"Väterlich" sei das Verhältnis zwischen Metzgermeister Gerd Seidenspinner und Lehrling Martin Emmerling schon zu dessen Lehrzeit gewesen: Zum Jahreswechsel übergab der 64-jährige Inhaber nun die Nachfolge seines Betriebs, der Metzgerei Seidenspinner in Hettstadt, an seinen mittlerweile 33-jährigen ehemaligen Auszubildenden. Der Fortbestand der einzigen örtlichen Metzgerei ist damit gesichert. Dies dürfte viele Hettstadter Bürger und Vereine freuen – müssen andernorts doch viele Metzgereien schließen.
Gegen Ende seiner Schulzeit hatte der neue Inhaber, Martin Emmerling, schon ein klares berufliches Ziel: Eine Bürotätigkeit schloss er nach Praktika in einer Bank und einer Versicherung generell für sich aus. Seine Berufung fand er stattdessen als Metzger-Lehrling im Betrieb von Metzgermeister Gerd Seidenspinner. Nach bestandener Gesellenprüfung, dem Besuch der Meisterschule im Anschluss sowie der erfolgreichen Fortbildung zum Betriebswirt, trat der 33-Jährige zum Jahreswechsel in die Fußstapfen seines Ausbilders. Unterstützt wird er dabei von seiner 32-jährigen Lebensgefährtin Vanessa Heer, die für den Party-Service und die Buchhaltung verantwortlich ist.
Kontakt zum Lehrmeister über viele Jahre gehalten
Die klassische Kombination einer Metzgerei mit Gaststätte als Familienbetrieb existierte für das Ehepaar Seidenspinner bis zum Jahr 1988. Dann verpachtete die Familie die Gaststätte, um sich ausschließlich dem Betrieb der Metzgerei und dem Verkauf der dort produzierten Fleisch- und Wurstwaren zu widmen. Im Jahr 2002 schloss die Gaststätte jedoch für immer. Seit 1986 führten die Seidenspinners ihren Betrieb mit klarer Aufgabenteilung: Gerd Seidenspinners Zuständigkeit war die Wurstküche, während Rita Seidenspinner die Waren verkaufte.
An der Wurstproduktion der Metzgerei Seidenspinner beteiligt war der neue Inhaber, Martin Emmerling, mit dem Beginn seiner Lehre im Jahr 2005. Diese schloss er 2008 mit der Gesellenprüfung als Kammersieger ab. Der Meisterschule in Frankfurt ließ Emmerling in Augsburg die Fortbildung zum Betriebswirt folgen, um anschließend bis zum Jahr 2020 wieder nach Frankfurt zurückzukehren. Der Kontakt zu seinem Lehrmeister Gerd Seidenspinner indes riss für Martin Emmerling in all den Jahren niemals ab. "Gerd und Rita waren und sind einfach meine Zieheltern", bringt der neue Inhaber das innige Verhältnis auf den Punkt. Und während die Pandemie seit März 2020 bei so manchem Betriebsinhaber Existenzängste auslöste, beschäftigte sich Martin Emmerling gedanklich intensiv mit der Übernahme seines Ausbildungsbetriebes.
Pachtvertrag zunächst auf zwei Jahre begrenzt
"Wenn man einen solchen Nachfolger für seinen Betrieb findet, braucht man nicht lange zu überlegen", ist Gerd Seidenspiner voll des Lobes für seinen Nachfolger. Auch den 27-jährigen Daniel Poßmann, der seit dem Ende seiner Ausbildung vor acht Jahren zur Belegschaft gehört, hat Seidenspinner selbst ausgebildet. Die Arbeit bereite ihm noch immer Spaß, aber die einzigartigen Voraussetzungen machten das Loslassen auch leicht, resümiert Gerd Seidenspinner.
Deshalb treten Gerd und Rita Seidenspinner gerne in ihrem Betrieb zurück, um dem Nachwuchs die Führung zu überlassen, wenngleich der Pachtvertrag zunächst auf zwei Jahre begrenzt ist. "Wir müssen für uns auch erst einmal sehen, ob die Resonanz aus der Bevölkerung ausreicht", so der neue Inhaber. Die bisherigen Öffnungszeiten für den Laden-Verkauf bleiben ebenso unverändert wie das Warensortiment – samt "Hedan-Pfeifer" und "Seidenspinner-Lkw". Eigene Kreationen kündigt der neue Inhaber Martin Emmerling hingegen für den Party-Service und die kommende Grill-Saison an.