Die ÖDP, nur Nebendarsteller und Statist auf der großen bayerischen Politikbühne, ist ins Scheinwerferlicht gerückt: Die Kleinpartei, die bei der Landtagswahl im Oktober gerade einmal auf 1,6 Prozent kam, hat sich zum Ziel gesetzt, das Insektensterben in Bayern zu stoppen. Die erste Hürde hat die Öko-Partei im vergangenen Herbst genommen, als das von ihr initiierte Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ zugelassen wurde.
Fast 100 000 Unterschriften waren zusammengekommen – etwa viermal so viele wie nötig gewesen wären. Jetzt steht die zweite Hürde an: In den bayerischen Rathäusern liegen ab 31. Januar die Unterstützerlisten aus. Wenn sich bis 13. Februar zehn Prozent der Wahlberechtigten in Bayern – etwa eine Million Menschen – eintragen, muss der bayerische Landtag über konkrete Maßnahmen gegen das Artensterben und die Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes abstimmen.
Das Volksbegehren, so die ÖDP, sei ein „höchst wirksamer und rechtlich unangreifbarer Gesetzentwurf". Auch wenn alles unter dem Schlagwort "Rettet die Bienen" läuft, geht es um weit mehr. Bayern ist mit rund 35 000 Tierarten das artenreichste Bundesland Deutschlands. Die Vielfalt nimmt jedoch dramatisch ab, rund ein Viertel aller heimischen Tiere bewertet die Rote Liste des bayerischen Umweltministeriums als verschollen, ausgestorben oder bedroht.
Die Kernforderungen des Volksbegehrens:
- Erhalt von Hecken, Bäume und kleine Gewässer in der Landwirtschaft
- Schaffung blühender Randstreifen an allen Bächen und Gräben
- Umwandlung von zehn Prozent aller Wiesen in Blühwiesen
- Bayernweite Vernetzung von Lebensräumen und Ausbau von Biotopverbünden
- Massive Reduzierung des Pestizideinsatzes, pestizidfreie Bewirtschaftung aller staatliche Flächen
- Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, Steigerung ökologisch bewirtschaftete Flächen (von derzeit rund 10 Prozent) auf 30 Prozent im Jahr 2030
- Aufnahme des Naturschutzes in die Ausbildung von Land- und Forstwirten
Neben der ÖDP gehören die Grünen und der Landesbund für Vogelschutz (LBV) zum Trägerkreis des Volksbegehrens. Mittlerweile hat das Vorhaben mehr als hundert Organisationen und Verbänden als Unterstützer und Bündnispartner. Und sogar der mitgliederstarke Bund Naturschutz (BN) zählt dazu. Vor einem Jahr noch hatte der BN einem ersten Vorstoß der ÖDP eine Absage erteilt und das unter anderem mit dem hohen Aufwand und juristischen Mängeln begründet. Das dramatische Artensterben könne "maßgeblich nur auf nationaler und internationaler Ebene gelöst werden",so BN-Chef Richard Mergner damals.
Jetzt heißt es beim BN: "Mit dem Volksbegehren haben wir eine historische Chance, die Bienen und die Artenvielfalt insgesamt zu retten." Gegenwind kommt unter anderem vom bayerischen Bauernverband, besonders wegen der geforderten Mindestflächen für den ökologischen Anbau. Das Volksbegehren weise hier den "falschen Weg", sagt Bauernpräsident Walter Heidl. "Eine Ausdehnung des Ökolandbaus auf 20 bis 30 Prozent per Gesetz würde in einem Desaster für den Markt für regionale Bio-Erzeugnisse enden."
Was passiert, wenn mehr als 1 Million Unterschriften zusammenkommen
Kommen die geforderten Stimmen zusammen, ist der Landtag am Zug und hat mehrere Optionen: Er kann zum Beispiel den Vorschlag zur Gesetzesänderung - so wie er ist - annehmen,oder das Begehren ablehnen. In letztem Fall sind die Bürger wieder am Zug: Im Rahmen eines Volksentscheids dürften alle Stimmberechtigten mit Ja oder Nein über den Vorschlag abstimmen und die Politik könnte nicht mehr daran rütteln. Der Landtag hat die Möglichkeit, dabei auch über einen alternativen Gesetzentwurf zum selben Thema abstimmen zu lassen.
Wer zur Stimmabgabe wohin gehen muss, ist auf der Webseite des Volksbegehrens www.volksbegehren-artenvielfalt.de unter "Rathausfinder"aufgelistet. Zum Eintragen muss der Personalausweis mitgebracht werden. Die Eintragungszeit endet am 13. Februar.