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Würzburg
Auf einem Schlauchboot wurden sie Freunde, jetzt verkaufen sie Baklava: Die Geschichte von drei Konditoren in Würzburg
Hinter der Fassade eines kleinen Ladens in der Semmelstraße verbirgt sich eine Geschichte. Wie drei Freunde eine syrische Konditorei in Würzburg eröffneten.
Azzat Al-Mazlum, Ahmad Mualla und Gassan Al- Adem (von links) betreiben einen Laden für arabische Süßigkeiten in der Würzburger Semmelstraße. Auf der Flucht aus Syrien sind sie Freunde geworden.
Foto: Thomas Obermeier | Azzat Al-Mazlum, Ahmad Mualla und Gassan Al- Adem (von links) betreiben einen Laden für arabische Süßigkeiten in der Würzburger Semmelstraße. Auf der Flucht aus Syrien sind sie Freunde geworden.
Bassel Matar       -  Bassel Matar ist gebürtige Syrer. In seinem Heimatland hat er Journalismus studiert und war dort unter anderem als Sportreporter tätig. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Er hat in verschiedenen Bereichen gearbeitet, unter anderem auch als Dolmetscher. Bassel Matar ist seit April 2024 Volontär bei der Main-Post.
Bassel Matar
 |  aktualisiert: 06.08.2024 02:41 Uhr

Der kleine Laden in der Würzburger Semmelstraße ist unscheinbar: "Jasmin Süßwaren" steht auf dem Schaufenster – einmal auf Deutsch und einmal in arabischen Schriftzeichen. Öffnet sich die Türe, steigt der Duft von Rosenwasser in die Nase. Mit einem freundlichen "Ahlan wa Sahlan" (arabisch für Willkommen) und einem Stück Bakhlava zum Probieren begrüßen Ahmad Mualla, Azzat Al-Mazlum und Gassan Al-Adem ihre Kundinnen und Kunden.

Seit 2022 betreiben die drei Männer den Laden. Die Drei verbindet eine bewegende Geschichte, die weit über Süßigkeiten hinausgeht – sie haben sich nämlich bei ihrer Flucht aus Syrien auf dem Schlauchboot kennengelernt.

Als "eine furchtbare Reise", beschreibt Ahmad Mualla (34) den Weg von Syrien nach Deutschland: "Ich saß im Schlauchboot und dachte, jetzt könnte ich ertrinken. Aber wenn dieses wackelige, überfüllte Boot jetzt untergeht, habe ich doch wenigstens die Menschen kennengelernt, die als Letztes neben mir saßen."

Schicksalhafter Zufall: Drei Konditoren fliehen gemeinsam nach Würzburg

Es waren Azzat Al-Mazlum und Gassan Al-Adem, die neben ihm saßen. In den rund 60 Minuten, die die gefährliche Überfahrt von der Türkei nach Griechenland dauerte, zwischen Wellen und Gischt, erfuhren die drei Sitznachbarn noch nicht, dass sie ein schicksalhafter Zufall verbindet: Dass sie alle in ihrer Heimat das Konditorhandwerk gelernt haben, erzählten sie sich erst auf der Balkanroute. "Die Angst auf dem Boot ließ keinen Raum für solche 'normalen' Geschichten", sagt Mualla.

Azzat Al-Mazlum ist gelernter Konditor. Seine Backwaren sind traditionell und von Hand gemacht.
Foto: Thomas Obermeier | Azzat Al-Mazlum ist gelernter Konditor. Seine Backwaren sind traditionell und von Hand gemacht.

Die Männer blieben zusammen. In Deutschland angekommen, entwickelte sich ihre Freundschaft weiter. Mualla sagt: "Wir haben uns immer getroffen und überlegt, wie wir zusammen einen Laden eröffnen können." Doch zuerst mussten sie die deutsche Sprache lernen.

Das macht das syrische Baklava in der Würzburger Semmelstraße besonders

Während Muallah in Würzburg blieb und dort eine Anstellung fand, zogen Al-Mazlum und Al-Adem zunächst nach Hannover, um dort in einer Konditorei zu arbeiten. "Für mich war es wichtig, mich irgendwann mit den anderen zusammenzuschließen, um in Würzburg einen Laden zu eröffnen", sagt Mualla, der die Geschäfte der Konditorei führt.

Azzat Al-Mazlum (36) ist hauptverantwortlicher Bäcker im Laden. Er sagt: "Mit 16 Jahren habe ich begonnen, mich in diesem Beruf auszubilden zu lassen". Gassan Al-Adem ist 38 Jahre alt und wirkt in der Backstube und im Verkauf mit. Er fügt schmunzelnd hinzu: "Ich habe ebenfalls mit 16 Jahren meine Ausbildung begonnen, allerdings habe ich zwei Jahre mehr Erfahrung als du, weil ich zwei Jahre älter bin."

Die drei Männer haben nicht nur ihre Leidenschaft für das Backen gemeinsam, sondern auch den Wunsch, ihre Kultur und Traditionen durch ihre Backwaren weiterzugeben.

Das macht das syrische Baklava in der Würzburger Semmelstraße besonders

Die im Laden verkaufte Waren werden täglich frisch hergestellt. Die Produktion begann in einem kleinen Hinterzimmer des Ladens. Mittlerweile haben die Betreiber eine größere Backstube angemietet und werden von einigen Angestellten unterstützt. "Es war ein sehr harter Weg", sagt Al-Mazlum. "Alle unsere Süßwaren sind von Hand gemacht."

Gassan Al-Adem begann seine Ausbildung zum Konditor im Alter von 16 Jahren, heute ist er 38 Jahre alt.
Foto: Thomas Obermeier | Gassan Al-Adem begann seine Ausbildung zum Konditor im Alter von 16 Jahren, heute ist er 38 Jahre alt.

Neben arabischen Baklava mit Pistazien, Schlagsahne oder Cashewnüssen bieten die drei Konditoren auch "Künefe", käseartige Süßigkeiten. "Arabische und türkische Süßigkeiten ähneln sich äußerlich stark, weisen jedoch einen wesentlichen Unterschied auf: Arabische Süßigkeiten sind weniger süß", erklärt Azzat Al-Mazlum.

"Jedes Mal, wenn ich Baklava backe, denke ich an meine Mutter."
Ahmad Mualla, Geschäftsführer der Würzburger Jasmin-Konditorei

Für Ahmad Mualla, Azzat Al-Mazlum und Gassan Al-Adem ist der Laden mehr als nur ein Geschäft, sagen sie. Er sei ein Stück Heimat, ein Ort, an dem sie ihre Erinnerungen und Traditionen bewahren können. "Jedes Mal, wenn ich Baklava backe, denke ich an meine Mutter, die mir das Rezept beigebracht hat", sagt Mualla mit einem Lächeln. "Es ist, als wäre sie hier bei mir."

 
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