zurück
Giebelstadt
Bilder, die Erinnerungen bewahren: Giebelstadterin hat hunderte Sterbebilder gesammelt
Über Jahre hat Rosina Mantel eine große Sammlung an Sterbebildern angelegt. Warum die Bilder für sie eine wichtige Bedeutung haben und von welchen Schicksalen sie erzählen.
Rosina Mantel (von links) betrachtet mit ihrem Sohn Helmut Mantel und Irene und Max Liebler ihre Sammlung an Sterbebildern.
Foto: Hannelore Grimm | Rosina Mantel (von links) betrachtet mit ihrem Sohn Helmut Mantel und Irene und Max Liebler ihre Sammlung an Sterbebildern.
Hannelore Grimm
 |  aktualisiert: 24.04.2025 04:01 Uhr

Leben und Sterben – das sind die großen Themen, um die sich die Gespräche bei dem Treffen von Rosina Mantel, ihrem Sohn Helmut Mantel und dem Ehepaar Irene und Max Liebler diesmal drehen. Das hat einen guten Grund: Die Hausherrin nennt eine beachtliche Sammlung von Sterbebildchen ihr Eigen.

"Einige Hunderte sind es schon", sagt Rosina Mantel. Derzeit ist sie dabei, ihre Sammlung nach den Geburtsjahren der Dahingeschiedenen zu ordnen. Die Sterbebilder seien ihr "sehr wichtig und erhaltenswert", sagt die 89-Jährige. In vielen Häusern, besonders in den ländlichen Orten, schlummern die Bildchen, die bei einer Beerdigung verteilt werden, wohl irgendwo in einer Schachtel oder einer Schublade, vermutet Mantel. Wenn es dann für die Nachkommen gelte, die Wohnung ihrer verstorbenen Eltern oder Großeltern auszuräumen, fehle der Bezug zu den Verstorbenen und die lange verwahren Bildchen würden oftmals vernichtet.

Ein Teil der Sammlung stammt aus dem Nachlass von Mantels Mutter

Anders bei Rosina Mantel. Bei ihr stammt ein Teil ihrer Sammlung aus dem Nachlass ihrer Mutter. Wie sie erzählt, wollte diese beim Ausräumen der Wohnung niemand aus der Verwandtschaft haben. "Und da habe ich die Sterbebildchen mitgenommen."

In der Sammlung von Rosina Mantel befinden sich die Sterbebilder von den Menschen, die vor 80 Jahren beim Bombenangriff in Gelchsheim im Gasthaus 'Zum Kreuz' umgekommen sind.
Foto: Hannelore Grimm | In der Sammlung von Rosina Mantel befinden sich die Sterbebilder von den Menschen, die vor 80 Jahren beim Bombenangriff in Gelchsheim im Gasthaus "Zum Kreuz" umgekommen sind.

Dass die Hausfrau und auch ihre Gäste diese kleinen Andenken an Verstorbene nicht zuletzt aus Gründen der Pietät aufbewahren, das liegt sicher auch an der Umgebung, in der sie aufgewachsen sind.

Rosina Mantel (geborene Weid) stammt aus Riedenheim, wo ihr Vater Kilian Weid das Gasthaus "Zum Hirschen" und eine Metzgerei betrieben hat. Das Ehepaar Liebler stammt ebenfalls aus Dörfern, in denen der Tod von Mitmenschen eine spürbarere Lücke hinterlässt als in den Städten: Irene Liebler aus Gaurettersheim, Max Liebler aus einem Ort in der Oberpfalz.

Für Rosina Mantel wie auch für das Ehepaar Liebler sind die Sterbebilder, wie Mantel es ausdrückt "eine Erinnerung, die für ewig bleibt".

Sterbebilder geben Verstorbenen ein Gesicht

Gleichzeitig rückt mit den Exemplaren für sie auch ein Stück längst vergangener Geschichte wieder ins Bewusstsein. Vor einigen Wochen habe sei in der Zeitung einen Bericht über den Gelchsheimer Bombenangriff vor 80 Jahren gelesen hat, so Mantel. Für sie bekämen die Menschen, die damals im Gasthaus "Zum Kreuz" ihr Leben verloren haben, dank gefundener Sterbebilder ein Gesicht, sagt Mantel. Für die Giebelstadterin schufen die Bilder eine Verbindung zu Ottilia Menth (geborene Mark) und Helene Kuhn (geborene Breunig), die bei dem Angriff umgekommen sind und – wie sie selbst – aus Riedenheim stammten.

Nicht alle Todesfälle, die durch Mantels Sterbebilder dokumentiert sind, haben sich in der unmittelbaren Umgebung ereignet. Ein Blatt Papier, das durch Zufall bei der Sammlerin gelandet ist, erinnert an den am 20. April 1905 in Rimpar geborenen Bischof Adolf Gregor Schmitt. Dieser wurde am 5. Dezember 1976 bei Lupane in Rhodesien (dem heutigen Simbabwe) zusammen mit der 39-jährigen Missionsschwester Maria van den Berg und dem 69-jährigen Pater Possenti Weggartner von Rebellen getötet.

Die Tradition ist im Wandel

Sie bedauere, wie stark sich die Tradition der Sterbebilder verändert habe, sagt Mantel. Zwar hätten sie nach wie vor einen festen Platz im Ritual bei der endgültigen Verabschiedung von Verstorbenen. Allerdings halte sie die älteren Exemplare – vom Ende des 19. Jahrhunderts an bis hinein in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts – im Vergleich zu den modernen Bildern für ausdrucksstärker. Da erfahre man beim Betrachten den Geburts- und Sterbeort der Dahingeschiedenen ebenso wie den Familien- und Berufsstand sowie die Bitte um ein Gebet für den Verstorbenen.

Der in Rimpar geborenen Bischof Adolf Gregor Schmitt wurde in Rhodesien von Rebellen getötet. 
Foto: Hannelore Grimm | Der in Rimpar geborenen Bischof Adolf Gregor Schmitt wurde in Rhodesien von Rebellen getötet. 

Nach den Worten von Helmut Mantel sind die Sterbebilder "ein Stück Kulturgeschichte". Mit den Erinnerungsbildern wurde früher, so der Giebelstadter, " das Leben nach außen gekehrt, um den Menschen die Persönlichkeit der Verstorbenen nahezubringen".

Der katholische Brauch, sogenannte "Totenzettel" oder Sterbebilder zu drucken, der sich im 18. Jahrhundert von Holland aus über ganz Europa verteilte, hat besonders während der Kriege 1866 und 1870/71 und im Ersten Weltkrieg 1914/18 in Deutschland Einzug gehalten. Für viele der jungen Männer, die auf den Schlachtfeldern ihr Leben verloren hatten, war eine Beisetzung auf dem Friedhof in ihrer Heimat nicht möglich. Von ihnen blieb nichts zurück als das Sterbebildchen, das auch nach Jahrzehnten noch an das Leben des Gefallenen erinnert.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Giebelstadt
Hannelore Grimm
Erbschaften
Mütter
Rhodesien
Söhne
Verstorbene
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top