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Würzburg
Bayerns DGB in Würzburg: Warum Frank Firsching keine generelle Impfpflicht fordert
Immer mehr Beschäftigte im Homeoffice, Impfpflicht-Debatte, Pflege-Krise: Corona fordert die Gewerkschaften heraus. Unterfrankens DGB-Chef sagt, was jetzt passieren muss.
Frank Firsching ist seit 2014 Regionsgeschäftsführer für den DGB Unterfranken. Zuvor war er ab 2003 Vorsitzender der DGB-Region Schweinfurt, ab 2010 der DGB-Region Würzburg/Schweinfurt.
Foto: Thomas Obermeier | Frank Firsching ist seit 2014 Regionsgeschäftsführer für den DGB Unterfranken. Zuvor war er ab 2003 Vorsitzender der DGB-Region Schweinfurt, ab 2010 der DGB-Region Würzburg/Schweinfurt.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:00 Uhr

Erstmals in ihrer Geschichte tagt die Bezirkskonferenz Bayern im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Würzburg. Wegen Corona werden die meisten der 100 Delegierten aus den Fachgewerkschaften der Versammlung an diesem Freitag und Samstag, 28. und 29. Januar, aber nur digital zugeschaltet sein. Im Mittelpunkt steht die Wahl eines Nachfolgers des verstorbenen bayerischen DGB-Chefs Matthias Jena. Außerdem werden die Geschäftsführer der acht bayerischen Regionen gewählt. Für den DGB Unterfranken tritt erneut Frank Firsching an. Der 57-jährige Schweinfurter hat das Amt seit 2014 inne.   

Frage: Herr Firsching, was ist die größte Herausforderung für  Gewerkschaftsarbeit in Zeiten von Corona?

Frank Firsching: Zum einen geht es darum, möglichst viele Arbeitsplätze über diese Pandemie hinaus zu erhalten. Es ist ein Verdienst von uns Gewerkschaften, dass das Instrument der Kurzarbeit so konsequent eingesetzt wurde und wird. Zum anderen geht es darum, trotz schwieriger Rahmenbedingungen die Einheit innerhalb der Gewerkschaften zu sichern. So gibt es auch bei uns Mitglieder, die sich nicht impfen lassen wollen.

Was sagen Sie denen?

Firsching: Der DGB begrüßt alle Werbe- und Informationskampagnen, die dazu dienen, die Ansteckungsgefahren zu reduzieren und die Impfbereitschaft auf freiwilliger Basis zu erhöhen. Wir raten allen Kolleginnen und Kollegen, sich impfen zu lassen. Eine generelle Impfpflicht fordern wir aber nicht. Sie erfordert einen breiten gesellschaftlichen Konsens, der zuerst hergestellt werden muss.

Warum nicht? Ist Impfen nicht auch ein Akt der Solidarität unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern?

Firsching: Deshalb werben wir fürs Impfen. Gewerkschaften tun sich grundsätzlich schwer damit, wenn Beschäftigte verpflichtet werden, bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, um ihre Familien ernähren zu können.

Mindestens ein Viertel aller Beschäftigten arbeitet derzeit im Homeoffice. Ist das aus Gewerkschaftssicht gut?

Firsching: In einer Pandemie ja. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass Betriebs- und Personalräte solche Lösungen in den Betrieben mit der Geschäftsführung gemeinsam erarbeiten. Gesundheitsschutz ist im Interesse beider Seiten. Ganz grundsätzlich sollte es keine Pflicht zum Homeoffice geben, das sollte freiwillig bleiben.

Gleichzeitig fordern Sie ein Recht auf Homeoffice.

Firsching: Genau. Viele Beschäftigte wünschen sich die Möglichkeit, dauerhaft ein paar Tage in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten, um Familie und Beruf besser miteinander verzahnen zu können. Wir sind dafür, dies gesetzlich zu verankern.

Homeoffice hat aber auch Nachteile, die Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben wird schwieriger. Dies kann doch nicht im Interesse der Gewerkschaften sein.

Firsching: Ja, die drohende Entgrenzung der Arbeitszeit ist ein Problem. Auch da wünsche ich mir Betriebsvereinbarungen, wie es sie in einigen Unternehmen schon gibt. Dort kann geregelt werden, wie die Arbeitszeit im Homeoffice erfasst wird, wie Überstunden abgegolten werden. Aber auch Maßnahmen, um beispielsweise zu verhindern, dass die Beschäftigten nach 20 Uhr noch Mails beantworten können, lassen sich so festlegen.

"In sozialen Berufen haben viele Beschäftigte eine Scheu, für die eigenen Interessen auch mal auf die Straße zu gehen."
Frank Firsching, DGB-Regionsvorsitzender für Unterfranken
Corona hat viele Defizite in der Pflegebranche offengelegt. Was kann man tun, um die Arbeitsbedingungen dort zu verbessern?

