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Würzburg/Kitzingen
Aus von Würzburger BRK-Beratungsstellen: Ärzte und Psychotherapeuten schlagen Alarm und fordern Einsatz der Politik
Im Offenen Brief an Würzburgs Landrat Thomas Eberth und seine Kitzinger Kollegin Tamara Bischof warnen Experten: Ohne Beratung können psychische Erkrankungen "eskalieren".
Schließung geplant: Zum Jahresende stellt der BRK-Kreisverband Würzburg seine sozialpsychiatrischen Beratungsstellen in Würzburg, Kitzingen und Ochsenfurt ein. 
Foto: Daniel Peter | Schließung geplant: Zum Jahresende stellt der BRK-Kreisverband Würzburg seine sozialpsychiatrischen Beratungsstellen in Würzburg, Kitzingen und Ochsenfurt ein. 
Bassel Matar
 und  Natalie Greß
 |  aktualisiert: 08.03.2025 02:38 Uhr

Die geplante Schließung der Beratungsstellen des Sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi) des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Würzburg, Kitzingen und Ochsenfurt sorgt für große Besorgnis in der Region. In einem Offenen Brief rufen rund 70 Mediziner und Therapeuten den Würzburger Landrat Thomas Eberth (CSU) und Kitzingens Landrätin Tamara Bischof (FW) dazu auf, sich für den Erhalt einzusetzen.

Das geplante Aus der Beratungsstellen "wäre nicht nur eine Vernachlässigung der Menschen, die dringend Hilfe benötigen, sondern auch ein fahrlässiger Umgang mit gesellschaftlichen Risiken", heißt es in dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt. Mitte Februar hatte der BRK-Kreisverband Würzburg bestätigt, seine drei Beratungsstellen Ende 2025 aus Kostengründen einstellen zu wollen.

Rund 70 Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten haben den Offenen Brief unterzeichnet. Sie warnen eindringlich vor gravierenden Folgen, die ein Wegfall der Anlaufstellen für psychisch kranke und belastete Menschen mit sich bringen könnte.

Kritische Versorgungslage in der Region befürchtet

Abgesandt wurde der Brief von Dr. Andreas Schreiter, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Ochsenfurt. Er thematisiert die angespannte Versorgungssituation in der Region:  Fast alle niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten würden "an der Belastungsgrenze" arbeiten und hätten kaum freie Kapazitäten für neue Patientinnen und Patienten.  

Der Sozialpsychiatrischen Dienst spiele eine wichtige Rolle, indem er "gerade jene Menschen unterstützt, für die eine ambulante Psychotherapie nicht immer die richtige oder einzige Anlaufstelle ist".  Viele Betroffene befänden sich in akuten Krisen oder schwierigen Lebenslagen, in denen sie "niederschwellige Beratung, sozialarbeiterische Unterstützung und eine rasche Orientierungshilfe" benötigten. Ein Wegfall des Angebots würde sie in eine potenziell "ausweglose Lage bringen", heißt es in dem Schreiben.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner warnen, dass psychische Erkrankungen "im schlimmsten Fall eskalieren" und "zu sozialer Verwahrlosung, häuslicher Gewalt oder tragischen Einzelfällen" führen könnten. Und sie betonen: "Ein funktionierendes System der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung ist ein Schutzmechanismus für uns alle."

Warnung: Kürzung hat auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen

Auch wirtschaftliche Aspekte werden angesprochen: Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bringe jeder in die Behandlung von psychischen Erkrankungen investierte Dollar langfristig einen vierfachen Gegenwert in Form von verbesserter Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Daher sei die Schließung der Beratungsstellen auch aus wirtschaftlicher Sicht falsch.

Die Absender fordern die Landrätin und den Landrat auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Beratungsstellen zu erhalten. Die Schließung der Versorgungslücke müsse oberste Priorität haben, bevor sich die angespannte Situation weiter verschärfe und  zu einer Überlastung des Gesundheitssystems, "höheren Folgekosten" und "zusätzlichem menschlichem Leid" führe.

