
Der Spezialmaschinenbauer Kinkele zählt mit seinen rund 300 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern in Ochsenfurt und zu den wichtigen Zulieferern des deutschen Anlagenbaus. Fundament für den Erfolg sind ein breiter Branchenmix, für den Kinkele tätig ist, und die Spezialisierung auf besonders komplexe Aufgaben. "Wenn es anderen zu groß oder zu kompliziert wird, kommen wir ins Spiel", sagt Vertriebschef Robert Krämer. Doch das Fundament droht brüchig zu werden, weil es immer schwerer wird, ausreichend Fachkräfte zu finden.
Zwar setzt das Unternehmen seit Jahrzehnten auf die Ausbildung des eigenen Nachwuchses. Doch das reicht nicht mehr aus, um die Lücken zu füllen, die die Babyboomer-Generation demnächst hinterlassen werden, sagt Marketingleiter Tim Jonath. Deshalb wirbt Kinkele seit Jahren mit einem "Tag der Ausbildung" um die Gunst der Schulabgänger, das nächste Mal am Freitag, 11. Oktober.
Werbung in den sozialen Medien und Bewerbung per Mausklick
Inzwischen ist das Unternehmen auch in sozialen Medien unterwegs, so Jonath. Azubis erzählen dort in kurzen Videos von ihrer Ausbildung, den Vorzügen ihres Unternehmens und besonderen Anreizen. Dazu zählt etwa ein iPad als Geschenk zum Ausbildungsstart und ein kostenloses Deutschland-Ticket. "Wir wollen die jungen Leute damit auf Augenhöhe abholen", sagt Jonath. Wenige Klicks reichen, um eine offizielle Bewerbung ans Unternehmen zu richten. Jetzt hat Kinkele zusätzlich Neuland betreten. Gemeinsam mit drei weiteren Azubis haben Bigyan Timilsina, Anir Roka Magar und Rajan Shah aus Nepal vor wenigen Wochen ihre Ausbildung zum Feinwerkmechaniker begonnen.
Über 60 Auszubildende in verschiedenen technischen und kaufmännischen Berufen hat Kinkele zu Spitzenzeiten ausgebildet, sagt Geschäftsführerin Ursula Kinkele. Für die Qualität der Ausbildung spreche die Zahl der Kammersieger, die der Betrieb regelmäßig hervorbringt. "Wir haben schon immer viel in die jungen Leute investiert und tun dies auch gerne", so die Seniorchefin. Zurzeit sind es, verteilt auf die Ausbildungsjahre, 30 junge Männer und Frauen, die sich auf ihr Berufsleben vorbereiten. "Wir hätten prinzipiell die Möglichkeit, doppelt so viele auszubilden", sagt Tim Jonath. Und die spätere Übernahme sei dabei so gut wie sicher.
Unternehmer Klaus Meyer möchte Azubis aus Nepal ans Handwerk vermitteln
Auf die Idee, die Fühler bis ins 7000 Kilometer entfernte Nepal auszustrecken, kam Ursula Kinkele durch einen Zeitungsartikel im vergangenen Jahr, erzählt sie. Darin berichtete die Main-Post über ein Projekt, das der Ochsenfurter Unternehmer Klaus Meyer gemeinsam mit der Handwerkskammer für Unterfranken initiiert hat. Meyer bereist seit über 20 Jahren Nepal und unterstützt dort verschiedene Schul- und Ausbildungsprojekte. Er hatte die Idee, Jugendliche aus Nepal in hiesiges Handwerksbetriebe zu vermitteln. In seinem Ochsenfurter Autohaus trat im September 2022 der erste junge Mann aus Nepal eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker an.
Unterstützt wird das Projekt vom gemeinnützigen Nepal Secretary for Skills and Trainings (NSST), das es sich zu Aufgabe gemacht hat, jungen Menschen aus Nepal eine berufliche Zukunft zu ermöglichen. Ein Jahr lang werden die Heranwachsenden auf eine Ausbildung in Deutschland vorbereitet, vor allem durch das Erlernen der deutschen Sprache. Am Ende steht das Goethe-Zertifikat der Stufe B2, das ein fortgeschrittenes Sprachniveau bescheinigt. Wie die Handwerkskammer auf Anfrage mitteilt, sind inzwischen 22 nepalesische Azubis in Unterfranken tätig, 15 davon kamen dieses Jahr hinzu.
"Für uns war das kein großer Aufwand", erzählt Tim Jonath. Die Einreiseformalitäten etwa hat das NSST übernommen. Um das Unternehmen vorzustellen, musste ein Bewerbungsvideo gedreht und mit englischen Untertiteln versehen werden. Darin berichten unter anderem Auszubildende über ihren Beruf und ihren Ausbildungsbetrieb. Wer Interesse hatte, konnte anschließend in einer Videokonferenz persönlich mit Geschäftsführer Kurt Kinkele und Ausbildungsleiter Edwin Gernert sprechen. Bigyan Timilsina, Anir Roka Magar und Rajan Shah waren es schließlich, die sich für eine Ausbildung in Ochsenfurt entschieden haben.
In Hohestadt hat die Firma eine Wohnung für die drei jungen Männer gefunden. Von älteren Azubis wurden sie in Frankfurt am Flughafen abgeholt. Diese stehen ihren neuen Kollegen auch künftig als Tutoren mit Rat und Tat zur Seite, so Ursula Kinkele. "Natürlich helfen auch wir, wo wir können", sagt Tim Jonath, "oft geht es da um ganz einfache Dinge, die für uns selbstverständlich sind, etwa die Eröffnung eines Kontos."
Das eigene iPad hilft gegen das Heimweh
Inzwischen haben sich die drei jungen Männer eingelebt. "Es ist alles neu, aber alle helfen uns", sagt Bigyan Timilsina noch etwas schüchtern. Auf die Frage, ob sie denn Heimweh haben, antworten die Drei unisono mit "Nein". Schließlich könnten sie ja jeden Abend mit ihren neuen iPads mit der Familie daheim sprechen.
Auch im kommenden Jahr möchte Kinkele wieder Azubis aus Nepal einstellen, dann vielleicht in weiteren Berufen wie Industriekauffrau, technischer Produktdesigner oder Elektroniker, und in ferner Zukunft vielleicht sogar im dualen Ingenieurstudium. Ursula Kinkele hofft jedenfalls, dass der eine oder andere neue Mitarbeiter dem Unternehmen über die Lehrzeit hinaus lange erhalten bleibt.
Zum "Tag der Ausbildung" lädt die Firma Kinkele in Ochsenfurt-Hohestadt am Freitag, 11. Oktober, von 14 Uhr bis 18.30 Uhr. Die Präsentationen und Mitmach-Stationen werden überwiegend von den Azubis selbst gestaltet. Das Unternehmen bildet unter anderen verschiedene Metallberufe, Industriekaufleute und technische Produktdesigner aus.