Firsching: In der Pflege braucht es vor allem mehr Personal, das heißt, die Personalschlüssel in den Einrichtungen müssen deutlich nach oben geschraubt werden, damit die Kolleginnen und Kollegen dort auch freihaben, wenn sie auf dem Dienstplan "frei" eingetragen haben. Bessere Arbeitsbedingungen erhöhen die Attraktivität des Berufs. Am Geld liegt es nicht überall. Aber dort, wo schlecht bezahlt wird, häufig bei privaten Pflegeanbietern, sind auch deutlich höhere Löhne nötig.

Pflegekräfte sind deutlich schwächer gewerkschaftlich organisiert als etwa Industriearbeiter, denen es wirtschaftlich meistens aber besser geht. Woher kommt das?

Firsching: In sozialen Berufen haben viele Beschäftigte eine Scheu, für die eigenen Interessen auch mal mit einem Warnstreik auf die Straße zu gehen. Man denkt an die Patienten und Bewohner, die zu versorgen sind, und will diese nicht alleine lassen. Das führt dann aber dazu, dass zu wenig gewerkschaftliche Kraft mobilisiert wird, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Davon haben Patienten und  Heimbewohner dann auf Dauer aber auch nichts.

"Renten müssen armutsfest sein, ohne dass das Renteneintrittsalter deswegen erhöht wird."
Frank Firsching, DGB-Regionsvorsitzender
Seit Dezember gibt es eine neue SPD-geführte Bundesregierung. Was sind Ihre Erwartungen?

Firsching: Es gilt, den gesellschaftlichen Fortschritt voranzutreiben. Darunter verstehen wir mehr Mitbestimmungsrechte für Betrieb- und Personalräte, mehr Möglichkeiten für Gewerkschaften, die Transformation – Stichworte sind der Klimawandel und die Digitalisierung – mitzugestalten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beispielsweise weiter zu qualifizieren, um so möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Dafür braucht es erhebliche finanzielle Mittel. Sozialpolitisch bedarf es größter Anstrengungen, um das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich zu reduzieren.

Was muss konkret passieren?

Firsching: Renten müssen armutsfest sein, ohne dass das Renteneintrittsalter deswegen erhöht wird. Langzeitarbeitslose müssen besser abgesichert, die Hartz IV-Sätze also deutlich angehoben werden. Wir begrüßen die Erhöhung des Mindestlohns, dennoch ist der Niedriglohnsektor noch viel zu groß. Deshalb braucht es große Anstrengungen, die Tarifbindung in der Republik zu erhöhen. Es müssen wieder mehr Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Außerdem fordern wir ein Tariftreuegesetz, das sicherstellt, dass öffentliche Aufträge nur noch Unternehmen bekommen, die sich an Tarifverträge halten.

 
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  • Eine Impfpflicht, wo man sich und andere erwiesenermaßen nicht schützt und wo es zu vielen Impfdurchbrüchen kommt, ist nicht verfassungsgemäß. Ich spritze mir keinen Stoff, wo es noch vor Wochen hieß, dass zwei Impfungen ausreichen. Heute braucht man drei. Bald vier. Die Langzeitstudien hätten halt abgewartet werden müssen.
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  • Zeeder
    Und hoffentlich beginnt auch noch ein anderes Argument zu bröckeln. Wenn hoffentlich weniger Menschen wegen einer Coronainfektion stationär behandelt werden müssen, muss man auch das Gesundheitswesen nicht mehr vor Überlastung schützen. Hinzu kommt: In der vierten Welle (Delta) waren 66% der Intensivpatienten 60 und älter. Ich bin zwar gegen die Impfpflicht bei Corona. Aber wenn eine eingeführt werden sollte, dann für die über 60-Jährigen aus oben genannten Grund.
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  • Am liebsten wäre tatsächlich die Beratungspflicht und dann ggf. im Sommer eine altersgestaffelte Impfpflicht für tatsächlich Gefährdete. Wenn überhaupt. Die Sterberate für U30 liegt bei 0,2-0,3 %. Hier kann man nicht mehr argumentieren, dass man mit der Impfung andere schützt. Das stimmt so nicht. Man ist auch als Geimpfter infektiös. Punkt.

    Quelle seriösa (sic!): https://www.aerzteblatt.de/archiv/214402/Altersabhaengigkeit-der-Todesraten-im-Zusammenhang-mit-COVID-19-in-Deutschland
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  • semistar
    Irgendwie scheint die Menge der Zweifler einer Impfpflicht doch nicht so eine kleine Minderheit zu sein, wie uns immer weis gemacht wird.
    Gefühlt hat diese angebliche Minderheit inzwischen kräftig aufgeholt und strebt der 50% Marke entgegen.
    Und tatsächlich haben beide Seiten gute Argumente. So gut, dass es da kaum noch Meinungswechsel geben wird.
    Die Frage ist nur, ob man ein Volk tatsächlich vor so eine grundsätzliche und schwerwiegende Entscheidung überhaupt stellen muss. Vor allem wenn eine Impfpflicht nicht den gewünschten Erfolg bringt, wird diese Thematik noch lange nachhallen. Und aktuell macht die Krankenhausbelegung kaum Kummer.
    Wartet man mit einer Impfpflicht hätte man für den Fall der Fälle immer noch ein Ass im Ärmel.
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