zurück
Würzburg
Berufungsverfahren um Anschlag auf Werntalbahn: Was die verurteilten Querdenker vor Gericht in Würzburg vorbringen
Sie waren vom Amtsgericht Gemünden wegen Eingriffs in den Bahnverkehr und Nötigung verurteilt worden: Ein 39-Jähriger und eine 63-Jährige weisen die Vorwürfe erneut zurück.
Neue Verhandlung am Landgericht Würzburg: Eine 63-Jährige und ein 39-Jähriger, die in erster Instanz vom Amtsgericht Gemünden wegen des Anschlags auf die Werntalbahn verurteilt worden waren, an diesem Mittwoch im Berufungsverfahren vor Richter Thomas Trapp.
Foto: Thomas Obermeier | Neue Verhandlung am Landgericht Würzburg: Eine 63-Jährige und ein 39-Jähriger, die in erster Instanz vom Amtsgericht Gemünden wegen des Anschlags auf die Werntalbahn verurteilt worden waren, an diesem Mittwoch im ...
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:54 Uhr

Als am Abend des Dreikönigstags 2021 ein ICE trotz Notbremsung in das Banner rauschte, das über das Gleis der Werntalbahn gespannt war, wirkte das wie ein Fanal für eine Radikalisierung der Gegner der Corona-Maßnahmen. Im Prozess um das Plakat fand vor dem Landgericht Würzburg jetzt das Berufungsverfahren statt: Der heute 39-jährige Angeklagte aus Bad Bocklet sowie die 63-jährige Beschuldigte aus Bad Kissingen, die in erster Instanz verurteilt worden waren, bestritten ihre Beteiligung an der Tat.

Das Amtsgericht Gemünden (Lkr. Main-Spessart) hatte beide im Dezember 2022 wegen fahrlässigen und gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr in Tateinheit mit Nötigung zu Gefängnisstrafen verurteilt. Doch der 39-Jährige will überhaupt nicht am Tatort gewesen sein, sondern gemeinsam mit der Angeklagten an jenem Dreikönigstag am Kreuzberg Parolen in den Schnee gesprüht haben.

Am Landgericht Würzburg war man offenbar davon ausgegangen, dass die Berufungsverhandlung Unterstützer anziehen sollte: Jeder, der die Verhandlung an diesem Mittwoch besuchen wollte, musste eine zusätzliche Einlasskontrolle vor dem Gerichtssaal passieren. Der erhöhte Sicherheitsaufwand war jedoch nicht nötig, es kam keine unerwarteten Gäste.

Selbstbewusster und wortgewandter Beschuldigter

Der 39-Jährige ist seiner eigenen Darstellung nach eine der zentralen Figuren in der unterfränkischen "Querdenker"-Szene. Er habe bis vor etwa einem Jahr gut 200 Demonstrationen in der Region Schweinfurt und Bad Kissingen organisiert, darunter auch die Würzburger Großdemo mit Querdenken-Gründer Michael Ballweg.

Das Schöffengericht erlebte einen entsprechend selbstbewusst auftretenden Angeklagten, der sich – unterstützt von Rechtsanwalt Jens-Peter Schneider aus Gotha - wortgewandt verteidigte. Für eine Tat, die er nicht begangen habe, könne er auch nicht verurteilt werden. Seine Verurteilung basiere lediglich auf Vermutungen. Es sei der Staat, der hart gegen die vorgehe, die Widerstand leisteten.

Die 62-jährige Angeklagte zog es vor, zu schweigen. Bei einer Hausdurchsuchung habe sie damals, als die Polizei die Tür mit einem Rammbock öffnete, einen doppelten Bruch des Mittelfußes erlitten. Auf die Frage des Richters, warum sie trotz der Schmerzen nicht zum Arzt gegangen sei, erklärte sie, dass sie hierfür eine Maske hätte tragen müssen. 

Ein mitgeschnittenes Telefonat als zentraler Beweis im Indizienprozess

Bei der Hauptverhandlung in Gemünden hatten der Angeklagte und seine damalige Anwältin in erster Linie die Verwertbarkeit eines mitgeschnittenen Telefonats infrage gestellt. Das Telefongespräch mit einem Mitglied der "Anwälte für Aufklärung" diente als zentrales Beweisstück des Indizienprozesses. Nun jedoch soll es der entscheidende Beweis für die Entlastung des Mannes sein. Und die Anwältin, die das Verfahren inzwischen abgegeben hat, soll als Entlastungszeugin auftreten.

