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WÜRZBURG
Wie die Stadt mehr Wohnraum schaffen will
Wohnen am Hubland: Die meisten Wohnungen entstehen derzeit im neuen Stadtteil. Dort gibt es noch Flächenpotenzial für weitere 1000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Aber auch an anderen Stellen in der Stadt könnte neuer Wohnraum entstehen.
Foto: Theresa Müller | Wohnen am Hubland: Die meisten Wohnungen entstehen derzeit im neuen Stadtteil. Dort gibt es noch Flächenpotenzial für weitere 1000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern.
Holger Welsch
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:34 Uhr

Wohnungen in Würzburg, vor allem halbwegs bezahlbare, sind knapp – der Bedarf steigend. Die Mieten sind in den vergangenen fünf Jahren um über 30 Prozent gestiegen, der Markt ist angespannt, in fast allen Segmenten. Und darauf will die Stadt reagieren, indem sie das im vergangenen Jahr vorgestellte „Handlungskonzept Wohnen“ Stück für Stück umsetzt. Der Stadtrat stellte kürzlich Weichen für das weitere Vorgehen: Unter anderem sind ein „Runder Tisch“ mit der Wohnungswirtschaft und eine Stadtratsklausur zur Wohnungspolitik geplant.

Wie wichtig man das Thema nehme, zeige laut Stadtbaurat Christian Baumgart nicht zuletzt, dass in der Fachabteilung Stadtentwicklung des Baureferates eine eigene Stelle zum Komplex Wohnentwicklung geschaffen wurde. Den Handlungsbedarf dokumentieren umfangreiche Untersuchungen des Hamburger Büros „Gewos“, ein Institut für Stadt–, Regional-, und Wohnungsforschung. Das hat für das „Handlungskonzept Wohnen“ eine umfangreiche Bestandsaufnahme gemacht, die Entwicklung seit 2013 unter die Lupe genommen und eine Prognose für den Neubaubedarf an Wohnungen bis 2030 erstellt.

Bis 2030 braucht's bis zu 9400 neue Wohnungen

Um diesen zu decken, müssten demnach bis zu 9400 neue Wohnungen entstehen: 3300 als Ersatz, dazu weitere 6100 – überwiegend im Geschosswohnungsbau. Derzeit gibt es in Würzburg rund 75 000 Wohnungen, davon 53 000 in Mehrfamilienhäusern ab drei Parteien. Seit 2013 sind durch Bebauungspläne „planungsrechtlich“ jährlich rund 500 entstanden. Der von „Gewos“ errechnete Bedarf errechnet sich aus dem jährlichen Zuwachs im Untersuchungszeitraum. Von 2013 bis Anfang 2017 wuchs Würzburg um etwa 3800 wohnberechtigte Einwohner, beziehungsweise 2600 Haushalte. Bei der Maximalvariante gingen die „Gewos“-Leute von einer noch kräftiger steigenden Zuwanderung aus. Diese scheint sich zu bewahrheiten: mittlerweile sind alle Prognoseansätze bereits übertroffen, in den vergangenen Jahren gab's mehr Zu- als Wegzüge.

Gefragt sind vor allem kleinere Wohnungen. Das liegt nicht zuletzt am weiter steigenden Anteil der Single-Haushalte, der bei knapp 60 Prozent (Altstadt 75 Prozent) liegt sowie am Trend, dass zunehmend ältere Menschen in die Stadt ziehen. „Es herrscht auch ein klarer Mangel an barrierefreien Wohnungen“, sagt Stadtbaurat Christian Baumgart.

Ohne Quote für sozialgeförderte Wohnungen wird's nicht gehen

Woran es aber vor allem mangelt, sind sozialgeförderte Wohnungen mit günstigen Mieten. Deren Bestand sank in den vergangenen sieben Jahren um etwa 15 Prozent von 4462 auf 3770 Wohnungen. Ihr Anteil am Würzburger Wohnungsbestand beträgt gerade mal fünf Prozent. Der Bedarf ist weitaus größer, nachgefragt von Empfängern staatlicher Unterstützung. Geringverdienern, Menschen mit kleiner Rente oder Schulden, Alleinerziehenden sowie Flüchtlingen.

„Beim geförderten Wohnungsbau müssen wir Gas geben, um nicht den Anschluss zu verlieren“, sagt denn auch der Stadtbaurat. In diesem Bereich ist vor allem die stadteigene „Stadtbau Würzburg GmbH“ aktiv. „Doch wir müssen auch andere motivieren, geförderte Wohnungen zu bauen“, gibt Baumgart das Ziel vor. Engpässe gibt's in nahezu allen Bereichen. Doch eine Angebotsverbesserung an preisgünstigem und gefördertem Wohnraum müsse „eine maßgebliche Kernaufgabe der städtischen Wohnungspolitik sein“, heißt es im Zwischenbericht zum „Handlungskonzept Wohnen“.

