Es ist ein ruhiger Morgen, die Sonne scheint und nur wenige Autos sind auf den Straßen Würzburgs unterwegs. Diese Idylle zerreißt plötzlich Rockmusik und ein lautes Knattern, das vom Vogel-Convention—Center (VCC) ausgeht. Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude steht eine große Gruppe von Bikern, die sich zu einer Ausfahrt versammelt hat. Man sieht schwere Maschinen, dunkle Kleidung, viel Leder und Metall.
Das, was hier am Samstag passiert, ist jedoch keine gewöhnliche Motorradtour. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer steht nicht nur das Motorradfahren im Vordergrund, sie haben eine besondere Mission: Den Kampf gegen Depressionen.
Anfahren gegen die Depression
Gut 20 Prozent aller Deutschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Damit sind Depressionen eine der am weitesten verbreiteten Krankheiten – doch gesprochen wird darüber kaum. Die Initiative "Fellows Ride" will das ändern. Mit Motorraddemonstrationen macht sie auf die Volkskrankheit Depression aufmerksam und sammelt Spenden für regionale Hilfsprojekte.
"Psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen, haben noch keine Lobby. Darüber zu sprechen kann Leben retten", sagt Dieter Schneider, Begründer des "Fellows Ride". Mit 23 Jahren nahm sein Sohn sich in einer schweren Depression das Leben. Der passionierte Biker Schneider verarbeitete das Trauma auf einer Weltreise mit dem Motorrad. Aus Australien brachte er den "Black Dog Ride" mit, nach dessen Vorbild er in Deutschland den "Fellows Ride" ins Leben rief.
2021 fand die erste Motorraddemonstration in Würzburg statt, mittlerweile tourt die Initiative durch 14 Städte in Deutschland, Österreich, Portugal und Rumänien. 2023 soll ein neuer Meilenstein gesetzt werden: Im Juni wird die erste Motorraddemonstration in Berlin stattfinden. 1000 Bikerinnen und Biker werden erwartet und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wurde bereits als Schirmherr angefragt.
Den Betroffenen Mut machen
Den Auftakt für die Saison 2023 machte der "Fellows Ride" in Würzburg am Samstag. Auf einer 179 Kilometer langen Route ging es von Würzburg aus in den Spessart und wieder zurück zur Abschlusskundgebung an der Würzburger Residenz. Mit dabei war auch Rainer Ehrenfels. Für den 66-Jährigen hat die Teilnahme an der Motorraddemonstration eine besondere Bedeutung: "Ich war 2018 selbst am Ende. Durch Überlastung auf der Arbeit bin ich in einen Burn-Out gerutscht und von da aus in eine Depression." Er verbrachte zehn Wochen in einer Klinik und ging in Therapie.
Inzwischen hat Rainer Ehrenfels seine Krankheit verarbeitet und will auch anderen Betroffenen Mut machen: "Es gibt zwar schon viele Anlaufstellen, aber immer noch zu wenig. In Zukunft muss es so sein, dass die Betroffenen keine Scheu haben, sich Hilfe zu suchen." Dieses Ziel hat sich auch "Fellows Ride"-Begründer Dieter Schneider gesetzt: "Ich bin kein Psychiater oder Therapeut, ich möchte dabei helfen ein Klima zu schaffen, in dem über mentale Krisen offen gesprochen werden kann."
Psychische Erkrankungen haben in Folge der Corona-Pandemie in den letzten Jahren stark zugenommen - besonders dramatisch ist der Anstieg bei Kindern und Jugendlichen. An sie richtet sich auch das diesjährige Spendenprojekt von "Fellows Ride": Ein Graphic Novel mit dem Titel "Auf und Ab". Das Buch ist in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten der Universitätsklinik Würzburg entstanden und soll für Aufklärung und Prävention bei jungen Menschen sorgen.
Pro Jahr sterben laut der Deutschen Depressionshilfe über 9000 Menschen durch Suizid. Für die Veranstalter des "Fellows Ride" ist das nicht tragbar: "Wenn wir nur ein Leben retten können, hat sich unsere Arbeit gelohnt." Die 300 Bikerinnen und Biker, die am Samstag den Startschuss für insgesamt 14 Demonstrationen gaben, unterstützen sie dabei - mit offenem Visier im Kampf gegen die Depression.