
In der Auseinandersetzung um den Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg fand am Dienstag ein Gespräch mit Lehrstuhlinhaber Peter Hoeres und Uni-Präsident Paul Pauli im bayerischen Wissenschaftsministerium statt – "auf Abteilungsebene", wie es in einer Mitteilung aus dem Ministerium heißt. Dort hatte man zu dem Gespräch gebeten.
Beteiligte wollen auf den "Hochschulfrieden" achten
Ausgangspunkt war die Kritik von Studierenden an einer angeblich "neurechten Diskursverschiebung" am Lehrstuhl sowie an Lücken im Lehrangebot in Bezug auf Nationalsozialismus und Holocaust. Thema dürfte aber auch die über Social Media teils recht aufgeheizte Atmosphäre der letzten Tage gewesen sein.
Denn in der Erklärung aus dem Ministerium heißt es: "Die Hochschulleitung und der Lehrstuhlinhaber werden einvernehmlich alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Hochschulfrieden und einen offenen Diskurs im Sinne der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit an der Julius-Maximilians-Universität vollumfänglich zu wahren." Diese Erwartung, so heißt es, richte sich auch "an die gesamte Hochschulfamilie".
Ohne ihn namentlich zu nennen, wird Lehrstuhlmitarbeiter Benjamin Hasselhorn in Schutz genommen. Er hatte unter Pseudonym vor elf Jahren mehrmals in der rechten Zeitschrift "Sezession" veröffentlicht, sie wurde später vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Das Würzburger Studierendenparlament hatte dem Historiker diese Autorenschaft in einem Beschluss angekreidet und Klärung gefordert.
Nun heißt es aus dem Ministerium: "Es besteht Einigkeit, dass die von Teilen der Studierenden kritisierten Äußerungen und Publikationen, auch von Lehrstuhlmitarbeitern, "in keiner Weise zu beanstanden sind". Dies hätten Prüfungen der von der Uni-Leitung eingesetzten Taskforce ergeben. Die Hochschulleitung werde "auch in Zukunft ihre Fürsorgepflicht vollumfänglich wahrnehmen und die Freiheit von Forschung und Lehre gewährleisten".
Historiker Hoeres hatte in den vergangenen Wochen Studierenden und der Uni-Leitung wiederholt vorgeworfen, sie wollten die Wissenschaftsfreiheit beschneiden. In einem vor wenigen Tagen auf den Seiten des Uni-Instituts für Geschichte veröffentlichten Aufruf wird eine "Rufmordkampagne" von "Extremisten" beklagt.
Diesen Appell zur Solidarisierung gegen angebliche "Cancel Culture" hatten bis Mittwochnachmittag 570 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterzeichnet. Auch das Studierendenparlament dürfe keinen Einfluss auf die Lehre nehmen, heißt es darin. Der Würzburger Politik-Professor Thomas Kestler spricht in einem Gastbeitrag für das Magazin "Cicero" von einem "diffusen Geraune" und "Denunziantentum mit Bullshit".
Angebot des Lehrstuhls soll erweitert werden
Details zum Gesprächsverlauf in München wurden vom Ministerium nicht genannt, zumindest aber noch ein konkretes Ergebnis: Am Lehrstuhl soll im Einvernehmen zwischen Fakultät und Lehrstuhlinhaber ein zusätzliches Lehrangebot eingerichtet werden – mit welcher Ausrichtung, blieb offen. "Das überlege ich mir noch im Einzelnen", schrieb Hoeres auf Facebook. Gegenüber der Redaktion wollte er das Treffen in München nicht weiter kommentieren.
Auch die Universitätsleitung verweist gegenüber dieser Redaktion lediglich auf die gemeinsame Erklärung aus dem Wissenschaftsministerium. Zu dem Aufruf gegen "Cancel Culture" wollte die Universität am Mittwoch nichts sagen – ebensowenig zu dem von Hoeres geäußerten Vorwurf, die Uni-Leitung habe gemeinsame Sache mit den Studierenden gemacht und den Lehrstuhl trotz früher Hinweise auf die Kritik nicht hinreichend eingebunden.
Dieser Text wurde gegenüber der ursprünglichen Version ergänzt und aktualisiert.
da interessiert mich doch insbesondere die Antwort auf die Frage, wann die (für mich paradoxe) Kluft zwischen (medialem) "linksgrünem Blinken" und (realem) "meudalistischem Rechtsüberholen" endgültig zu groß wird bzw. was dann passiert...