
Wieder einmal wird darüber diskutiert, ob Seniorinnen und Senioren ihre Fahrtauglichkeit regelmäßig überprüfen lassen müssen. Ein aktueller Vorschlag der Europäischen Kommission sieht einen medizinischen Test alle fünf Jahre vor. Mediziner Dr. Michael Schwab, Chefarzt und Leiter des Geriatriezentrums Bürgerspital in Würzburg, betreut Menschen im fortgeschrittenen Alter. Was sagt der 64-jährige Mediziner zu den Plänen? Und was sind beim Autofahren im Alter die größten Schwierigkeiten?
Dr. Michael Schwab: Mit der Geburt. Aber es gibt alterstypische Probleme, die erst im Alter relevant werden. Laut der deutschen Gesellschaft für Geriatrie sind geriatrische Patienten älter als 70 Jahre mit alterstypischen Erkrankungen. Oder über 80, weil Menschen ab dem 80. Lebensjahr besonders verletzlich und vulnerabel sind.
Schwab: Menschen altern unterschiedlich. Während sich gleichaltrige 20-Jährige sehr ähnlich sind, unterscheiden sich gleichaltrige 70-Jährige. Das geht so weit, dass manche Menschen relativ fit 100 Jahre alt werden und andere dieses Lebensalter gar nicht erst erreichen. Bestimmte Leistungen des Körpers verändern sich im Alter. Das Sehen verändert sich um das 45. oder 50. Lebensjahr herum, da kann es zu Altersweitsichtigkeit kommen oder es entwickelt sich der graue Star. Jeder Dritte Mitte 50 hat eine relevante Hörstörung. Und natürlich verändern sich auch andere Organfunktionen, wie die Funktion des Gehirns.
Schwab: Schnelle Umschaltvorgänge im Gehirn nehmen mit dem Alter ab, die psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit eines 70-Jährigen ist nur noch halb so groß wie die eines 20-Jährigen. Anderes wie das Erfahrungswissen bleibt lange Zeit unverändert. Bei der Entscheidungssicherheit gibt es sogar Untersuchungen, die einen Anstieg bis zum 80. Lebensjahr nachweisen.
Schwab: Es gibt immer mehr alte Menschen, die Auto fahren. Da ändert sich die Gesellschaft. Autofahren ist eine Möglichkeit, unabhängig zu sein. Aber natürlich haben Veränderungen der Sinnesorgane Einfluss auf die Sicherheit beim Fahren. Die meisten Menschen bemerken die Veränderungen und passen ihr Verhalten an. Sie fahren defensiver, vorsichtiger und bleiben sichere Autofahrer. Ältere Autofahrer, die ihr Verhalten nicht anpassen, verursachen Unfälle. Im Durchschnitt nimmt die Unfallwahrscheinlichkeit pro gefahrenem Kilometer ab dem 70. beziehungsweise 75. Lebensjahr zu. Aber es gibt Ältere, die fahren sicherer als Menschen im mittleren Lebensalter.
Schwab: Ältere haben andere Unfälle als junge Menschen. Die Unfälle im Alter passieren eher beim Ausparken, beim Einfädeln oder wenn man Abstand halten muss. Das Unfallmuster ist typischer, weil das schnelle Erfassen komplexer Situationen beeinträchtigt sein kann. Definitiv verändert sich die Sehfähigkeit, häufig auch die Hörfähigkeit. Das Gute: An der Sehfähigkeit kann jeder etwas machen. Es ist aber nicht möglich, alles auszugleichen.
Schwab: Oft wird nicht mithilfe eines Hörgerätes gegengesteuert, dabei ist auch verlässliches Hören ein Sicherheitsfaktor. Wenn ein Arzt eine ergebnisoffene und vertrauensvolle Beziehung zu seinem Patienten hat, dann offenbart dieser Probleme beim Autofahren oft von selbst. Ein aufmerksamer Mensch bemerkt Veränderungen, das ist ein Punkt auf den jeder achten sollte.
