Beim Gebrauch von Superlativen soll man sich zurückhalten, was aber Hoshiyar Xano in den vergangenen Jahren geleistet hat, verdient schon mehr als ein großes Stück Anerkennung. Als Elfjähriger wurde er mit seinem älteren Bruder und seiner Mutter 2015 in dem großen Flüchtlingstreck durch halb Europa gespült, um schließlich am 6. Oktober dieses außergewöhnlichen Jahres in Bad Königshofen zu stranden.
Heute, acht Jahre später, besitzen er, seine Mutter und sein Vater neben der syrischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft und sind absolut integriert in ihrem Umfeld. Und das ist noch nicht alles. Am 23. Juni waren Hoshiyar Xano und Renate Knaut von der VHS zur Programmkonferenz "Kultur macht stark" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nach Berlin eingeladen. Zum Thema Nachhaltigkeit in der kulturellen Bildung hatte er die Gelegenheit, seine Geschichte vorzustellen.
Hoshiyar Xano möchte Medizin studieren und Hausarzt werden
Der junge Syrer, der bei seiner Ankunft kein Wort Deutsch gesprochen hat, beherrscht heute die Sprache fast perfekt. Den Quali hat er mit einem Notendurchschnitt von 1,2 geschafft, die Mittlere Reife, mit 1,4. Derzeit besucht er, ausgestattet mit einem Stipendium, die Fachoberschule in Bad Neustadt. Die will er in zwei Jahren mit dem allgemeinen Abitur abschließen, um anschließend - sofern der Numerus Clausus es zulässt – Medizin zu studieren. Da mag man dem Deutsch-Syrer gerne die Daumen drücken, denn er möchte Hausarzt werden und sich hier niederlassen.
Nur durch ständiges Reden lernt man eine Sprache
"Man muss reden, immer versuchen, mit den Menschen zu sprechen, auch wenn es falsch ist", sagt Hoshiyar Xano, den seine Freunde der Einfachheit halber "Hoshi" nennen. Weil aber ohne Vokabeln nur wenig geht, hat er sich nach der Schule dann oft das Wörterbuch vorgenommen. Zielstrebigkeit, Ausdauer und der Mut, immer weiterzumachen, auch wenn es schwierig wird – diese Eigenschaften braucht man, um so weit zu kommen.
Die Flucht aus Kobane vor den Truppen des herannahenden IS
Das gilt auch für die Bewältigung der Flucht aus dem kurdischen Grenzort Kobane, von dem der junge Mann berichtet. Gerade noch rechtzeitig sei der Grenzübertritt mit seinem Vater Mustafa und seiner Mutter Naima vor den herannahenden IS-Kämpfern gelungen. Sein heute 23 Jahre alter Bruder Yezdansher befand sich da noch in der Hand des IS. Erst fünf Monate sollte er freigelassen werden.
Acht Monate verbrachten sie bei Verwandten in der Türkei. Für Hoshiyars Mutter, eine Grundschullehrerin, die Biologie in den 5. und 6. Klassen mit meist 40 Schülern unterrichtet hatte, eine sorgenvolle Zeit, weil ihre Söhne keine Schule besuchen konnten. Zurück nach Kobane ging es auch nicht. "Alles war kaputt", sagt die Frau über das Haus, in dem sie gewohnt hatten, nach einem Besuch in der Stadt, als dies die Sicherheitslage wieder erlaubte.
Viermal scheiterte die Überfahrt mit Booten von der türkischen Küste nach Griechenland
Viermal war 2015 die Überfahrt mit Booten von der türkischen Küste nach Griechenland gescheitert, erzählt Hoshiyar Xano. Einmal drohte das Schlauchboot sogar unterzugehen, stundenlang habe er Wasser schöpfen müssen. Mit dabei waren seine Mutter und sein Bruder.
Als es dann endlich geklappt hatte, ging es teils mit der Bahn oder dem Bus, aber auch zu Fuß über Athen, Mazedonien, Österreich und München ins Ankerzentrum nach Schweinfurt. Nach einem Monat dort kamen sie schließlich nach Bad Königshofen. Der Vater konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mitkommen, er folgte eineinhalb Jahre später per Flugzeug nach.
Eine Reise mit dem Talentcampus nach Kurdistan in den Ferien
"Es ist toll, aktiv zu sein", sagt Xano. Schon während des Deutschsprachkurses hatte er bei den Ferienprogrammen von jukunet mitgemacht, jenem Netzwerk für Jugendkultur, mit dem Renate Knaut in Bad Königshofen seit Jahren Integrationsarbeit leistet. Als es mit dem Deutschen immer besser wurde, stieg der junge Syrer als Helfer mit ein.
Schließlich qualifizierte er sich online über den Deutschen Volkshochschulverband zum Peer Teamer für die Talent-Campus-Reihe und brachte im vergangenen Jahr in einer von ihm konzipierten Veranstaltung in den Osterferien den Teilnehmern eine ganze Woche lang bei einer "Reise nach Kurdistan" die Kultur seines Geburtslandes näher.
Auch den anderen Familienmitgliedern gelingt die Integration
Auch den anderen Mitgliedern der engsten Familie ist Integration gelungen. Seine Mutter arbeitet seit vier Jahren in der Seniorenbetreuung bei Frankencare, vorher hatte sie einen Minijob im Jugendzentrum, der 23 Jahre alte Bruder absolviert in Würzburg eine IT-Ausbildung und will später studieren und der Vater, ein früherer Menschenrechtsanwalt, schickt sich an, eine Ausbildung zum Steuerberater zu machen, nachdem er einige Zeit bei einer Firma als Beifahrer Matratzen ausgefahren hatte.
Das Gefühl, in der Fremde nicht allein zu sein
Natürlich gab es auch Rückschläge. Als der junge Hoshiyar Xano ins hiesige Gymnasium wechselte, war die Herausforderung schon wegen der Fremdsprachen zum damaligen Zeitpunkt dann doch etwas zu groß. Er musste wieder zurück an die Mittelschule, was für ihn sehr schlimm war, wie Hoshiyars Mutter Naima erzählt. Doch auch das meisterte die Familie gemeinsam. Vielleicht trägt ja das Gefühl, nicht allein zu sein, einiges dazu bei, in der Fremde zurechtzukommen. Großen Anteil daran hat sicher die Familie Schmalen, die die Xanos von Anfang an unterstützt hat.