Ist der Verkauf von Hanftee verboten? Um diese Frage geht es im Herbst vor dem Amtsgericht Würzburg. Interessant ist der Prozess aus mehreren Gründen: Erstens gehen ihm Razzien voraus, die im Herbst 2019 Schlagzeilen gemacht hatten. Zweitens hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Leipzig vor kurzem ein Grundsatzurteil zu diesem Thema gefällt. Und drittens kaufen immer mehr Menschen Cannabisprodukte, wie sie in den unterfränkischen "Cannameleon"-Läden angeboten werden.
Worum geht es in dem Prozess in Würzburg?
Im Herbst beginnt am Amtsgericht Würzburg die Hauptverhandlung gegen vier Betreiber von Hanfläden in Würzburg und Schweinfurt. Vorgeworfen wird ihnen der Handel mit Betäubungsmitteln und deren unerlaubte Abgabe an Minderjährige. Konkret geht es um den Verkauf von Hanfblütentee, mit einem THC-Gehalt von bis zu 0,3 Prozent.
Wie ist die Gesetzeslage?
Legal ist der Handel mit Hanfprodukten nach dem Betäubungsmittelgesetz dann, wenn sie weniger als 0,2 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten – und der gewerbliche oder wissenschaftliche Zweck des Verkaufs einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließt. Unstrittig ist der Verkauf von Ölen oder Sprays, die aus Nutzhanf gewonnen werden. Anders ist es bei Tees: Die Staatsanwaltschaft Würzburg argumentiert, dass der Verkauf von Tee mit unverarbeiteten Hanfblüten an Endverbraucher grundsätzlich strafbar sei. Der Hanf werde hier nicht zu einem gewerblichen oder wissenschaftlichen Zweck verkauft.
Was passierte bei den Razzien im Herbst 2019?
Vier Staatsanwälte und 49 Einsatzkräfte der Polizei waren am 5. November 2019 bei der Durchsuchung in Schweinfurt und Würzburg im Einsatz. Sichergestellt wurden Computer, Geschäftsunterlagen sowie Proben von Hanf-Produkten. 16 ähnliche Einsätze gab es 2019 in anderen bayerischen Städten. Als "völlig überzogen" hatte den Einsatz von rund 500 Beamten die Fraktion der Grünen im Bayerischen Landtag kritisiert. In Würzburg hatte die Polizei die Wohnungstür des Ladeninhabers aufgebrochen und ihn gefesselt. Gegen den Mann läuft ein weiteres Verfahren wegen Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Besitz einer verbotenen Elektroschock-Waffe.
Wie hat der Bundesgerichtshof nun geurteilt?
Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig beschäftigte sich im März mit einem Urteil des Landgerichts Braunschweig. Dieses hatte 2020 zwei Ladenbesitzer, die Tee aus Nutzhanf verkauft hatten, wegen Handels mit Betäubungsmitteln zu mehrmonatigen Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Denn obwohl dieser Tee nicht mehr als 0,2 Prozent THC enthalten hatte, hätte man sich laut eines Gutachters trotzdem daran berauschen können, wenn man ihn als Backzutat verwendet. Die Leipziger Richter stellten dagegen fest, dass Hanftees grundsätzlich an Endverbraucher verkauft werden dürfen - wenn sich niemand daran berauschen kann. Damit hob der BGH das Braunschweiger Urteil auf. Das Landgericht habe nämlich nicht geprüft, ob die Angeklagten es beim Verkauf darauf angelegt hätten, dass der Tee zu Rauschzwecken missbraucht wird. Der Fall muss neu verhandelt werden.
Was sind die Folgen der höchstrichterlichen Entscheidung?
Die Branche freut sich über das Urteil. So erklärte der Verband der Cannabiswirtschaft, dass es jetzt ein Stück mehr Rechtssicherheit für Landwirte, Hersteller und Vertreiber von Nutzhanfprodukten gebe. Unklar ist allerdings, was ein Verkäufer genau tun muss, um einen Missbrauch zu verhindern. Für Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabiswirtschaft, ist dieser Missbrauch allerdings prinzipiell sehr unwahrscheinlich: Man müsste 40 Zigaretten aus Hanftee rauchen, um die Dosis eines normalen Joints zu erreichen, sagt er. Und wer einen berauschenden Muffin backen möchte, müsste laut Branchensprechern für 150 Euro Hanfblütentee kaufen.
Was bedeutet das BGH-Urteil für den Würzburger Fall?
Laut Jürgen Reiher, Richter und Pressesprecher des Amtsgerichts, habe das Gericht mit der Zulassung der Anklage "eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, aber vor allem die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dem Themenkomplex abgewartet". Das heißt, die Ansicht des BGH über die bedingte Zulassung des Verkaufs von Hanftees ändert nichts daran, dass das Gericht einen hinreichenden Tatverdacht sieht, der bei der derzeitigen Beweislage eine Verurteilung der Angeklagten wahrscheinlich macht. Dennoch ist die Entscheidung aus Leipzig laut dem Würzburger Strafverteidiger Norman Jacob jr. bedeutsam. "Das BGH-Urteil widerlegt die Auffassung der Würzburger Staatsanwaltschaft, dass der Verkauf von Hanftee an Endverbraucher prinzipiell verboten ist", sagt Jacob, der einen der Angeklagten vertritt. "In Anbetracht der an den Tag gelegten Transparenz der 'Cannameleon'-Betreiber vom ersten Tag an wird sich in der Hauptverhandlung zeigen, dass der Verkauf gerade nicht zu Rauschzwecken erfolgte."
Pro Jahr sterben in diesem Land ca. 120.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums (darunter ca. 3.000 Passivraucher, die am Tabakkonsum anderer zu Grunde gehen) . Rund 74.000 sterben am Alkohol. Mehr als ein Viertel aller Gewaltdelikte werden unter Alkoholeinfluss begangen.
Leider interessiert das niemanden … das ist gesellschaftlich legitimiert. Und wer irgendwas katastrophal Blödes angestellt hat, dem kann nichts Besseres passieren, als dabei hackedicht unterwegs gewesen zu sein – dann gibt’s Verständnis vom Richter und ein entsprechend mildes Urteil. Man war ja schließlich nicht mehr Herr seiner Sinne und über sich selbst … die Möglichkeiten des § 323a StGB werden auffallend zurückhaltend genutzt.
Aber wenn jemand Tee(!) mit 0,2% THC-Anteil verkauft, dann rotieren Exekutive und Judikative, als wäre unsere gesellschaftliche Grundordnung bedroht …
Das ist so unfassbar absurd …
Deutschland schnarcht weiter, und wenn dann noch die Arminflasche kommt, noch viel tiefer.
Mir graust's.