Richter Thomas Trapp fiel es spürbar schwer, diese neue Verteidigungsstrategie ernst zu nehmen. Zu eindeutig erschienen ihm die Beweise. Die Corona-Zeit sei vorbei, appellierte er vergeblich an den vierfachen Vater, über den Einspruch und das damit verbundene Risiko einer deutlich höheren Haftstrafe nochmals nachzudenken: "Es muss doch mal ein Ende haben." Die Freiheit sei schließlich das Wichtigste im Leben.

Angeklagter: Fotos vom Ort des Anschlags nur geschickt bekommen

Der 39-Jährige sieht dazu jedoch keinen Grund. Von den Plakaten auf dem Bahngleis will er erst ein oder zwei Tage später erfahren haben. Die nachweisbar von ihm kurz nach dem Vorfall in eine Telegramm-Gruppe eingestellten beiden Bilder vom Anschlagsort habe er geschickt bekommen und ohne größeres Nachdenken in die Gruppe eingestellt. Sein am Tatort, dem Friedhof Stetten, beobachteter weißer Volvo sei damals von der gesamten Aktionsgruppe verwendet worden. "Ultimativer Beweis" für seine Unschuld sei, dass er zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt mit dem Handy nicht am Tatort eingeloggt gewesen sei. Eben zu diesem Zeitpunkt habe er sich am Kreuzberg befunden.

Anwalt Schneider, der ebenso wie die Verteidigerin zuvor den "Anwälten für Aufklärung" angehört, sieht kein Motiv. "Man mag davon halten, was man will, der Angeklagte hat immer seine Fahne gegen die Corona-Maßnahmen hochgehalten", stellte er fest. Die über die Bahnstrecke gespannten Plakate mit Aufschriften wie "Letzte Warnung Gleisbruch" oder "Diesmal Fake" würden keinerlei Verbindung zu den Corona-Protesten erkennen lassen, argumentiert Schneider.

Notbremsung mit 72 Fahrgästen im ICE - und zum Glück keine Verletzten

Die gefertigten Aufsteller waren am Tattag vermutlich gegen 17 Uhr aufgestellt worden. Wenig später rauschte der ICE 1556 aus Schweinfurt mit 100 Stundenkilometern und 72 Fahrgästen in das erste Plakat. Trotz sofortiger Notbremsung blieb der Zug erst 200 Meter nach der ersten Plane stehen. Nur durch Glück gab es keine Verletzten.

Das Gericht hat drei Fortsetzungstermine bis Ende Mai angesetzt.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Gemünden
Stetten
Bad Kissingen
Bad Bocklet
Schweinfurt
Christian Ammon
Amtsgericht Gemünden am Main
Angeklagte
Bahngleise
ICE
Landgericht Würzburg
Passagiere und Fahrgäste
Polizei
Schienenstrecken
Volvo
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Martin Deeg
    ….“zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt mit dem Handy nicht am Tatort eingeloggt gewesen sei. Eben zu diesem Zeitpunkt habe er sich am Kreuzberg befunden.“….

    Was die Frage aufwirft, wo das Handy zur Tatzeit „eingeloggt“ war.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Klaus Fiederling
    wichtig ist doch, dass der 39jährige Täter und seine 62jährige Mitstreiterin die gerechte Strafe erhalten, was sie verbrochen haben. Alles andere ist Nonsenz.
    In unserem Staat werden halt manche immer noch zu wenig verurteilt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Franz Barthel
    Es war kein Schöffengericht

    Und für den nächsten Prozesstag vormerken: Verhandelt wird nicht vor einem Schöffengericht ( 5. Absatz), sondern vor einer Strafkammer des Landgerichts. Scheinbar dasselbe, ein Richter, zwei Schöffen, aber halt die nächste Instanz.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    ….“über den Einspruch und das damit verbundene Risiko einer deutlich höheren Haftstrafe nochmals nachzudenken: "Es muss doch mal ein Ende haben." Die Freiheit sei schließlich das Wichtigste im Leben.“….

    Dass der Angeklagte unschuldig sein könnte, findet in dieser Gedankenwelt offenbar nicht einmal als Möglichkeit Platz.

    Eine Berufung ist eine Tatsaxheninstant, auch in Würzburg!

    Angeklagte, die diese Berufungsinstanz als Rechtsmittel in Anspruch nehmen, mit „Drohungen“ zu einer Rücknahme der Berufung zu bewegen, ist ungeheuerlich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Michael Wolfrum
    Ein guter Ratschlag ist noch lange keine Drohung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Das hier kann nicht nur eine Drohung sondern aufgrund des Machtverhältnisses ggf. auch als Erpressung oder Nötigung zu werten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hiltrud Erhard
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten