möchten, dass wir hier bleiben.“ Dann wendet er sich dem Herrn vor dem Wagen zu: „Mit Senf?“
Auf dem Residenzplatz fehlt auch noch eine etwas bodenständigere Gastronomie. Nicht jeder Gast möchte gleich 1-2 Stunden gut Essen gehen für teures Geld.
Zeit für einen neuen Bürgerentscheid: "Bleiberecht fürs Bratwursthäusle".