Eine ganz normale Weihnachtsfeier, aber eben doch ungewöhnlich. Denn, was lief bei Bavaria Yachtbau in Giebelstadt heuer schon normal. Erst die Insolvenz, dann eine monatelange Zitterpartie, ob sich überhaupt ein neuer Eigentümer für den einstmals größten Bootsbauer Europas findet.Bis Mitte Oktober die Beteiligungsgesellschaft CMP die Firma übernahm und versprach, Bavaria samt seiner rund 550 Mitarbeiter wieder zu alter Größe führen zu wollen.
All diese Mitarbeiter waren samt ihren Familien zur Feier auf dem Werksgelände eingeladen. Sie sollte zugleich ein Fest zum 40. Firmenjubiläum sein, das während des ereignisreichen Jahres in den Hintergrund getreten war. Eine Geste des Dankes, wie Geschäftsführer Ralph Kudla betonte. Dank dafür, dass die Belegschaft der Firma in den turbulenten Zeiten die Treue gehalten habe. "Während unserer Analyse des Unternehmens sind wir auf hoch motivierte und loyale Mitarbeiter getroffen." Dies sei ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Übernahme gewesen, sagt Kudla, der im Kreis der Geschäftsführung für die Restrukturierung verantwortlich ist.
Zeichen dieser Loyalität sei die lange Zugehörigkeit zum Unternehmen. 274 Mitarbeiter, also fast genau die Hälfte, seien bereits seit mehr als zehn Jahren bei Bavaria. "Es gibt also noch viele, die das Gefühl kennen, richtig erfolgreich zu sein, und die auch noch die Zutaten für diesen Erfolg kennen", so Kudla weiter. Darauf wolle man aufbauen. "Nach zehn Jahren, in denen es nicht so lief, ist es an der Zeit, dass es wieder aufwärts geht."
Auch wie er das erreichen will, machte Ralph Kudla deutlich.Die unübersichtliche Modellvielfalt wolle man eindampfen und wieder auf die eigenen Stärken in Engineering und Serienproduktion setzen. "Italiener und Franzosen können vielleicht die schöneren Boote entwerfen, aber unser Können sind die effiziente Herstellung und die Praxistauglichkeit", so Kudla. Das Design sei deshalb das einzige, was man extern in Auftrag geben könne. Alles übrige solle wieder "hundert Prozent made in Giebelstadt" sein.
Gründe der wirtschaftlichen Schieflage
Eine Abkehr also von der Unternehmenspolitik, die auch Betriebsratsvorsitzender Christian Hartmann und der Hamburger Sanierungsexperte Tobias Brinkmann als Ursache der wirtschaftlichen Schieflage ausgemacht hatten.Brinkmann war vom Amtsgericht als Geschäftsführer während der Insolvenz in Eigenverwaltung eingesetzt worden und hatte Monate später die Übernahme durch CMP eingefädelt.
Die frühere Modellpolitik habe sich nicht mehr an den technischen Möglichkeiten der Produktion orientiert, sondern an den Vorgaben des Vertriebs, meinte Hartmann unlängst in einer Pressekonferenz. Eine der Folgen war, dass das vermeintlich neue Flaggschiff der Werft, eine 20-Meter-Yacht, nicht mehr auf die Giebelstadter Bandanlage gepasst hat, und dafür in Cadolzburg eine neue Produktionsstätte aufgebaut werden sollte. Neue Modelle seien bereits verkauft worden, bevor ihre Produktion serienreif war, so Brinkmann. Die Produktionskosten schnellten dadurch in die Höhe.
Vertriebschef ausgetauscht
Die Pläne für einen neuen Produktionsstandort sind vom Tisch, die 20-Meter-Yacht ist Geschichte. Auch personelle Konsequenzen haben die neue Eigentümer gezogen. Zum 1. Dezember wurde Michael Müller als neuer Vertriebs- und Marketingchef in die Geschäftsführung berufen, der zuvor laut Pressemitteilung schon bei anderen Projekten erfolgreich mit dem Team von CMP zusammengearbeitet habe.
Ralph Kudla setzt für die Zukunft auf eine weniger wechselhafte Strategie. "Wir haben uns für einen Weg entschieden und wollen Kurs halten", machte er vor den Mitarbeitern deutlich. Auch die Produktion hat wieder Fahrt aufgenommen. Die am Tag der Übernahme Mitte Oktober auf Kiel gelegte Yacht steht inzwischen in weißer Folie verpackt auf dem Werkshof zur Auslieferung bereit. Insgesamt knapp 100 Boote befinden sich derzeit in unterschiedlichen Stadien der Fertigung, so Kudla.
Auch unter den Mitarbeitern ist Zuversicht zurückgekehrt. "Es hat gut angefangen, jetzt müssen wir sehen, wie es weitergeht", sagt etwa Johann Michel, der nach 38 Jahren zu den altgedientesten Bavarianern zählt. Seit 18 Jahren ist Schreinermeister Wolfgang Schöller mit an Bord. Während der Insolvenzphase habe er mehrere Angebote anderer Firmen erhalten, erzählt er – und abgelehnt. "Wir wussten, dass Bavaria eine starke Firma ist, und haben daran geglaubt, dass es weitergeht", so Schöller, "wie man es jetzt angepackt hat, stimmt mich optimistisch."
Bei der "Boot" in Düsseldorf vom 19. bis 27. Januar, der weltgrößten Bootsmesse, wird Bavaria mit einem 1700 Quadratmeter großen Stand und 19 Segel- und Motorjachten vertreten sein. "Wir wollen unsere Auftragsbücher weiter füllen", sagt Ralph Kudla. Angestrebtes Ziel sei es, im ersten Jahr 400 bis 500 neue Jachten zu bauen. Sein Dank galt deshalb vor allem den Mitarbeitern, die neben den Messevorbereitungen auch noch die Weihnachtsfeier mit über 1100 Gästen organisiert haben.
Im Gegenzug legten sich die Geschäftsführer an diesem Abend für ihre Mitarbeiter ins Zeug. Produktionschef Erik Appel servierte den gebratenen Ochsen, Ralph Kudla und Finanzchef Peter Rindler schoben Dienst am Getränkestand. Eine Geste, die auch den inzwischen aus der Geschäftsführung ausgeschiedenen Sanierungsexperten Tobias Brinkmann beeindruckte. Mit Frau und Kindern war er aus Hamburg zur Feier angereist, um der Familie zu zeigen "wo sich der Papa den ganzen Sommer über herumgetrieben hat." Dass es gelungen ist, Bavaria zurück in ruhiges Fahrwasser zu bringen, freue ihn dabei am meisten, meinte er.