Schwab: Viele ältere Menschen fahren nicht mehr in der Dämmerung oder zu Hauptverkehrszeiten. Wenn Rushhour ist, wird der Verkehr unübersichtlich. Da weiß jeder, wie gestresst man da ist. Dann gibt es mehr Unfälle, auch bei jungen Autofahrern. Zudem gibt es Kompensations- und Adaptionsmechanismen, beispielsweise wenn jemand sich aufgrund stark eingeschränkter Bewegung nicht mehr umdrehen kann, können das Assistenzsysteme ausgleichen. Es gibt mittlerweile technische Möglichkeiten - und die Möglichkeit des Fahrtrainings. Es geht darum, das Thema ernst zu nehmen und Unterstützungsangebote zu optimieren. Da braucht es auch Alternativen, wie einen vernünftigen öffentlichen Nahverkehr oder einen Seniorenfahrdienst. Die Gesellschaft hat den Auftrag, allen Menschen ein möglichst barrierefreies Leben zu ermöglichen und das auch im fortgeschrittenen Alter.
Schwab: Es ist ein relativer häufiger Konsultationsgrund. In der Familie ist es schwierig, das Problem zu lösen, da braucht es oft die Hilfe Dritter. Als Arzt muss ich mich vergewissern, ob die Sorge berechtigt ist. Aus Sicht des Geriaters gehört zur ärztlichen Betreuung jedes Menschen ab einem gewissen Lebensalter die Überprüfung der Mobilität. Da geht es darum, ob jemand Sturz gefährdet ist und welche Verkehrsmittel benutzt werden. Das betrifft auch das Auto, kann aber auch das Fahrrad sein. Wichtig ist, ein Vertrauensverhältnis zum Patienten zu haben und einen gemeinsamen Weg zu finden. Eine gute Arztberatung reduziert das Unfallrisiko um 50 Prozent, das ist statistisch belegt. Es gibt aber auch Patienten, die krankheitsbedingt für die Führerscheinabgabe kein Verständnis entwickeln, dann muss man manchmal auch zu Tricks greifen und zum Beispiel den Schlüssel verstecken, um den Zugang zum Auto zu erschweren oder unmöglich zu machen.
Schwab: Grundsätzlich darf Alter allein nie ein Grund sein, eine Entscheidung für oder gegen das Autofahren vorzubringen. Aber das Alter erhöht die Risiken beim Autofahren, und zwar immer dann, wenn Krankheiten auftreten. Da gibt es auch gesetzliche Vorgaben, wer noch Auto fahren darf. Ob jeder Mensch ab einem gewissen Alter zu einer Untersuchung gehen soll? Da sind die Daten aus der Forschung uneindeutig. Dass damit viel verändert wird, ist nicht belegt. Und wie solche Überprüfungen umgesetzt werden sollten, darauf gibt die Wissenschaft keine klare Antwort. Die tatsächliche Fähigkeit, ein Auto sicher zu fahren, ergibt sich aus der Praxis. Fahrerprobungen sind eine gute Möglichkeit, um zu überlegen, welche Fähigkeiten noch trainiert werden können.
Schwab: Definitiv und das kann eindeutig aus geriatrischen Kenntnissen abgeleitet werden. Es gibt kein alleiniges Alterskriterium zur Erteilung eines Fahrverbotes. Das wäre Altersdiskriminierung. Es gibt in einzelnen Fällen Menschen, die höchst betagt sicher Auto fahren und weiter sicher fahren. Das Alter alleine ist niemals ausschlaggebend. Man kann darüber diskutieren, ob ab einem bestimmten Alter besondere Vorsichtsmaßnahmen empfohlen werden. Aber Fahrsicherheit ist ein generelles Thema. Bestimmte Krankheiten, Medikamenteneinnahme - das gibt es auch in anderen Lebensaltern.
Schwab: Wir haben jetzt schon die Situation, dass durch die vielen Assistenzsysteme manche Probleme technisch lösbar sind. Ich kenne einen 89-Jährigen, der sich ein Auto mit den ganzen Assistenzsystemen gekauft hat und dadurch wieder sicher fühlt. Er fährt weiter und kann das auch noch. Am Ende ist es das Ziel, dass durch technische Hilfen das Leben in jedem Lebensalter, in jeder Lebenssituation und mit jeder Form der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung möglichst autonom ist. Die Hoffnung, dass Technik die Probleme beim Autofahren im Alter verkleinern wird, ist groß.
