
Noch eine Woche, vom 5. bis 9. Juli, steht Veitshöchheim im Mittelpunkt des ARD-Morgenmagazins, weil der Mittelpunkt der Europäischen Union auf einem Acker im Ortsteil Gadheim liegt und gerade die Fußball-Europameisterschaft in zehn europäischen Städten und im asiatischen Baku ausgetragen wird. Bei den Live-Schalten nach Veitshöchheim geht es aber nicht nur um Fußball, sondern auch um die Franken, ihre Kultur, ihre Vorlieben, ihre Lebensart. Darüber berichtet kein Franke, sondern der vor allem im Norden bekannte Moderator Yared Dibaba. Im Gespräch mit dieser Redaktion klärt er auf, was er bisher von den Franken gelernt hat, warum sie den Norddeutschen ähnlich sind und wieso er mit seinen 52 Jahren so gerne über Sex spricht. Das Interview fand am 24. Juni, einen Tag vor dem Messerangriff in Würzburg statt.
Yared Dibaba: Ohjaaa. Das finde ich gut.
Dibaba: Das kann ich gut nachvollziehen. Mir ist es auch nicht von Anfang an leicht gefallen, darüber zu sprechen. Obwohl ich gleich forsch gesagt habe, 'klar, lasst uns über Sex reden'. Wir machen ja auch Witze über Sex. Aber das heißt ja nicht, dass wir auch darüber sprechen. Wir haben alle ein ganz natürliches Schamgefühl - und das ist auch völlig in Ordnung.
Dibaba: Nicht immer, nicht überall und auch nicht mit jedem. Aber jetzt schon öfter als vor der Sendung. Durch den Podcast habe ich gelernt, über Sex zu reden. Ich habe aber auch meine Schamgrenzen kennengelernt.
Dibaba: Natürlich gibt es Themen, die einem peinlich sind. Für unsere allererste Sendung zum Thema Selbstbefriedigung war meine Kollegin bei einem sehr intimen Massagekurs. Vorher hätte ich so ein Thema nie angesprochen, schon gar nicht in einem Interview. Aber im Grunde genommen ist Sex genauso normal wie essen, trinken, schlafen. Warum haben wir da so ein Problem damit?
Dibaba: Ach, ich weiß gar nicht, ob wir Norddeutschen prüde sind oder gar prüder als die Süddeutschen. Wir im Norden sind Protestanten, hier im Süden sind viele katholisch. Da kann man sich jetzt darüber streiten, wer prüder ist.
Dibaba: Aber sie sprechen darüber. Schauen Sie sich den Fasching in Franken an. Da ist auf einmal die Welt völlig offen und danach wird nicht wieder darüber gesprochen. So etwas haben wir im Norden nicht. Ich glaube, die Menschen sind mehr oder weniger gleich prüde.
Dibaba: Ja. Es gab so ein kleines Magazin mit dem Titel "Muss-Ehen muss es nicht geben". Aber so richtig aufgeklärt wurde ich nicht. Und so offen hat man damals auch gar nicht gesprochen. Die Eltern haben gedacht, das macht die Schule, und die Schule dachte, das machen die Eltern. Und wir Jugendliche haben uns untereinander ausgetauscht und mal bei Doktor Sommer in die Bravo geschaut. Das war's dann schon.

Dibaba: Das werde ich an dieser Stelle nicht sagen.
Dibaba: Die Franken sind selbstbewusst, sie lieben ihre Kultur, haben eine gewisse Selbstironie und sind den Norddeutschen ähnlich, aber auch den Oromos.
Dibaba: Weil die Oromos auch sehr zurückhaltend und reserviert sind. Und deswegen fühle ich mich hier bei den Franken auch sehr wohl. Und es leben hier in der Gegend auch viele Oromos, die aus Äthiopien aus politischen Gründen geflüchtet sind. Sie wurden vertrieben. Ich bin mit einigen im Gespräch und weiß, dass sie hier eine neue Heimat gefunden haben und auch gerne bleiben würden. Aber der eine oder andere ist auch von einer Abschiebung bedroht und soll zurück in ein Land, wo Bürgerkrieg herrscht.
Dibaba: Mir ist ehrlich gesagt jetzt nichts aufgefallen, wo ich sagen würde, das ist typisch Fränkisch. Auch, wenn ich hier durch Veitshöchheim gehe – das ist so malerisch. Jeder hat sein Haus, seinen Garten mit Liebe gepflegt. Das sieht auch jeder Gast sofort und spürt: Ja- die lieben das hier. Und auch die Menschen sind sehr angenehm, vor allem angenehm normal, nicht überkandidelt. Das finde ich sehr nett.
Dibaba: Ich werde den Franken Plattdeutsch beibringen. Auch, weil ich weiß, dass viele gerne an der Küste Urlaub machen. Und andersherum machen viele aus dem Norden Urlaub im Frankenland. Ich glaube, das trägt zur Völkerverständigung bei, wenn der Franke plattdeutsch kann, wenn ein Norddeutscher kommt. Mehr Gastfreundschaft geht doch nicht.
Dibaba: Wo gemmer denn na? Dieser Satz fiel oft, als ich im letzten Jahr schon zur Fastnacht in Franken in Veitshöchheim war.
Dibaba: Ich verbinde mit alter Liebe etwas Heimatliches, meine Heimat Oromia. Dort bin ich vor 42 Jahren im Februar weggegangen.
Dibaba: Ja, auf jeden Fall. Ich war 2019, nach 25 Jahren, wieder in Oromia und es bricht mir das Herz, dass ich nicht immer einfach so hingehen kann, wie ich es möchte. Ich konnte meinen Kindern noch gar nicht meine Heimat zeigen. Sie wissen nicht, wie ich dort gelebt habe, wo ich herkomme. Sie haben bisher noch nicht meine Cousins, Onkel und Tanten kennengelernt, die alle noch dort leben. Und das ist noch das kleinere Leid. Viele Menschen verlassen ihre Heimat zu Fuß, übers Wasser mit Schlauchbooten, riskieren ihr Leben, manche verlieren unterwegs noch ihre Familie – sie können gar nicht mehr zurückkehren. Das ist tragisch. Deswegen verbinde ich mit alter Liebe etwas Schweres.
Dibaba: Jetzt wollen Sie wissen, ob ich dann etwas an habe oder nicht.
Dibaba (lacht herzhaft): Ich werde definitiv etwas anhaben.