
Als wir zu telefonieren beginnen, hat Marius Hess gerade Unterrichtspause. Es ist 16.30 Uhr deutscher Zeit, in Ecuador ist es morgens 9.30 Uhr. Im Hintergrund zwitschern Kolibris. Der 34-Jährige trinkt gerade einen Kaffee auf dem Gelände der Deutschen Schule Quito. Die Schule befindet sich in Cumbaya, einem Vorort von Ecuadors Hauptstadt Quito, und bietet, wie Hess beschreibt, den Ausblick auf eine "spektakuläre Bergkulisse".
Seit fast zwei Jahren lebt der 34-jährige gebürtige Würzburger, der zuletzt am Würzburger Siebold-Gymnasium sein Referendariat absolvierte, in Ecuador. Er hat die Sprache gelernt, Freunde gefunden und viele Erfahrungen gesammelt. Am "Colegio Alemán", wie die Deutsche Schule auf Spanisch heißt, unterrichtet der Mathe- und Sportlehrer überwiegend das Fach Mathematik. Etwa 1600 Schüler und Schülerinnen besuchen die Schule in Cumbaya, die schon 1917 gegründet wurde und als eine der großen deutschen Auslandsschulen gilt.

Deutsche Schule: eine "wunderbare Möglichkeit, ins Ausland zu gehen"
Die Arbeit an einer von Deutschland unterstützen Schule sei für deutsche Lehrkräfte eine wunderbare Möglichkeit ins Ausland zu gehen, sagt Hess. Man lerne andere Länder und Kulturen kennen, es sei eine Lebenserfahrung, die sich prägend auf den weiteren Weg auswirke – im positiven Sinne, ist sich der junge Lehrer sicher. Inspiriert wurde er vom stellvertretenden Schulleiter des Colegio Alemán Quito, Christoph Bauer, der zuvor in Würzburg am Friedrich-König-Gymnasium als Chemie- und Biologielehrer arbeitete und mit seiner Familie im Jahr 2020 nach Ecuador zog.
Von seiner Wohnung aus sieht Hess den Cotopaxi, der mit 5897 Meter der zweithöchste Berg Ecuadors und einer der höchsten aktiven Vulkane der Erde ist. Für den Fall eines größeren Vulkanausbruchs wurde er in einem Sicherheitstraining geschult, bevor er seine Arbeit an der Schule begann, erzählt er.
"Es wurde uns gezeigt, wie wir uns im Notfall eines Vulkanausbruchs zu verhalten haben, wie wir unsere Schülerinnen und Schüler beruhigen können und wie eine Evakuierung aussehen kann." Hess hat das beeindruckt, "es sind ganz andere Probleme als bei uns in Deutschland". Natürlich falle ihm auch die in Ecuador herrschende Armut auf: "Die Gesellschaft unterteilt sich in viele arme Menschen und einige, die sehr reich sind. Eine Mittelschicht gibt es fast nicht." Interessant und neu seien für ihn auch die Einflüsse der indigenen Bevölkerung, "für die das Leben im Einklang mit der Natur eine sehr große Rolle spielt".

Die Gewalt in Ecuador hat in den vergangenen Jahren zugenommen
Dass in Ecuador die Gewalt, die in den letzten Jahren sukzessive zugenommen hat, eskalieren würde, ahnte Hess zu Anfang seines Aufenthaltes in dem Andenstaat nicht. In der schulfreien Zeit reiste er im Land herum, erkundete beispielsweise den Nebelwald Mindo, reiste in den Dschungel rund um den Amazonas, in die Gebirgswelt der Anden oder an die Strände des Pazifiks. Ein besonderer Höhepunkt waren für ihn die Galápagos-Inseln: "Die haben mich mit ihrer einzigartigen Tier- und Pflanzenvielfalt voll beeindruckt."

