
Die zunehmende Bedeutung von Tagespflegeeinrichtungen ist unbestritten. Sie erlauben es alten Menschen, länger in ihrem gewohnten Umfeld zu leben, entlasten pflegende Angehörige, ermöglichen den Betroffenen soziale Kontakte und sparen den Sozialkassen im Vergleich zur stationären Pflege in einem Heim erheblich Kosten. Seit 2017 arbeitet die Caritas-Sozialstation St. Kunigund, die im gesamten südlichen Landkreis Würzburg tätig ist, am Konzept für den Bau einer solchen Tagespflege in Sonderhofen.
Inzwischen liegen genehmigte Pläne und alle Ausarbeitungen der Fachplaner auf dem Tisch, um die realen Kosten berechnen zu können; zudem ein Förderbescheid über 600.000 Euro und verschiedene Finanzierungsangebote von Banken. Trotzdem droht das Vorhaben auf der Zielgeraden noch zu scheitern, weil nicht alle Mitgliedskommunen bereit sind, sich über höhere Jahresbeiträge an der Finanzierung zu beteiligen.
Die Kombination aus Sozialstation und Tagespflege bietet viele Vorteile.
Zehn Gemeinden im südlichen Landkreis gehören der Sozialstation an. Dort betreuen 34 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, viele davon in Teilzeit, insgesamt rund 170 Pflegebedürftige. Die Sozialstation um eine Tagespflege zu erweitern, sei absolut sinnvoll, sagt stellvertretender Vorsitzender Ludwig Mühleck, der das Projekt seit 2017 vorantreibt. "Es besteht kein Zweifel, dass das ein Modell mit Zukunft ist", so Mühleck. Die Angliederung an die Sozialstation biete weitere Vorteile, etwa weil das Personal flexibler eingesetzt werden kann, oder weil bereits langjährige Kontakte zu den zu Pflegenden bestehen.
Neben dem neuen Kindergarten hat die Gemeinde Sonderhofen ein Grundstück in Erbpacht zur Verfügung gestellt, auf dem der zweigeschossige Neubau entstehen könnte. Im Obergeschoss hätte die Sozialstation ihren Sitz, im Parterre die Tagespflege mit 24 Plätzen. Weil Seniorinnen und Senioren in der Regel nur ein- oder zweimal pro Woche die Tagespflege besuchen, könnten dort zwischen 70 und 100 Personen betreut werden, so der Vorsitzende der Sozialstation und Röttinger Bürgermeister Hermann Gabel.
Ein hoher Zuschuss und ein Förderkredit sind bereits zugesagt.
Rund 210.000 Euro hat die Sozialstation bereits für die Planung ausgegeben, darunter ein Fachplaner für die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Sie ist Voraussetzung für ein zinsverbilligtes Darlehen der Förderbank KfW in Höhe von rund einer Million Euro. 600.000 Euro an Zuschuss kommen aus dem Programm "PflegeSoNah" der Bayerischen Staatsregierung. Trotzdem klafft eine Finanzierungslücke von 750.000 Euro – vor allem aufgrund der stark gestiegenen Baupreise, wie Kassier Michael Hersam sagt.
"Die Inflation ist unser Hauptproblem", sagt Ludwig Mühleck, "2017 haben wir noch über Baukosten von 1,6 Millionen Euro gesprochen, heute sind wir bei knapp 2,6 Millionen". Die Finanzierungslücke von 750.000 Euro hofft die Sozialstation nun über eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrags der angeschlossenen Gemeinden und Kirchenverwaltungen schließen zu können. Zusätzliche jährliche Einnahmen von rund 50.000 Euro wären nötig, um die Summe mit einem Bankkredit über die Laufzeit von 25 Jahren zu finanzieren, so Mühleck weiter.
Bislang zahlen die zehn angeschlossenen Gemeinden jährlich für jeden ihrer insgesamt 16.749 Einwohnerinnen und Einwohner einen Euro. Der gleiche Betrag kommt von den 32 beteiligten katholischen Kirchengemeinden für jedes der aktuell 9118 Gemeindemitglieder. Um die Finanzierung zu sichern, wäre eine Erhöhung des Gemeindebeitrags auf 3,50 Euro nötig. Kirchengemeinden sollten künftig zwischen zwei und drei Euro mehr pro Mitglied zahlen.
Der Giebelstadter Gemeinderat hat rechtliche Bedenken gegen eine Beteiligung.
Die überwiegende Zahl der Gemeinderäte habe der Erhöhung bereits zugestimmt, so Vorsitzender Hermann Gabel. Auf Ablehnung stieß der Antrag aber ausgerechnet beim Markt Giebelstadt, der mit 5700 Einwohnern rund ein Drittel des Beitragsaufkommens der Gemeinden stellt. Mit großer Mehrheit hat der Gemeinderat dort den Antrag abgelehnt.
"Ich finde das Projekt klasse, aber wir sind in einer sehr misslichen Situation, weil wir eine funktionierende Tagespflegeeinrichtung haben, zu der die Gemeinde keinen Cent beigetragen hat", sagt Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer gegenüber der Redaktion. Die einseitige Beteiligung an der Caritas-Tagespflege würde deren privaten Betreiber benachteiligen. "Da sehe ich rechtliche Probleme und habe noch keine Lösung gehört, wie wir diesen Spagat schaffen könnten." Deshalb will er die Rechtsaufsicht am Landratsamt mit dem Thema befassen.
Misslich ist Krämers Situation auch deshalb, weil er gleichzeitig Sprecher der kommunalen Allianz "Fränkischer Süden" ist, der sämtliche Gemeinden der Sozialstation angehören und die sich die interkommunale Zusammenarbeit auf die Fahne geschrieben hat. Ludwig Mühleck hatte Hoffnung in diese Allianz gesetzt. "Da hätte sie mal zeigen können, was sie kann", sagt er. Doch auch hier muss Helmut Krämer passen. "Wir haben keinen eigenen Fördertopf", sagt er. Bestenfalls könne er sich vorstellen, dass Giebelstadt eine Bürgschaft für einen Teil der Kreditsumme übernimmt.
Die Mitgliederversammlung am Mittwoch könnte entscheidend sein.
An diesem Mittwoch treffen sich die Mitglieder der Sozialstation zu einer Sitzung, um über den Sachstand und das weitere Vorgehen zu beraten. Schlimmstenfalls könnte es dort zur Entscheidung kommen, das Projekt aufzugeben, sagt Ludwig Mühleck. "Es wäre sehr bedauerlich, wenn das Projekt, das alle begrüßen, an der Finanzierung scheitern würde und dann auch noch der Zuschuss und die bereits eingesetzten Eigenmittel von insgesamt mehr als 800.000 Euro nutzlos verloren gingen", so Mühleck weiter – zumal das Bauen in Zukunft sicher nicht billiger werde.