Es sieht so aus, als stürbe das Metzgerhandwerk einen langsamen Tod. Gibt einer aus Branche sein Geschäft auf wie jüngst in der Semmelstraße in Würzburg, und ist der Name der Metzgerei Wohlklang, weil der Leberkäse ein Gaumenschmaus war, regt sich mediales Interesse. Weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit aber vollzieht sich das langsame Siechtum eines Berufs, den man getrost als eine Institution im deutschen Kulturgut bezeichnen kann.
Die Zahlen der Handwerkskammer für Unterfranken (HWK) sprechen für sich. Binnen zehn Jahren, von Ende 2004 bis Ende 2014, sank die Zahl der Metzgereien im Regierungsbezirk von 785 auf 563, also um gut 28 Prozent. In Würzburg gaben in dem gleichen Zeitraum nach Angaben von HWK-Sprecher Daniel
„Zu meiner Zeit gab es in der Berufsschule noch 200 Stifte, heute sind es vielleicht noch zehn.“
Röper neun von 26 Metzgereien auf, das sind 34,6 Prozent. Bundesweit ist die Zahl selbstständiger Betriebe im vergangenen Jahr um 372 gesunken, so der Deutsche Fleischer-Verband (DFV). Nach DFV-Angaben gibt es noch 13 559 eigenständige Meisterbetriebe in Deutschland, 14 Prozent weniger als vor zehn Jahren.
Beim Metzger-Sterben ist eine Trendumkehr wenig wahrscheinlich, denn an den Ursachen dürfte sich kaum etwas ändern. Da ist einmal die oft erdrückende Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter. Die locken mit Preissenkungen, weiten ihr Angebot stetig aus und bieten der urbanen Kundschaft oft auch zertifiziertes Bio-Fleisch an – damit kann bei Weitem nicht jeder Metzger dienen.
Außerdem leben inzwischen rund zehn Prozent der Menschen in Deutschland mehr oder weniger vegetarisch. Auch das bekommt die Branche zu spüren.
Der Hauptgrund für die Misere aber ist: Auch Metzger mit gut laufendem Geschäft haben Probleme, einen Nachfolger aus der Familie oder dem Betrieb zu finden. Es gibt insgesamt kaum Nachwuchs, weil offenbar kaum mehr Interesse an dem „Knochenjob“ besteht. „Zu meiner Zeit (1974 bis 1977, Anm. d. Red.) gab es noch 200 'Stifte' in der Berufsschule“, erinnert sich Metzgermeister Gerd Seidenspinner aus Hettstadt bei Würzburg, „heute sind es vielleicht noch zehn.“ HWK-Sprecher Röper hat auch hier aktuelle Zahlen aus Unterfranken parat. 2004 gab es noch 104 neue Azubis im Metzgerhandwerk, zehn Jahre später waren es noch 40: ein Rückgang um mehr als 61 Prozent.
Beim Bundesinstitut für Berufsbildung (Bibb) erklärt man sich das mit ungünstigen Arbeits- und Ausbildungszeiten, ähnlich wie bei Bäckern. Außerdem habe der Beruf ein schwieriges Image. Man habe mit Blut zu tun und mit Töten und Verarbeiten von Tieren – das schrecke eben einige ab. Metzgermeister Seidenspinner macht klar, dass die Tätigkeit bei Weitem nicht mehr so blutig ist wie früher, wo man vieles, was heute Maschinen erledigen, von Hand machen musste.
Was passiert, wenn so einer wie Seidenspinner keinen mehr findet, der seinen Laden übernehmen will? Die Leute müssen dann immer weiter wegfahren, um Fleisch und Wurstwaren einzukaufen. Natürlich bedeutet das immer auch eine Schwächung für das soziale Leben im Dorf: Kein schneller Schwatz mehr an der Theke mit dem Nachbarn, keine Extra-Scheibe Wurst für den Nachwuchs.
War's das also mit dem Metzger? Wird Deutschland in ein paar Jahren geschlossen nur noch im Supermarkt kaufen? Der Silberstreif am Horizont: Viele Kunden fragen genau nach, woher das Fleisch kommt, bestätigt Gerd Seidenspinner. Neben der Qualität ist vielen Kunden wichtig, dass Fleisch- und Wurstwaren aus der Region kommen.
Außerdem reagiert die Branche mit neuen Ideen und Rezepten. Dabei sind nicht in erster Linie Spezialitäten wie der Spargelschinken oder die Preiselbeer-Leberwurst gemeint, sondern neue Konzepte. Die Metzgerei Firsching in Werneck (Lkr. Schweinfurt) etwa ist schon vor neun Jahren auf die Bio-Schiene aufgesprungen, außerdem bietet man hinter der Theke mittlerweile vegetarische Köstlichkeiten an und garantiert, dass alle Wurstwaren glutenfrei hergestellt werden.
Der Partyservice aber ist in Werneck wie in Hettstadt und bei vielen anderen Metzgereifachgeschäften das zweite Standbein geworden. Gerd Seidenspinner spricht vom „Wochenendgeschäft“, und seine Mitbürger wissen sofort, wovon er redet. Die Metzgerei Seidenspinner ist dann inklusive „Chef“ bei Familienfeiern präsent, um mit Grillschinken, Spießbraten und/oder Haxen aufzuwarten. Und in dieser Nische macht kein Supermarkt und kein Discounter Konkurrenz.
Wenn dann ein wichtiges Angebot weggefallen ist, wird gejammert aber kein Zusammenhang mit dem eigenen Verhalten erkannt.
Dass die Discounter- und Supermarktware auf Dauer krankt macht und dann die Beiträge zu den Krankenversicherungen steigen, weil wir uns sprichwörtlich krank fressen, das wollen die Leute weder hören noch erkennen.