Statistisch gibt es kein Argument für eine Sonderbehandlung von Senioren. Es sollte die Eigenverantwortlichkeit gelten wie bei allen anderen auch und keine Bevormundung!
Für die wenigen Sonderfälle im Alter, die die Verkehrssicherheit gefährden, gibt es genügend gesetzlichen Spielraum. Dies ist im übrigen der selbe Spielraum, wie man ihn auch bei Alkoholikern, Rauschgiftsüchtigen und psychisch Belasteten anwenden kann bzw könnte wenn man es ernst meint.
dass es gescheiter wäre, alle Führerscheinanwärter/innen für Fahrzeuge schneller als 25 km/h erstmal zu einem Eignungstest zu schicken und die Lizenz zur Teilnahme am öffentlichen(!!) Straßenverkehr nur bei Nachweis der notwendigen geistigen Reife zu erteilen als Leute ständig zum Arzt zu jagen, die andererseits aber bitte gerne noch arbeiten sollen bis zur Abgabe des Löffels...
Hier geht es um Senioren, leider oft sehr uneinsichtige, und wie man das Risiko mindern kann, das von denen ausgeht.
Das auch bei jungen Fahrern Handlungsbedarf besteht, mag sein. Deshalb gibt es da auch besondere Maßnahmen wie Probezeit oder Null-Promille-Grenze etc. Ist aber eine andere Baustelle.
dass fehlende Reife kein Charakteristikum allein der jüngeren Generation sein muss, aber wer aus diesem Grund keine Fahrerlaubnis erhält, kann dann auch als Senior/in am Steuer schwerlich etwas anstellen.
Medizinische Probleme wiederum sind kein Charakteristikum allein der älteren Generation; aus Gleichbehandlungsgründen müssten also alle Führerscheininhaber/innen regelmäßig zum Check, aber ich glaube, mit sowas würden wir das System endgültig überfordern.
Hm - da werden wir wohl häufigere Kontrollen (und zumindest in manchen Fällen empfindlichere Strafen) bei Verstößen brauchen. Wo soll denn die Motivation zur Einhaltung der Regeln herkommen, wenn jede/r jeden Tag sieht, dass es schlauer und bequemer ist, darauf zu pfeifen und so "kreativ" zu sein wie man will?
Wird Zeit für das autonom fahrende Auto - das fährt von alleine regelkonform und würde schon nach heutigem Stand die Unfallquote erheblich senken!
Der Busfahrer soll künftig unsere Enkel bis 70ten zur Schule fahren und dann am ersten Rententag möglichst seinen Führerschein abgeben?
Oder:
Trotz vieler positiver Gutachten zur Autobahn-Höchstgeschwindigkeit (CO2-Einsparung, Rückgang von Unfällen) beharrt der FTP-Verkehrsminister auf die Eigenverantwortung der Bürger beim Autobahnrasen, jedoch den "Alten" soll die Eigenverantwortung abgesprochen werden?
Wenn aus Brüssel diese Regelung zum Fahrtauglichkeitsbeweis kommt, läuft bei mir ein Fass über und ich gehe wegen eines DEXIT auf die Straße!
Der Busfahrer der ihre Enkel fährt muss diesen Nachweis übrigens spätestens mit 50 erbringen, dann alle 5 Jahre.
Und außerdem ist im Alter die Leistungsfähigkeit nicht an jedem Tag gleich. Ob hier Einsicht herrscht, und an "schlechten Tagen" gegebenenfalls aufs Fahren verzichtet wird, wird auch kein Gutachter feststellen können.
Statistische kommt es durch überhöhte Geschwindigkeit zu mehr Schäden wie durch "ALTE" im Straßenverkehr. Auf der Autobahn glaub ich manch mal ich bin in einem Irrenhaus mit den eigenverantwortlichen Rasern!
Wenn so eine Fahrtauglichkeit-Untersuchung kommt soll, dann für ALLE!
Busfahrer müssen eh schon alle 5 Jahre mindestens eine ärztliche Untersuchung nachweisen.
Sie haben mich vor vielen Jahren darauf hingewiesen mein Gleichgewicht zu verbessern (Aktion während einer Mainfranken-Messe), was mich letztlich zu einer Sportart verleitet hat, die mich heute noch fesselt.