Bezahlbarer Wohnraum in Städten ist häufig knapp, Nachverdichtung bei der Bebauung statt neuer Flächenversiegelung das Gebot der Stunde. Das gilt auch für Würzburg. Und: Es gibt etliche Grundstücke in den Städten, die teils seit Jahrzehnten brach liegen. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) will hier kurzen Prozess machen. Seine Ankündigung, Grundstücksbesitzern, die innerhalb einer bestimmten Frist nicht bauen oder ihre brach liegende Fläche verkaufen wollen, notfalls zu enteignen, hat für Wirbel gesorgt.
Für das Würzburger Rathaus ist Zwang nicht der richtige Weg - wenngleich es auch in Würzburg eine große Anzahl an unbebauten Grundstücken gibt. Und wie es nach einer aktuellen Befragung ausschaut, wird sich an diesem Zustand nicht viel ändern. Allerdings denkt man man im Rathaus über eine Verschärfung des Baugebots nach, um mehr Wohnraum zu schaffen. Zudem könnte die neue Grundsteuer C helfen.
314 bebaubare Grundstücke liegen brach
Bei den bislang unbebauten Flächen geht es um 314 Grundstücke, auf denen laut Oberbürgermeister Christian Schuchardt über 500 Wohnungen entstehen könnten. Diese Grundstücke hat die Stadt bei Untersuchungen im Rahmen des vor drei Jahren vorgestellten "Handlungskonzept Wohnen" ausgemacht. Die Überprüfung habe gezeigt, dass diese Baulücken sofort oder mit relativ wenig Aufwand bebaubar wären und erschlossen sind, erklärt Stadtbaurat Benjamin Schneider auf Anfrage der Redaktion.
Nach der Untersuchung hat die Stadt den betroffenen Eigentümern einen Fragebogen geschickt, um zu erfahren, ob sie bauen wollen, ob Beratungsbedarf hinsichtlich der Grundstücksnutzung besteht oder ob ein Verkauf des Grundstücks geplant ist. Für 44 Prozent der 314 Grundstücke bekam das Rathaus eine Antwort: Etwa drei Viertel der Eigentümer planen in den nächsten Jahren keine Bebauung. Die meisten gaben an, dass sie ihren Grund und Boden für Nachkommen und Erben oder als Kapitalanlage vorhalten. Eventuell wollen sie den Grund "irgendwann einmal bebauen, jedoch in noch nicht absehbarer Zeit", so das Rathaus. Etwa 15 Eigentümer haben Interesse an einem Verkauf geäußert. Ihr Anliegen wurde an den Fachbereich Immobilienmanagement weitergeleitet.
Stadt: Lieber eine einvernehmliche Lösung statt Zwangsmittel
Dieses Ergebnis signalisiert, dass sich bei den meisten der unbebauten Grundstücke in absehbarer Zeit kaum etwas tun wird. Es ist gesetzlich zwar möglich, auch im Nachhinein eine Bebauungsfrist für Grundstücke zu setzen, doch das lehnt das Rathaus ab. "Wir sind der Auffassung, dass im Sinne einer kooperativen Stadtentwicklung Kommunikation und Überzeugung an erster Stelle stehen müssen", erklärt Schneider. Zwangsmittel seien immer das letzte Mittel. Davor sei "auf jeden Fall eine einvernehmliche Lösung anzustreben", was das Rathaus derzeit durch den Kontakt mit den Eigentümern unbebauter Grundstücke tue. Zudem bereite man ein Zwischenergebnis der bisherigen Aktivitäten vor, um dann weitere Schritte zur prüfen und dem Stadtrat Vorschläge zu unterbreiten.
Bei neuen Baugebieten indes, so Schneider, "ist es uns wichtig, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit auch tatsächlich Wohnungsbau geschaffen wird". Dabei sei individuell zu prüfen, welches Mittel jeweils das richtige sei. Schneider nennt als Beispiele einen Zwischenerwerb durch die Stadt, städtebauliche Verträge oder eben Baugebote. Diese gibt es in Würzburg kaum. Doch verweist das Rathaus darauf, dass man bei allen Grundstücksverkäufen am Hubland ein zeitliches Baufenster festgelegt habe.
Hoffnung auf die neue Grundsteuer C
So möchte Oberbürgermeister Christian Schuchardt auch in Zukunft vorgehen. "Statt Enteignungsfantasien befürworte ich eine Verschärfung des Baugebots, beispielsweise für alle Grundstücke eines Wohngebiets“, erklärt er. Und er begrüßt die neue Grundsteuer C, mit der Brachlächen höher besteuert werden können. Sie soll Spekulationen auf steigende Immobilienpreise eindämmen und dazu anreizen, Baulücken für neue Wohnungen zu nutzen. In Kraft ist die gesetzliche Änderung noch nicht.
"Bund, Länder, Kommunen und Privatwirtschaft sind gleichermaßen gefordert, bezahlbare kurz-, mittel- und langfristige Wohnbaupotenziale zu erarbeiten" sagt der OB. Dazu dient nicht zuletzt das städtische "Handlungskonzept Wohnen". Nach dem darin ermittelten Bedarf müssen in Würzburg jährlich 550 neue Wohnungenentstehen. Es fehlt vor allem an sozial geförderten Wohnungen mit günstigen Mieten. Ihr Anteil am Würzburger Wohnungsbestand beträgt nur etwa fünf Prozent. 2018 beschloss deshalb der Stadtrat, dass 30 Prozent aller neuen Wohnungen sozial gefördert sein müssen.