Auch andere Länder Lateinamerikas hat er in den vergangenen zwei Jahren bereist, so Kolumbien, Peru, Nicaragua und Costa Rica. "Ich bin mit Seelöwen und Riesenschildkröten geschwommen, habe auf einer kleinen Insel im Nicaragua-See (Lago Cozibolca) gewohnt, bin im karibischen Meer getaucht und habe Babyschildkröten vom Strand ins Wasser des Pazifik gesetzt. Das werde ich nie vergessen", sagt er.
Anfang Januar verhängte Ecuadors Präsident den Ausnahmezustand
Trotz der tollen Zeit und der vielen Erfahrungen, die er mitnimmt, freut er sich wieder auf ein Leben in Deutschland. "Ich vermisse meine Freiheit", sagt er. Es sei schwierig, sich in Ecuador auf den Straßen frei zu bewegen. "Selbst ganz einfache Dinge wie Fahrradfahren oder Joggen sind oft nur schwer realisierbar." Immer müsse man in Habachtstellung sein. In den vergangenen Jahren sei das Land mehr und mehr zu einer Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel geworden, seitdem haben auch Gewalt und Kriminalität massiv zugenommen, erklärt der Lehrer.

Nachdem im August 2023 der ecuadorianische Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio kurz vor der Wahl erschossen worden war, eskalierte die Situation im Januar dieses Jahres weiter. "Im Unterricht kam die Nachricht, dass der neue Präsident Daniel Noboa den Ausnahmezustand ausgerufen hat und den Drogenkartellen den Kampf ansagt. Eltern mussten ihre Schulkinder sofort bei uns abholen." Es gab eine landesweite Ausgangssperre von 23 bis 5 Uhr und das Auswärtige Amt riet von nicht notwendigen Reisen in die Hafenstadt Guayaquil ab. "Ein unangenehmes und teils beängstigendes Gefühl für jemanden, der relativ neu im Land lebt", sagt der 34-Jährige.
Nicht vergessen wird er auch die Nachricht, dass bewaffnete und maskierte Männer den staatlichen Fernsehsender TC in Guayaquil stürmten: "Da wurden Journalisten mit Maschinengewehren und Sprengstoff bedroht und als Geiseln genommen."

Was der Lehrer bestimmt vermissen wird
Nach seinem zweiten Schuljahr im Andenstaat, das im Juli endet, wird Hess also in die Heimat nach Bayern zurückkehren, in welche Stadt es ihn verschlägt, ist noch nicht klar. München jedenfalls fände er spannend. Was er an Lateinamerika vermissen wird? "Mir wird vor allem die Wärme und Herzlichkeit der Menschen hier fehlen." Und das Klima, "denn durch die Nähe des Landes zum Äquator herrscht eigentlich in Cumbaya immer eine relativ konstante Temperatur von tagsüber etwa 22/23 Grad".
Jahreszeiten gebe es in diesem Sinne nicht. "Da kann man sich schon dran gewöhnen." Das Kapitel Reisen in Lateinamerika ist für den 34-Jährigen mit der Rückkehr aber noch lange nicht beendet, "da werde ich die deutschen Schulferien gerne nutzen, um weitere Länder kennenzulernen".

"AUSWANDERUNG" bezeichnen.
Falls Herr Heß als Lehrer hier tätig war wurde er höchstwahrscheinlich als entsandte Kraft mit allen sozialen Errungenschaften dorthin geschickt.
Etwas anders würde dessen Status als sogenannte Ortskraft sein, sollte er nicht von hier entsandt sein und auf freiwilliger Basis dort in Guayaqil angeheuert haben, welches einer Auswanderung näher kommen würde.
Jedoch Danke für den schönen und informativen Artikel
Im Artikel ist ja schon angedeutet, daß Sie sich, trotz aller Freude und Freunde in Ecuador, freuen, wieder nach Deutschland zurückzukehren.
Dieses Gefühl kann ich Ihnen 100prozentig bestätigen, denn erst wenn man in Ländern wie Ecuador, Nicaragua, Kolumbien, Libanon oder Guatemala unter und mit den Einheimischen gelebt hat, ist man in der Lage zu ermessen, über welche Errungenschaften wir uns hier in Deutschland erfreuen sollten.
Ja, sollten! Denn sehr, sehr viele von uns, die solche Länder nicht erlebt haben, vergessen immer mehr , unsere Lebensumstände in D zu schätzen und setzen leichtfertig diese durch ständiges Meckern und dubioses Wahlverhalten aufs Spiel.
Vermeintliche Paradiese wandeln sich bei näherem Hinsehen ins Gegenteil.
Anmerken darf ich, daß, wenn die Innere Sicherheit aufrecht gehalten wird, auch eine große Freiheit gewährleistet werden kann.
Und diese dürfen wir hier nicht aufs Spiel setzen !!!!