Dass zu wenig geförderte Wohnungen entstehen, liegt nicht zuletzt an der fehlenden Verpflichtung. Soll heißen: Ohne entsprechende Vorgaben der Politik bei Neubauprojekten wird es nicht gehen. Das bedeutet unter anderem eine vorgeschriebene Quote von geförderten Wohnungen in Bebauungsplänen oder städtebaulichen Verträgen. 15 Prozent der Wohnungen in neuen Stadtteil Hubland müssen sozialgefördert sein. Die Stadtbau geht hier einen gewaltigen Schritt weiter: Die Hälfte ihrer Hubland-Wohnungen erfüllen dieses Kriterium. Eine Quote von mindestens 20 Prozent wünscht sich Stadtbaurat Baumgart künftig für alle Projekte im Stadtgebiet – unter anderem für das „Bismarckquartier“ am Bahnhof, wo rund 400 Wohnungen geplant sind.

Wohnungsbau ohne „Flächenfraß“

Doch wo und wie soll neuer Wohnraum entstehen? Hierzu hat Baumgart klare Vorstellungen: „Die Innenstadtentwicklung hat absoluten Vorrang vor neuer Flächenversiegelung.“ Es gelte, weiteren „Flächenfraß“ zu stoppen, die Nachverdichtung voranzutreiben. Was so einfach nicht ist. So gibt es im Stadtgebiet trotz reger Nachfrage nach Bauplätzen bereits heute fast 350 Grundstücke, die sofort zu bebauen wären – falls die Besitzer es wollten. Das tun sie aber – teils seit Jahrzehnten – nicht.

Darüber hinaus steht in der Stadt ein Flächenpotenzial für rund 2000 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern (etwa die Hälfte davon am Hubland) zur Verfügung, für das Baurecht geschaffen werden soll – ebenso für rund 600 Einfamilienhäuser in Lengfeld, Versbach und im Steinbachtal. Dafür werden stufenweise städtebauliche Konzepte und Rahmenpläne entwickelt. Dabei ist aber noch nicht klar, ob sich alles verwirklichen lässt. Das hängt unter anderem auch von den Belangen des Natur- und Umweltschutzes ab.

Alle Beteiligten an einem Tisch

Wie geht's weiter? Im Handlungskonzept sind Leitlinien wie Stärkung der Innenentwicklung, Anpassung der Quartiere an den demografischen Wandel, Erhalt der sozialen Mischung sowie preisgünstiges, familiengerechtes, barrierefreies, seniorengerechtes und studentisches Wohnen festgehalten. Bei der Ausarbeitung und Umsetzung dieser Ziele soll der Lenkungskreis Wohnen künftig eine tragende Rolle spielen. Dieser setzt sich aus Vertretern von Politik, Wohnungswirtschaft, Interessensverbänden und Verwaltung zusammen.

Im März soll zudem erstmals ein „Runder Tisch Wohnungswirtschaft“ tagen, bei dem sich Vertreter von Wohnungsgesellschaften, Baugenossenschaften, Immobilienbüros, Bauträger, sowie Mieter- und Eigentümervertreter austauschen. Und im Mai soll eine Klausur der Stadträte helfen, die wohnungspolitischen Strategien und vor allem ein Handlungsprogramm festzuklopfen. Schon jetzt weiß der Stadtbaurat: „Das Thema Wohnen wird uns die nächsten Jahre gut beschäftigen.“

 
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  • kej0018@aol.com
    Verdichtung statt Versiegelung ist ja ok, aber bitte sensibel und nicht jede Grünfläche und jede größere Hoffläche in Frauenland, Sanderau oder Zellerau zubetonieren - ein bißchen frischer Wind soll ja auch noch eine Chance haben.

    Wie wäre es denn mit einer Wohnbebauung am Faulenberg-Gelände? Fast in einer Ebene mit der Innenstadt, also mit dem Fahrrad einfach zu erreichen, nebenan ein Wasserlauf, der wunderbar einbezogen werden könnte, falls man den Estenfeldern das heftige Bachverschmutzen abgewöhnen könnte, dazu Flächen, in die ein Spiel- und ein Bolzplatz integriert werden könnten...

    Dort gibts Platz genug für viele und selbst die alte Kaserne, aus der die Großväter und Urgroßväter vieler Würzburger in den Ersten Weltkrieg ziehen mussten, könnte umgebaut werden - ein Beispiel mit Modellcharakter ist das ehemalige Miltärgelände in der Südstadt Tübingens, heute ein Wohn-Vorzeigeobjekt erster Klasse, mit Läden, Gastronomie und Ateliers.
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  • meeviertel
    Was seit Jahren dem kommunalen Wohnungsbau prognostiziert wird, verschlafen die verantwortlichen Politiker in schöner Regelmäßigkeit. Es ist doch schon lange zu beobachten, dass ältere Menschen in die Städte ziehen. Und junge Leute betreiben Landflucht, weil im Dorf nix los ist. Gehandelt wird fast immer nur dann, wenn es bereits zu spät ist. Politiker reden immer als gebe es nur Familien. 60 Prozent sind Single-Wohnungen, haben die "Experten" jetzt festgestellt. Jeder Briefträger weiß besser über den Anteil an Single-Wohnungen Bescheid als der vom Erkenntnisreichtum getriebene Herr Stadtbaurat.
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