 
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  • Paul Schüpfer
    Man könnte auch mal die Frage stellen, was zuerst da war. Das Huhn oder das Ei.
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  • Martin Deeg
    Ja, genau: keine Psychologen, keine psychischen Probleme.

    Oder: keine Polizei, keine Kriminalität.

    Solche durchdachten "Experten"-Ansichten sind besonders wertvoll!
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  • Martin Deeg
    Dieser Appell ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.

    Ein besonderer Verdienst der Ärzte und Psychotherapeuten besteht darin, dass sie die möglichen Folgen klar und deutlich benennen: Gefahr von Eskalation, Gewalt und "tragischen Einzelfällen"!

    Wenn Betroffene und einfache Bürger diese Folgen benennen, setzen sie sich nämlich gerade in der Region konkret der Gefahr aus, dass sie von den Behörden, die sie kritisieren, wegen "Störung des öffentlichen Friedens" oder "Bedrohung" belangt werden....
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  • Katrin Weber
    Es ist nicht zu fassen, dass immer an der falschen Stelle gespart wird. Es wäre so wichtig, dass die Gesellschaft wieder zusammen wächst, dass jeder auf jeden schaut, dass die Starken die Schwachen unterstützen. Mehr Gemeinsamkeit, mehr Zusammenhalt, mehr Empathie.

    Das bedeutet auch, dass psychisch kranke Menschen Hilfe bekommen müssen, schnellstmöglich, damit sie eben nicht zur tickenden Zeitbombe werden, auf dem Schulhof, im Park, im Auto.

    Es ist wichtig, dass sie wieder ein Teil der Gesellschaft werden, dass sie sich einbringen können, dass sie Erfolge spüren und motiviert sind.

    Es sind Menschen mit einem guten Gefühl für andere Menschen. Menschen, die sich aus ihrer Geschichte heraus, vielleicht sogar besser in andere hineinversetzen können.
    Diese Menschen sind wertvoll!
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  • Peter Lelowski
    Erst die ambulante Psychiatrie abschaffen, aber im gleichen Aufwasch sich über immer mehr Gewalttätige mockieren. Ein Stück aus dem Zollhaus!
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  • Martin Deeg
    Es sagt sehr viel über diese Gesellschaft aus, dass man „Politikern“ dieses kleine Einsmaleins der Lebenswirklichkeit auf diese Art und Weise erklären muss!
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Kollateralschaden - @ Martin Deeg -

    ich glaube, dass es sich auch in diesem Fall nicht um ein Erkenntnis-, sondern um ein Umsetzungsproblem handelt. Und wenn es oberstes Ziel ist, die Superreichen ungeschoren zu lassen, muss man halt in Kauf nehmen, dass sich mit den "knappen" Mitteln die "bedauerlichen Einzelfälle" nicht vermeiden lassen (pardon, ist aber so). Im Fall Mannheim kam es natürlich besonders blöd dadurch, dass die Schnell-und-einfach-Lösung "Grenzen dicht" nicht anwendbar war/ ist.

    Ich kann nicht verstehen was das soll, nicht endlich das wg. Mangel an verfügbaren Gegenwerten zu großen Teilen völlig unnütze Buchgeld resp. die Einkünfte daraus einer vernünftigen Steuer- und Abgabenlast zu unterwerfen (s. auch hier: https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/soziale-ungleichheit#ungleich3). Aber ich bin ja auch kein Hochmögender/ Besserverdiener...
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  • Martin Deeg
    ...."ich glaube, dass es sich auch in diesem Fall nicht um ein Erkenntnis-, sondern um ein Umsetzungsproblem handelt"....

    Da bin ich mir bei manchen nicht so sicher.

    Die Umsetzung ist im Prinzip zumindest bei diesem Thema einfach: endlich auf die Experten hören!
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